Darum gehts
- Evakuierung in Lötschental wegen Geröllmassen und Flutwelle-Gefahr
- Zwei Szenarien: Dammbruch oder langsames Überfliessen des Wassers
- Drei Millionen Kubikmeter Stein stürzten ins Tal, 16 Menschen evakuiert
«Die Lonza macht mir Sorgen», sagt Ton Franken, Inhaber des Campingplatzes Lötschental, zu Blick. Momentan staut das Wasser am Schuttkegel, der die Gemeinde Blatten unter sich begrub. «Der Campingplatz liegt direkt am Fluss, könnte überschwemmt werden.» Mit der Angst ist er nicht allein.
Weil sich hinter den Geröllmassen in Blatten der Fluss Lonza und der Dorfbach Gisentella stauen, haben die Behörden bereits am Mittwoch um 22.30 Uhr die vorsorgliche Teilevakuation der Gemeinden Wiler und Kippel ausgerufen.
16 Personen in Sicherheit gebracht
Drei Millionen Kubikmeter Stein sind am Mittwoch in Blatten mit dem Gletscher zusammen ins Tal gekommen. Das sagte der Chef Naturgefahren Wallis, Raphaël Mayoraz, an einer Medienkonferenz. Das Absturzmaterial verschüttete im Lötschental eine Fläche von rund zwei Kilometer Länge und 50 bis 200 Meter Breite. Das angestaute Wasser wird sich laut Behörden einen Weg finden müssen und kann nicht kontrolliert werden. Im Klartext: Eine Flutwelle droht!
Die Geologen hätten deswegen dazu geraten, das Gebiet zu evakuieren, sagt Matthias Ebener vom regionalen Führungsstab zu Blick. «Wir haben in der Nacht einige Gebäude evakuiert – bis etwa Mitternacht», so Ebener. Wie Blick-Reporter Martin Meul erfahren hat, wurden insgesamt 16 Menschen in der Nacht evakuiert.
Weitere Arbeiten wurden aufgrund der Dunkelheit zunächst eingestellt. Inzwischen hat man die Arbeiten wieder aufgenommen. «In nächster Zeit sollen die ersten Aufklärungsflüge durchgeführt werden.» Ein kleiner Lichtblick: Nach dem Regen vom Mittwoch hat das Wetter am Donnerstag aufgeklart.
«Die Wassermassen stürzen dann ins Tal»
Doch die Zeit drängt. «Der See hinter den Geröllmassen wird immer höher. Und die Wassermassen drücken auf den Damm. Damit steigt der Druck», sagt Christoph Hegg von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) zu Blick.
Im Moment gibt es zwei Szenarien.
Szenario 1.: «Der schlimmste Fall ist, dass die Last auf den Damm zu gross wird und es zu einem Dammbruch kommt. Die Wassermassen stürzen dann ins Tal und dürfte, je nachdem wie fest das Material ist, die Geröllmassen mit sich reissen. Eine gefährliche Flutwelle bahnt sich dann ihren Weg ins Tal», erklärt der Geomorphologe.
Szenario 2: Das Wasser würde nur langsam über den Damm hinausfliessen. Wie bei einem zu vollen Topf oder Fass. Hegg zu Blick: «Wohin und wie stark das Wasser dann fliesst, ist schwer zu sagen. Auch bei diesem Szenario ist aber auf jeden Fall Vorsicht angebracht.»
«Frage ist dabei aber, wie viel Zeit bleibt»
Um beide Szenarien zu verhindern, gebe es eine Lösung. «Es gibt die Möglichkeit, mit Pumpen und Leitungen, den Wasserstand im angestauten See niedrig zu halten. Die Frage ist dabei aber, wie viel Zeit bleibt und wie sicher es vor Ort ist, um Pumpen und Leitungen in das Gebiet zu bringen.»
Auch Volker Weitbrecht von der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich ist der Meinung, dass das Wasser kontrolliert abgepumpt werden muss. «Das ist nur möglich, wenn keine weiteren Abbrüche zu erwarten sind und die Experten die Standfestigkeit des Schuttkegels einschätzen können», sagt er zu Blick.
Dass so etwas funktioniert, beweist der Bergsturz von Randa aus dem Jahr 1991. Damals kamen Pumpen und Leitungen zum Einsatz.
«Die Natur zeigt uns hier ziemlich klar unsere Grenzen auf»
Hilfsmassnahmen - Pumpen, Räumfahrzeuge, Trümmerabtransport sowie Beleuchtungsmasten - sind vom kantonalen Führungsorgan für Blatten angefordert worden. Für den Transport dieser Geräte auf dem Luftweg wurde Hilfe der Armee angefordert. Und Fachingenieurbüros wurden beigezogen.
Doch aktuell ist der Einsatz nicht möglich. Interventionen im Bergsturzgebiet im Lötschental sind derzeit gemäss Mitteilung vom Kanton Wallis wegen der nach wie vor gefährlichen Lage nicht möglich. ETH-Experte zu Blick: «Die Natur zeigt uns hier ziemlich klar unsere Grenzen auf.»