Walliser Eltern verlieren im Spital ihr Baby einen Tag nach der Geburt
«Wir sind wütend, wir wollen Gerechtigkeit für unseren Sohn»

Eleonora (20) und Marco (22) sollten Anfang Mai Eltern werden. Doch das Baby Angelo stirbt gleich nach der Geburt. Das Paar hat Blick nun verraten, wie es mit dem Verlust umgeht und was es sich am meisten wünscht.
Publiziert: 00:00 Uhr
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Aktualisiert: vor 6 Minuten
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Eleonora hält eine Urne in Engelsform in ihren Händen. Hier ruht die Asche ihres kleinen Angelo.
Foto: Sedrik Nemeth

Darum gehts

  • Eltern verlieren Baby nach Geburt und klagen Spital an
  • Paar kämpft mit Trauer, sucht Gerechtigkeit für verstorbenen Sohn Angelo
  • Anzeige gegen zwei Gynäkologinnen wegen fahrlässiger Tötung eingereicht
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Sie haben das Kinderzimmer vorbereitet, den Namen ausgesucht und von einem Leben als Familie geträumt – doch dann schlug das Schicksal zu: Eleonora (20) und Marco (22) erwarteten Anfang Mai ihr erstes Baby. Einen Jungen. Angelo. Nach einer perfekten Schwangerschaft platzte am 4. Mai die Fruchtblase. Sie fuhren ins Spital nach Sitten VS – und kamen ohne Kind zurück. Angelo wurde gerade einmal einen Tag alt.

Das war vor sechs Monaten. Nun hat Blick das Paar zu Hause in Vétroz VS besucht. Reif und gefasst sprechen sie über das Schlimmste, was Eltern passieren kann.

Umgang mit der Trauer

«Viele Paare trennen sich nach so etwas», sagt Eleonora leise. «Aber wir halten zusammen. Wir bekommen auch psychologische Hilfe.» Sie wird von einem Psychiater begleitet, Marco von einer Psychologin.

Marco gibt zu: «Manchmal streiten wir.» Ruhig erklärt der junge Elektriker, wie sie mit dem Verlust umgehen: «Sie bleibt lieber zu Hause. Ich muss raus, sonst drehe ich durch. Ich arbeite viel, schraube an meinem Auto. Wenns kracht, lassen wir es abkühlen und reden dann.»

Für Eleonora ist es schwer, das Haus zu verlassen. Seit dem 6. Mai – dem Tag, an dem sie ihr Kind verlor – hallt in der Wohnung die Leere. «Neun Monate wartet man, bereitet alles vor und kommt ohne Baby aus der Klinik zurück. Das ist unbeschreiblich.» Ihr Blick fällt auf Darwin, den kleinen Kater, den sie vor kurzem adoptiert hat. Heute ist er es, der im leeren Babybett liegt – dem Bett, das für Angelo gedacht war.

22 Minuten ohne Sauerstoff

Die Eltern werfen dem Spital Sitten seither schwere Versäumnisse vor. Als Eleonora nach einem einstündigen Schlaf gegen Mitternacht blutüberströmt in ihrem Bett aufwachte, wurde sie von einer Krankenschwester vertröstet. Ein Not-Kaiserschnitt sei ihr vier Mal verwehrt worden, so die junge Mutter. Angelo wurde auf natürlichem Weg geboren, per Saugglocke musste nachgeholfen werden. Angelo wurde schliesslich kurz nach 14 Uhr geboren – nach 22 Minuten ohne Sauerstoff.

Er kam sofort auf die Intensivstation und wurde später ins Lausanner Unispital (CHUV) geflogen. Marco fuhr im Auto hinterher, Eleonora kam mit der Ambulanz nach. Um 23 Uhr sah sie ihr Kind – an Maschinen angeschlossen. «Er hatte Blut in Lunge und Magen, das Gehirn war schwer geschädigt», sagt Eleonora. «Man sagte uns, er könne ohne Maschine nicht leben.» Angelo wurde im CHUV getauft – und starb in Marcos Armen.

«Wir wollen Gerechtigkeit»

Ende Juli reichten Eleonora und Marco Anzeige gegen zwei Gynäkologinnen des Spitals ein – wegen fahrlässiger Tötung, Gefährdung des Lebens, Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung.

Das Spital erklärt, es habe zusammen mit dem CHUV eine Untersuchung durchgeführt – ohne Hinweise auf Fehlverhalten. Weitere Kommentare lehnt es ab. Doch Eleonora und Marco geben nicht auf.

«Wir sind wütend, wir wollen Gerechtigkeit für unseren Sohn», sagt Marco. «Wir müssen verstehen, warum das passiert ist.» Auch Eleonora will wissen: Warum hörte niemand auf sie?

Leben mit der Leere

Familie und Freunde stützen das Paar. Diesen Sommer fuhren sie nach Portugal, Marcos Heimat, um Kraft zu tanken. Doch zurück in der Wohnung ist der Schmerz wieder da.

An der Wand hängt ein Schwangerschaftsfoto, im Schlafzimmer steht noch der kleine Stubenwagen – mit einem Juventus-Trikot, Angelos Name in Holzbuchstaben darüber. In einer Urne in Engelsform ruht seine Asche. «Jeden Abend sage ich ihm gute Nacht und zünde eine Kerze an», sagt Eleonora.

Trotz allem träumen sie von einem weiteren Baby. Der Name des toten Kindes wird aber gross an der Zimmerwand bleiben: «Ihn wegzunehmen, wäre, ihn auszulöschen. Und das können wir nicht.»

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