Horror-Mutter erschlug einen Buben, der andere starb durch Unterlassung
Ein Jahr Knast! Jelica S.* (23) tötete ihre Zwillinge

Zwei Kinder sind tot. Getötet von ihrer jungen Mutter. Das eine mit Gewalt – das andere liess sie noch in ihrem Bauch sterben. Jetzt kassierte sie dafür ihre Strafe: Ein Jahr Knast!
Publiziert: 30.01.2019 um 08:59 Uhr
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Aktualisiert: 10.11.2020 um 18:15 Uhr
Jelica S. heute Morgen vor dem Kriminalgericht in Luzern.
Foto: BLICK / Claudio Meier
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Anian Heierli

Die 23-jährige Jelica S. ist schuldig! Sie hat am Mittwochabend vom Kriminalgericht in Luzern ihr Urteil dafür kassiert, dass sie ihre beiden Babys getötet hat. Eines tötete sie vorsätzlich, das andere «durch Unterlassung». Vom Gericht erhielt sie nun dafür eine Freiheitsstrafe von 34 Monaten. Ein Jahr davon muss sie im Gefängnis absitzen. Die restlichen 22 Monate sind bedingt zu vollziehen bei einer Probezeit von zwei Jahren.

Die Richterin begründete das mündliche Urteil nur kurz: «Wir gehen nicht von einer langen Planung aus», sagt sie. «Das objektive Tatverschulden schätzen wir als sehr hoch ein. Subjektiv handle es sich dagegen um eine Drucksituation.»

Ex-Freund wollte Abtreibung

Die junge Mutter ist im Dezember 2015 im siebten Monat schwanger, als die Horror-Tat passiert: Die damals 20 Jahre alte Serbin spürt jedoch, dass plötzlich die Wehen einsetzen. Sie legt sich in die Badewanne, bringt dort am Nachmittag des 10. Dezembers 2015 ein Baby zur Welt. Offenbar allein.

Vor Gericht erklärt sie: «Ich wusste nicht, wie eine Geburt abläuft. Ich füllte die Badewanne, als es anfing. Ich weiss heute nicht mehr, wie ich das geschafft habe. Ich lag in der Badewanne und schaute im Internet, wie das geht.»

Der Vater der Kinder, ihr serbischer Freund, hat den Kontakt zu ihr schon Monate vorher abgebrochen. Vor Gericht sagt sie: «Er wollte, dass ich abtreibe, dann hat er mich verlassen. Ich bin alleine dagestanden.»

Mit Wucht gegen die Wand geschlagen

In der Wohnung, in der Jelica S. mit ihren Eltern und ihrer Schwester lebt, kriegt laut Anklageschrift offenbar niemand etwas von der Geburt mit. «Ich hatte Angst, weil er nicht richtig geschrien hat.» Jelica S. geht zu ihrer Mutter, holt den Kellerschlüssel – sie müsse sich für die Wäsche eintragen. Mit dem Neugeborenen, das sie unter ihren Kleidern versteckt, geht sie in den Keller.

Dort schlägt sie ihr Baby zwei Mal mit Wucht gegen die Wand und wirft es fest zu Boden. Der Bub erleidet mehrfache Schädelbrüche, ein massives stumpfes Schädel-Hirn-Trauma – er stirbt kurz nach seiner Geburt. Auf die Frage vor Gericht, was für Gefühle sie gehabt habe, antwortet sie weinend: «Ich weiss es nicht.»

In rosa Teddybär versteckt

Jelica S. wickelt den kleinen Körper in ein altes Mickey-Mouse-T-Shirt, öffnet den Reissverschluss eines grossen rosa Teddybären und versteckt das tote Kind darin und lässt es im Kellerabteil liegen. Jelica sagt: «Ich habe ihn einfach dorthin getan. Ich weiss nicht, was in meinem Kopf vorgegangen ist.»

31 Stunden später legt sie sich wieder in die Badewanne, bringt dort ihr zweites Kind zur Welt – es stirbt kurz vor der Entbindung. Jelica S. wickelt den toten Bub in ein Frotteetuch. Er wird später in Tücher eingewickelt in einem Wäschekorb in der Küche gefunden. Wäre Jelica nach der ersten Geburt ins Spital gegangen, könnte auch dieses Kind noch leben, stellt die Rechtsmedizin fest.

63 Tage in U-Haft

Jelica S. hat heftige Blutungen, verliert das Bewusstsein im Zimmer, bricht zusammen. Jetzt bringen die Eltern sie ins Spital. Dort wird die Polizei alarmiert, weil feststellt, dass ihre Patientin zwei Kinder zur Welt gebracht haben muss – obwohl diese das zunächst abstreitet.

Nach ihrer Behandlung kommt Jelica für 63 Tage in U-Haft. Sie gibt die Vorwürfe mehrheitlich zu. Die Psychiater attestieren ihr eine «Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion» – eine psychiatrische Störung geringen Ausmasses.

«Hat gelernt, wie man mit ungewollten Geburten umgeht»

Der Staatsanwalt sagt in seinem Plädoyer: «Zwei unschuldige Säuglinge mussten sterben, weil die Angeklagte die Angelegenheit auf ihre Weise erledigte.» Sie sei auf einem Bauernhof in Serbien aufgewachsen. «Dort hat sie gelernt, wie man mit ungewollten Geburten umgeht.» Der Säugling habe nach der Geburt noch 30 Minuten gelebt – es sei ohne Zweifel ein Tötungsdelikt.

Dann wird der Staatsanwalt deutlich: «Die Beschuldigte hat zwei Gesichter. Sie gibt sich naiv. In Wahrheit ist sie aber knallhart und berechnend.» Sie habe die Behörden mehrmals angelogen und ihre Aussagen angepasst. Er ist sich sicher: «Eine Abtreibung beim Arzt war der Beschuldigten schlicht zu teuer.»

Der Staatsanwalt spricht von einer hohen kriminellen Energie. Er geht nicht von einer verminderten Schuldfähigkeit aus. Entsprechend liegen keine Strafmilderungsgründe vor. Er forderte eine Freiheitsstrafe von 8 Jahren.

Verteidiger fordert 20 Monate bedingt

Der Verteidiger sieht das anders. Er fordert einen Freispruch im Punkt der vorsätzlichen Tötung. Einzig für Kindstötung soll sie verurteilt werden. Er fordert eine Freiheitsstrafe von 20 Monaten bedingt bei einer Probezeit von drei Jahren.

Er bezieht sich auf einen Artikel im Strafgesetzbuch, der Tötungsdelikte von Müttern während der Geburt oder noch unter dem Einfluss des Geburtsvorganges behandelt – diese sollen nur mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden. «Meine Mandantin hatte eine strenge Erziehung.» Sie habe sich wegen körperlicher Züchtigung durch ihren Vater an die Kesb gewandt. Im Elternhaus hatten männliche Begleiter keinen Zutritt. «Eine sexuelle Beziehung vor der Ehe sind für ihre Eltern undenkbar.» Mit diesem soziokulturellen Hintergrund sei sie noch vor ihrem 20. Geburtstag schwanger geworden.

«Sie hatte keinen Vorsatz»

Ihr Verteidiger macht die Situation für die Angeklagte deutlich: «Sie erlitt höllische Schmerzen. Das Ausbleiben der Schreie und die spärlichen Bewegungen ihres Sohnes bringen sie ausser sich.»

Er gehe von einer schwer verminderten Schuldfähigkeit aus – als Folge des Geburtvorgangs. «Sie hatte keinen direkten Vorsatz.» Ihr sei aber vorzuwerfen, dass sie zumindest eventual-vorsätzlich die Kindstötung in Kauf genommen habe. Sie hat Gelegenheit für ein Schlusswort und sagt: «Mir tut es mega leid.»

*Name geändert

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