Darum gehts
- Kleinflugzeug stürzt in Zugersee, Passagierin stirbt, Pilot überlebt
- Das Flugzeug HB-ORK war einst im Besitz des Gletscherpiloten Ty Rufer
- Die Piper PA-18 Super Cub aus dem Jahr 1959 crashte bereits zweimal zuvor
Scharf zieht die Augenzeugin hinter der Kamera die Luft ein. Die Bilder, die Blick von einem Leserreporter erhalten hat, sind verstörend. Ein einmotoriges Kleinflugzeug fliegt in einer Höhe von ungefähr 20 Metern langsam über den Zugersee.
Das Flugzeug sinkt, deutet eine Rechtskurve an – auf einmal heult der Motor auf. Die Maschine mit dem Kennzeichen HB-ORK verliert dramatisch an Höhe und prallt schliesslich in die Wasseroberfläche vor Cham ZG. Das war vergangenen Freitag. Die traurige Bilanz: Die Passagierin (†60) überlebte den Absturz nicht. Der Pilot (49) konnte gerettet werden.
Die HB-ORK wird in Fliegerkreisen und Aviatikforen als «legendär» beschrieben. Das Flugzeug Piper PA-18 Super Cub, Baujahr 1959, gehörte einst dem bekannten Schweizer Gletscherpiloten Ty Rufer (1923–1991). Mit «Pipsli», wie er seine Piper damals nannte, gelang ihm in den 60er-Jahren sogar die Landung auf dem Firn (Altschnee) der Jungfrau.
«Über 25'000 Mal setzte er seine geliebte einmotorige Propellermaschine in den Berner Alpen auf nahezu jeden erdenklichen Gletscher», schrieb das regionale Medium «Plattform J» vor 13 Jahren. Sicher war es dabei nicht immer: Der Absturz im Zugersee vom Freitag dürfte bereits der dritte Crash der HB-ORK gewesen sein.
Zusammenstoss im Jahr 2003
Erstmals im Jahr 1963 verlor sie bei einem Startversuch unter widrigsten Verhältnissen auf dem Kanderfirn BE einen Ski. Der Pilot blieb damals unverletzt.
Beim zweiten Zwischenfall im Jahr 2003 stiess das Flugzeug gar mit einer anderen Maschine zusammen. Todesopfer gab es keine, allerdings wurden zwei Insassen der Maschine gemäss Schlussbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST «erheblich verletzt». Bei diesem Unfall wurde die HB-ORK gemäss Bericht «zerstört».
Auch in der Schweiz ist es üblich, dass beschädigte, teilweise auch total demolierte Flugzeuge wieder neu aufgebaut werden. Die Registrierungsnummer bleibt dabei dieselbe. So flog die HB-ORK später weiter.
Der Heimatflughafen des Wasserflugzeugs ist seit einigen Jahren Langenthal BE, Besitzerin ist eine bekannte Druck- und Maschinenfirma aus dem Nordosten des Kantons Bern. Eine Blick-Anfrage blieb bis Montagabend unbeantwortet.
Am Freitagabend wurde das Flugzeug in einer aufwendigen Bergungsaktion aus dem See gezogen. Drängende Fragen bleiben offen. Wie konnte dieser Absturz geschehen?
«In diesem Rank muss etwas passiert sein»
Kristopher Koch (40), Schweiz-Kanadier und langjähriger Wasserflugzeugpilot aus Vancouver, hat darauf auch keine abschliessende Antwort. Im Gespräch mit Blick analysiert der Doppelbürger mit St. Galler Wurzeln das Video des Absturzes. «Es sieht aus, aus würde er hier einen klassischen Vorbeiflug, einen Fly-By machen», sagt Koch. «Low and slow» – langsam und tief. Dann kommt die verhängnisvolle Rechtskurve: «In diesem Rank muss etwas passiert sein», sagt Koch.
In einer Piper PA-18 Super Cub sitze der Pilot vorne, der Passagier hinten. «Es ist sehr eng. Der Steuerknüppel ist zwischen den Beinen, die Füsse hat man immer auf den Pedalen», erklärt Koch. Möglich wäre, dass jemand aus Versehen auf das Ruder-Pedal gedrückt habe.
«Jeder Meter bedeutet Zeit»
Eine weitere Erklärung: «Vielleicht wollte der Pilot einem Vogel ausweichen.» Tiefflug sei nicht ungefährlich: «Wenn man so nieder und so langsam fliegt, kann es bei einer abrupten Richtungsänderung zu einem Stromabriss kommen.» Dann könne das Flugzeug wie ein Stein in die Tiefe fallen. «Auf zehn Metern hat man keine Zeit mehr zum Reagieren und Korrigieren. In diesem Moment hat man verloren. Jeder Meter bedeutet Zeit.»
Ablenkung, ein Versehen, Probleme am Flugzeug, Ausweichmanöver: Gemäss Koch gibt es viele mögliche Gründe, weshalb der Pilot die Kontrolle über seine legendäre HB-ORK verloren hatte. «Es ist schade, dass jemand ums Leben kommen musste», sagt Koch. «Der Einzige, der weiss, was hier wirklich passiert ist, ist der Pilot.»
Die Analysen der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle laufen.