Darum gehts
- Mann tötete Ex-Frau und Töchter in Corcelles NE mit Küchenmesser
- Täter tötete auch Familienkatze und überlebte drei Polizeischüsse
- Gerichtspsychiater vermutet narzisstisches Motiv und enttäuschte Liebe als Auslöser
Es ist eine schreckliche Tat: Ein Mann (52) tötete in Corcelles NE seine Ex-Frau (†47) und die gemeinsamen Töchter (†3 und †10) – mit einem grossen Küchenmesser. Auch die Familienkatze brachte er um. Als die Polizei kam, ging der Algerier auf die Beamten los. Nachdem sie drei Mal auf ihn geschossen hatten, war er kampfunfähig und konnte verhaftet werden. Er hat überlebt.
Die Tat des 52-Jährigen löst Wut und Trauer aus. Und sie führt zu Fragen. Die quälendste davon lautet: Wie kann man nur seine eigenen Kinder töten? «Es dürfte ein narzisstisches Motiv dahinterstecken», sagt Gerichtspsychiater Josef Sachs (75) im Gespräch mit Blick.
«Er hat in dem Moment nicht an seine Kinder gedacht»
Der forensische Psychiater hat eine eigene Praxis in Brugg AG. Und er vermutet: «Der Mann konnte sich nach der Trennung von seiner Frau nicht vorstellen, dass sie fähig ist, sich um die Kinder zu kümmern. Nur er wollte das Verfügungsrecht.» Sachs fügt an: «Wenn er es nicht haben durfte, dann auch niemand anderes – schon gar nicht seine Ex-Frau, die ihn aus seiner Sicht enttäuscht hat.»
Menschen, die ihre eigenen Kinder töten – was geht in dem Moment in einem Täter wie jenem von Corcelles vor? Sachs glaubt: «Er hat in dem Moment nicht an seine Kinder gedacht – nur an seine Ex-Frau. An die vermeintliche Enttäuschung, für die er sie verantwortlich macht.» Der Mann habe sich auch nicht um die Zukunft der Kinder und deren Leben geschert. «Sondern nur an seine Ex, die auf keinen Fall die Kinder haben durfte.»
Warum drehte der Mann jetzt durch?
Sachs glaubt, dass jeder das Potenzial zu einer solchen Tat habe. Er sagt: «Grundsätzlich ist jeder Mensch zu allem fähig – unter bestimmten Umständen.» Es seien jedoch Leute dafür prädestiniert, die eine narzisstische Persönlichkeitsstruktur hätten und anderen Menschen keine eigenständige Persönlichkeit zugestehen würden. «Sie sehen Mitmenschen lediglich als Ergänzung zu ihrem eigenen Ich.»
Im Fall von Corcelles soll der Mann psychologisch behandelt worden sein und seit Juni dieses Jahres nicht mehr bei der Familie gewohnt haben. Dass er gerade jetzt durchgedreht hat, dürfte kein Zufall gewesen sein. «In dieser Zeit ist bei ihm sicher einiges abgelaufen», sagt Psychiater Sachs. «Er dürfte vieles durchdacht haben. Er hat sich in seine Wut und Enttäuschung hineingesteigert.»
Wohl schon länger Rachegedanken gehabt
Hinzu komme meistens, so Sachs weiter, ein konkreter Auslöser. «Eine für ihn negative Mitteilung, ein letztes Gespräch oder ein letztes Nein.» Dass er die Taten mit einem Küchenmesser begangen habe, deute zwar auf eine Handlung im Affekt hin. Aber: «Er dürfte sich wohl schon vorher mit Rachegedanken beschäftigt haben.»
Der Algerier konnte offenbar nicht mir der Trennung von seiner Familie leben. Sachs erklärt: «Bei narzisstischen Menschen ist enttäuschte Liebe einer der stärksten Motivatoren, um Gewalthandlungen durchzuführen. Er muss extrem in seine Ex-Frau verliebt gewesen sein, sie als Teil von sich angesehen haben.»
«Es hat nichts mit fehlender Intelligenz zu tun»
Der Täter hat sich offenbar keine Hilfe geholt. «Warum, weiss ich nicht», sagt Sachs. Mit fehlender Intelligenz habe dies jedenfalls nichts zu tun. Auch hochintelligente Leute würden solche Dinge tun. «Es hat auch nichts mit seiner Nationalität zu tun. Es war wohl eher seine negative Einstellung gegenüber Frauen.»
Sicher ist: Die Familie war den Behörden bereits bekannt, es gab auch gegenseitige Anzeigen. Zuletzt war es im Haus laut Nachbarn jedoch ruhig. Bis am Dienstag, als eine Verwandte die Familie nicht erreichte und die Polizei rief.
Darum tötete er auch die Familienkatze
Dass der Täter sogar die Familienkatze tötete, ordnet Sachs so ein: «Auch sie war ein Teil der Familie, ein Teil der Ex-Frau, die ihn enttäuscht hatte. Er wollte alles töten, was der Frau lieb war.»
Sich selber verschonte der Täter – er ging auf die Polizisten los. «Er muss in einem extremen Erregungszustand gewesen sein und konnte wohl nicht mehr vernünftig denken», sagt Sachs. «Er hat nicht mehr überlegt und nahm auch in Kauf, dass er erschossen wird.»
Jetzt läuft gegen den Mann ein Verfahren wegen mehrfacher Tötung und versuchter Tötung. Wird er seine Taten einmal bereuen? Psychiater Sachs sagt nur: «Viele Menschen mit narzisstischen Zügen bereuen nicht die Tat an sich, sondern die Tatfolgen. Sie bereuen die Tat, weil diese ihr eigenes Leben zerstört hat.»