Wie viel Eigenkapital muss es sein?
UBS zittert vor der Lex UBS

Am 6. Juni wird der Eigenkapital-Hammer auf die UBS niederdonnern. Dass es so weit kommt, hat die Grossbank auch ihrem missglückten Lobbying zuzuschreiben.
Publiziert: 14:24 Uhr
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Aktualisiert: 15:10 Uhr
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Finanzministerin Karin Keller-Sutter muss entscheiden, wie viel Eigenkapital die UBS in Zukunft halten soll.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

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Beat SchmidFester Mitarbeiter Blick

Der 6. Juni ist Tag der Abrechnung. Dann wird die Landesregierung die Eckpfeiler der neuen Grossbankenregulierung vorlegen. Eine Zahl wird besonders interessieren – und zwar jene, die angibt, wie viel Prozent Eigenkapital die UBS im Stammhaus für ihre Auslandstöchter bereitstellen muss. Aktuell liegt diese Quote bei 60 Prozent.

Doch der Rabatt soll gestrichen werden – dafür machen sich Finanzmarktaufsicht (Finma) und Schweizerische Nationalbank (SNB) stark. Entscheiden muss das federführende Finanzdepartement mit Bundesrätin Karin Keller-Sutter (61). Es ist davon auszugehen, dass sie eine Anhebung auf 100 Prozent durchsetzen wird.

Für die UBS wäre das der «Worst Case». Denn das würde bedeuten, dass sie ihre Eigenkapitaldecke deutlich stärken müsste – um zusätzlich 15 bis 25 Milliarden Dollar. Kommt es so, dürfte am 6. Juni der UBS-Aktienkurs in die Tiefe rauschen, sind sich Insider sicher.

Dann hätten Konzernchef Sergio Ermotti (65) und Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher (67) die Schlacht ums Eigenkapital verloren – zumindest vorerst. Monatelang haben sie mit einem Heer von politischen Beratern Lobbyarbeit betrieben: Sie argumentierten, warnten, drohten. Von einem möglichen Wegzug der Bank war ebenso die Rede wie von einer Übernahme durch ein ausländisches Institut.

Doch die Argumente zündeten nicht. Das liegt auch daran, wie sie vorgetragen wurden. Die vehemente Kritik des UBS-Chefs kam schlecht an. Am arroganten Ton störten sich auch wirtschaftsfreundliche Kreise. Ermottis Salär von 15 Millionen Franken tat sein Übriges. So erstaunt es nicht, dass es der UBS nicht gelang, breite Kreise der Wirtschaft für ihre Kampagne zu mobilisieren. Nicht mal der Finanzplatz stellte sich geschlossen hinter die Grossbank.

Isolation und Frustration

In der Isolation wuchs die Frustration. Besonders bei Sergio Ermotti, der öffentlich damit haderte, keinen Dank für die erfolgreiche Integration der maroden CS zu bekommen. «Ich hätte nie erwartet, dass das grösste Hindernis für ein erfolgreiches Ergebnis von denselben Behörden kommen würde, die uns gebeten haben, die Herausforderungen der Credit Suisse anzunehmen», schrieb Ermotti im März dieses Jahres in einem offenen Brief.

Hinter den Kulissen wurde beklagt, dass die UBS als wichtigste Akteurin der Schweizer Finanzbranche keinen Zugang zur Finanzministerin erhält. Im März berichtete die «NZZ», dass aus «Bankkreisen» zu hören war, Karin Keller-Sutter sei für UBS-Präsident Colm Kelleher kaum erreichbar.

Eine Kritik, die in Bern auf wenig Verständnis stösst. Am 1. April kam es zu einem Spitzentreffen zwischen Mitgliedern des Ausschusses für Finanzfragen des Bundesrats und Vertretern der UBS. Seitens des Bundesrats nahmen Finanzministerin Karin Keller-Sutter, Uvek-Vorsteher Albert Rösti (57) und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) teil.

Die UBS-Delegation bestand aus Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher, Vizepräsident Lukas Gähwiler, CEO Sergio Ermotti sowie Geschäftsleitungsmitglied Markus Ronner. Für Kelleher, der kein Deutsch spricht, wurde ein Übersetzer organisiert. Dass Vertreter eines Unternehmens auf einen Schlag drei Bundesräte bekommen, gilt in Bern als absolute Ausnahme – mehr Aufmerksamkeit geht nicht. Zumal an diesem Treffen auch das komplette Direktorium der Nationalbank – mit Präsident Martin Schlegel, Antoine Martin und Petra Tschudin – sowie die Finma-Spitze mit Präsidentin Marlene Amstad und Direktor Stefan Walter anwesend waren.

Anfang Mai kam es zu einem weiteren Treffen mit hochrangigen Vertretern des Bundes. Die UBS-Delegation mit Ermotti und Ronner traf sich mit dem sogenannten «Ausschuss Finanzkrisen», wo von staatlicher Seite unter anderem Staatssekretärin Daniela Stoffel (SIF), EFV-Direktorin Sabine D’Amelio-Favez, SNB-Vizepräsident Antoine Martin und Finma-Direktor Stefan Walter teilnahmen. EFD-Sprecher Pascal Hollenstein bestätigt die Treffen.

Keine weiteren Gespräche

Jetzt sind keine weiteren Gespräche geplant. Das Dossier befindet sich auf der Zielgeraden. Die sogenannte Ämterkonsultation ist abgeschlossen. Der weitere Ablauf ist vorgezeichnet: Nach dem 6. Juni folgt die Vernehmlassung, danach geht die Vorlage als Botschaft ans Parlament. Dort wird die Gesetzesänderung beraten. Gegen einen Entscheid kann das Referendum ergriffen werden – eine Volksabstimmung wäre dann 2028 oder 2029 möglich. 

Lange war auch eine Umsetzung über den Verordnungsweg im Gespräch – ohne Einbezug des Parlaments. Doch Finanzministerin Keller-Sutter hat sich dagegen entschieden. Klar ist: Der Prozess durch das Parlament verschafft der UBS Zeit – Zeit, in der sie Einfluss nehmen kann. Lobbyisten der Bank wittern bereits Morgenluft und hoffen, etwa bei den Fraktionen der Freisinnigen und der Grünliberalen durchstossen zu können.

Doch zunächst wird die UBS in den sauren Apfel beissen müssen. Kommen die 100 Prozent, dann wird sich diese Zahl tief im Kapitalmarkt einprägen. Die Bank wird spätestens mit den Halbjahreszahlen vom 30. Juli darlegen müssen, wie sie die neuen Vorgaben erfüllen, wie sie das fehlende Eigenkapital aufbauen, wie viel Gewinn sie einbehalten und wo sie das Geschäft reduzieren will.

Software als Eigenkapital?

Interessant werden auch Details sein. Zum Beispiel, was in Zukunft noch als Eigenkapital angerechnet werden kann und was nicht. Aktuell bilanziert die UBS ihre Software, die sie für den Bankbetrieb braucht, mit 4,8 Milliarden Dollar. Der Nationalbank ist das schon länger ein Dorn im Auge, weil es «eine kühne Annahme» sei, dass Software in einer Krise verlustabsorbierend ist, wie SNB-Präsident Schlegel in einem Interview in der «SonntagsZeitung» sagte.

Die UBS schreibt in einer Stellungnahme: «Wir unterstützen grundsätzlich die Massnahmen des Bundesrates zur gezielten Stärkung der Finanzstabilität und haben auch konkrete Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Extremmassnahmen wie den sogenannten Vollabzug vom harten Kernkapital lehnen wir hingegen entschieden ab, auch weil es kein realistisches Szenario gibt, in dem im fortlaufenden Betrieb alle ausländischen Tochtergesellschaften auf null abgeschrieben werden müssten.»

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