Darum gehts
Wie gut funktioniert die Gesundheitsversorgung in der Schweiz?
Annamaria Müller: Grundsätzlich sind die Versorgung und ihre Qualität gut. International gesehen, sind wir komfortabel unterwegs. Aber wir haben ein starkes Gefälle. Je nach Wohnort ist es sehr schwierig, einen Arzttermin zu bekommen und angemessen versorgt zu werden.
Warum?
Weil es in manchen Regionen, zum Beispiel in den Freiburger Alpen, zu wenige Ärztinnen und Ärzte gibt. Und weil die Anfahrtswege für die Patientinnen sehr lang sind. Das schreckt manche Leute ab, und sie verschleppen dadurch ihr Leiden.
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Wir haben also eine Unterversorgung. Aber nicht nur?
Ja, wir haben zugleich auch eine Überversorgung. Für Knie- und Hüftoperationen gibt es definitiv zu viele Anbieter. Da hat man nie das Problem, einen Termin zu bekommen. Ebenso wenig bei den bildgebenden Verfahren. Schwierig hingegen ist es bei der Kinder- und Jugendmedizin oder der Psychiatrie.
Können Sie das präzisieren?
Ein Beispiel: Es gibt viele Bereiche, in denen das Psychische und das Physische ineinanderspielen, also seelische Beschwerden, die körperliche auslösen, oder umgekehrt. Oft gibt es dann einen Flipperkasten-Effekt: Die Patientin wird von einem Arzt zum nächsten verwiesen. Das ist schlecht für die Patienten und verteuert das System.
Welche Rolle spielen die Hausärzte? Sie sollten ja eigentlich der Dreh- und Angelpunkt sein.
Sollten, ja. Bei einfachen Beschwerden sollte man zuerst zur Hausärztin oder zum Hausarzt gehen. Und diese verweisen dann nach Bedarf an die Spezialistin.
Die klassische Gatekeeper-Rolle?
Die Hausärztinnen sind der Hub der niederschwelligen Gesundheitsversorgung. Aber wir haben immer weniger von ihnen. Das ist das eine Problem. Das andere ist das Wissen des klassischen Hausarztes. Früher kannten sie die ganze Familiengeschichte ihrer Patienten, ihre Biografie, den Schmerzlevel und so weiter. Ein wertvoller Erfahrungsschatz, dank dem man die Beschwerden besser zuordnen konnte. Heute, in einer Gruppenpraxis mit wechselndem Teilzeitpersonal, geht dieses Wissen verloren.
Was sind die Folgen?
Heute wird viel schneller weiterverwiesen, und diese zunehmende Spezialisierung führt zu hohen Kosten. Weil eben dieser Erfahrungsschatz der Hausärztinnen fehlt, der eine gute und qualitativ hochstehende Grundversorgung ausmacht. Dafür hat man noch keine Lösung gefunden.
Der Hausärztemangel ist ein Fakt. Wie kann er behoben werden?
Die Hausarztmedizin ist nicht sehr gefragt. Die Aus- oder Weiterbildung zum Facharzt findet am Spital statt. Und das Spital ist der falsche Ort für die Ausbildung von Hausärzten. Deshalb hat man vor rund 15 Jahren die Praxisassistenz eingeführt. Das bedeutet, dass angehende Hausärztinnen den Praxisalltag vor Ort erleben können. Man versucht also, Gegensteuer zu geben. Aber es reicht nicht, der Mangel wird sich noch verstärken.
Wieso wird er sich verstärken?
Wir kommen jetzt in eine Phase, in der man eine Boomer-Generation von Patienten mit Medizinern der Gen Z abdecken muss. Rein arithmetisch ist das eine grosse Herausforderung.
Weil jetzt viele Boomer-Hausärzte pensioniert werden?
Auch, ja. Es wird aber insbesondere in 10 bis 20 Jahren zu einem grossen Problem werden. Wenn die Boomer nicht mehr so rüstig sind und medizinische Probleme bekommen. Rein zahlenmässig haben wir dann zu wenige Fachkräfte, die diesen Ansturm bewältigen und versorgen können.
Zu wenige Ärzte für zu viele gebrechliche Menschen?
Genau so ist es, dem müssen wir uns stellen. Weniger Mediziner werden mehr machen müssen. Da kommt ein Tsunami auf uns zu, und wir schauen einfach weg. Ein riesiges Grundversorgungsproblem.
In Deutschland spricht man gar von der Altenplage.
Das ist mir viel zu abschätzig, ich würde das nie so sagen.
Wo kann Gegensteuer gegeben werden?
Die Spitäler wurden in den letzten 50 Jahren zu sehr gehypt. Auch deshalb sind die Notfallstationen überlaufen und chronisch verstopft. Und es fehlt an Anschlusslösungen für Patienten, die zu schwach für zu Hause, aber zu gesund für ein Spitalbett sind. Das betrifft viele ältere Menschen. Der Fachpersonalmangel in den Pflegeheimen ist noch viel dramatischer als anderswo. Das Zusammenspiel dieser verschiedenen Behandlungsepisoden funktioniert nicht.
Wie kann das verbessert werden?
Indem sich zum Beispiel Regionen zusammenschliessen und Spitäler, Heime, Spitex und Rehakliniken eng zusammenarbeiten. Im Berner Jura wird das beispielsweise heute schon so gemacht.
Regionale Versorgungsinitiativen als Lösung?
Im Kanton Bern werden solche Projekte von der Gesundheitsdirektion aktiv gepusht. In anderen Gegenden entstehen sie spontan. Unser Forum für Integrierte Versorgung sieht immer mehr solcher Beispiele. Wir haben Anfragen von den Kantonen Glarus und Nidwalden. Es sind vor allem die kleineren Kantone, die sich bemühen.
Wer muss die Gesundheitsversorgung verantworten?
Der verfassungsmässige Auftrag ist klar: Die Gesundheitsversorgung obliegt den Kantonen. Wie sie diese Rolle wahrnehmen, ist ihnen überlassen. Manche setzen auf digitale Plattformen, andere stellen Infrastruktur zur Verfügung, bauen zum Beispiel ein Gesundheitszentrum. Weitere fördern Kooperationen. Mit der Abstimmung vom letzten November zur Änderung des Krankenversicherungsgesetzes und der Annahme der einheitlichen Finanzierung Efas müssen die Kantone nun auch die ambulante Versorgung finanzieren.
Reicht das?
Nein. Wir sind erst in der Anlaufphase. Es müsste viel schneller gehen. Die Kantone könnten von den Städten lernen, wie wichtig das Zusammenspiel von Gesundheit und Sozialem ist. Wenn sie in soziale Angebote investieren, zum Beispiel gegen Einsamkeit bei älteren Menschen, verbessert sich dadurch deren Gesundheit.
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