Weil es keine Mahnung gab
ETH Zürich muss gefeuerter Professorin acht Monatslöhne zahlen

Zum ersten Mal in der Geschichte der ETH wurde eine Professorin entlassen. Dieser Schritt sorgte 2019 für Aufsehen. Die Astrophysik-Professorin wehrte sich dagegen – bis vors Bundesgericht.
Publiziert: 21.04.2022 um 12:00 Uhr
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Aktualisiert: 21.04.2022 um 12:59 Uhr
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Der Streit rund um die Kündigung von ETH-Professorin Marcella Carollo schlug medial hohe Wellen.
Foto: Heidi Hostettler / CC BY-SA 4.0

Die jahrelange Untätigkeit der ETH Zürich hat laut Bundesverwaltungsgericht wesentlich dazu beigetragen, dass der Astrophysik-Professorin Marcella Carollo (59) Mitte 2019 schliesslich gekündigt wurde. Diese Kündigung war weder missbräuchlich noch geschlechterdiskriminierend. Weil vor der Entlassung jedoch keine Mahnung erfolgte, erhält die 59-Jährige eine Entschädigung von acht Monatslöhnen.

Verschiedene Personen waren wegen des Führungsverhaltens der Professorin schon an die Ombudsstelle der ETH Zürich gelangt. Eine erste Eingabe erreichte die Stelle 2005, weitere folgten in den Jahren 2009, 2013 und 2016. Dies geht aus dem am Donnerstag veröffentlichten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hervor.

Alle Beschwerden blieben ohne Folgen. Die kritisierte Professorin wurde nicht darüber benachrichtigt und die ETH unternahm keine weiteren Schritte. Erst als 2017 bei der Ombudsstelle wiederum schwere Vorwürfe gegen die Professorin erhoben wurden, leitete die Hochschule Abklärungen ein, die schliesslich in der Kündigung mündeten.

Plötzliche Kündigung unverhältnismässig

Diese Kündigung hätte gemäss Bundesverwaltungsgericht allenfalls vermieden werden können, wenn die ETH rechtzeitig etwas unternommen hätte – so beispielsweise eine mit einem Coaching verbundene Mahnung. Damit hätte auf eine Verbesserung des Verhaltens der Professorin hingearbeitet werden können.

Trotz der fehlenden Selbstreflexion und Einsicht der Professorin seien mildere Massnahmen nicht von vornherein als aussichtslos zu erachten gewesen, weshalb die Kündigung unverhältnismässig gewesen sei. Da sie ohne vorgängige Mahnung erfolgt sei, müsse sie als ungerechtfertigt erachtet werden. Deshalb seien die acht Monatslöhne geschuldet.

Wie viel Professorin Carollo genau verdient, ist unklar. Laut der Seite «glassdoor.ch» verdienen ETH-Professoren aber zwischen 12'000 und 20'000 Franken pro Monat.

Die Kündigung erfolgte laut Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht aus unzulässigen Gründen. Es sei nicht allein um einen einzelnen zwischenmenschlichen Konflikt gegangen.

Vorwürfe bewahrheiteten sich nach Administrativuntersuchung

Vielmehr habe der ETH-Rat die Entlassung ausgesprochen, weil die Professorin mit ihrem Führungsstil und ihrem Umgang mit den Mitarbeitenden wiederholt gesetzliche und vertragliche Pflichten verletzt habe. Zudem habe sie sich inakzeptabel verhalten. Die Rüge der Geschlechterdiskriminierung hat das Gericht abgewiesen. Es hat keine Anzeichen dafür erkannt.

Die ETH Zürich leitete nach verschiedenen Eingaben im Jahr 2017 an die Ombudsstelle eine Administrativuntersuchung ein. Wie das Bundesverwaltungsgericht schreibt, bewahrheiteten sich die Vorwürfe gegen die Professorin im Kern. Der ETH-Rat entliess die Frau deshalb mit einer ordentlichen Kündigung.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist noch nicht rechtskräftig und kann ans Bundesgericht weitergezogen werden. (SDA)

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