Vertrauliches Papier zur Crypto-Affäre
Viola Amherd belastet alt Bundesrat Villiger

Dicke Post in der Crypto-Affäre. Bundesrätin Viola Amherd belastet den ehemaligen FDP-Bundesrat Kaspar Villiger in einem vertraulichen Papier. Laut Dokumenten müsste er entgegen seiner Beteuerungen gewusst haben, dass ausländische Geheimdienste mitmischen.
Publiziert: 15.02.2020 um 03:13 Uhr
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Aktualisiert: 19.02.2020 um 17:40 Uhr
Der Spionage-Skandal um die Zuger Firma Crypto hält die Schweiz in Atem.
Foto: Manuel Geisser
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Wie der «Tages-Anzeiger» am Samstag publik machte, hat Verteidigungsministerin Viola Amherd (57, CVP) in einem vertraulichen Aussprachepapier vom 17. Dezember 2019 den Bundesratsmitgliedern von einem brisanten Fund berichtet, von dem sie selber erst 24 Stunden zuvor erfahren habe.

Der Direktor des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), Jean-Philippe Gaudin (57), sei am Vortag zu ihr gekommen und habe sie informiert, man habe in einem alten Archiv mehrere Dokumente zur Crypto AG gefunden. Diese Dokumente würden darauf hinweisen, «dass der ehemalige EMD-Vorsteher K. Villiger informiert war.» Beim EMD handelt es sich um das frühere Eidgenössische Militärdepartement, das später zum Verteidigungsdepartement (VBS) wurde. Und bei «K. Villiger» natürlich um den einstigen FDP-Bundesrat Kaspar Villiger (79).

Quellen bestätigen BLICK, dass es diesen einen Satz im vertraulichen Aussprachepapier gibt. Weiter werde das nicht ausgeführt. Laut Amherds Papier an den Gesamtbundesrat gibt es somit ein Schweizer Dokument das Villigers bisherige Beteuerungen, er habe nichts gewusst, widerspricht.

Villiger hatte sich stets gegen den Vorwurf gewehrt, davon Kenntnis gehabt zu haben, dass der US-Geheimdienst CIA und der deutsche Bundesnachrichtendienst BND die Eigentümer der Zuger Firma Crypto AG gewesen waren und eine Hintertüre in deren Chiffriergeräten nutzen konnten. Dank dieser Hintertür in den Verschlüsselungsgeräten hatten die beiden Geheimdienste grosse Teile der Kommunikation vieler Staaten mitlesen können. Die Verstrickung von CIA und BND hatte das SRF-Magazin «Rundschau» publik gemacht.

Wie BLICK berichtete, hatte in einem CIA-Dokument gestanden: «Villiger wusste, wem das Unternehmen gehörte, und fühlte sich moralisch verpflichtet, dies offenzulegen.» Doch Villiger habe nichts unternommen: «Offensichtlich hat Villiger den Mund gehalten», heisst es im CIA-Papier.

Koller nicht erwähnt

Im Artikel des «Tages-Anzeigers» heisst es weiter, die Verteidigungsministerin erwähne neben Villiger noch einen zweiten ehemaligen Magistraten im Aussprachepapier: Arnold Koller (86), der zuerst im Militärdepartement, später im Justizdepartement, sass. Für eine Mitwisserschaft ihres Parteifreunds Koller, betone Amherd in ihrem Papier, gebe es in den neu aufgefundenen Akten keine Hinweise.

Hierzu sind die Informationen widersprüchlich. Eine Quelle von BLICK behauptet, der Name Koller fände in Amherds Aussprachepapier keine Erwähnung. Allenfalls habe Amherd einfach während der Bundesratssitzung darauf hingewiesen, dass ihr Parteifreund nicht belastet werde.

Im November wird der Bundesrat erstmals informiert

Aus dem vertraulichen Aussprachepapier Amherds geht auch hervor, dass der Bundesrat am 5. November 2019 mit einer geheimen Informationsnotiz ins Bild gesetzt worden war, dass die Verschlüsselungsgeräte der Zuger Firma Crypto AG für den US-Geheimdienst CIA und den BND eine Hintertür offenliessen. Und dass die Firma auch diesen beiden Nachrichtendiensten gehört habe, wie Recherchen der «Rundschau» zeigen würden.

Und laut dem Aussprachepapier informierte das VBS dann am 12. November 2019 den damaligen Präsidenten der Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments (GPDel), Claude Janiak (71), sowie die unabhängige Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten bei der Crypto.

Ob die beiden Aufsichtsstellen über den NDB dann auch über die Erkenntnisse zu Villiger informiert worden waren, ist nicht bekannt. Es ist aber davon auszugehen, dass dies noch vor Weichnachten 2019 geschah. Fragt sich umso mehr, weshalb die GPDel unter der neuen Leitung von SVP-Nationalrat Alfred Heer (58) bis zu dieser Woche brauchte, um eine Untersuchung zu Crypto zu starten. (pt/nim)

Heute ist es noch viel schlimmer
2:05
BlickPunkt über Crypto-Affäre:Heute ist es noch viel schlimmer


Darum geht es bei Crypto-Leaks
  • Die Schweizer Firma Crypto AG aus Steinhausen ZG war jahrzehntelang Weltmarktführer in der Herstellung von Verschlüsselungstechnik. Diese wurde in über 100 Länder verkauft, die damit heikle Kommunikationen schützen wollten.
  • Was lange vermutet wurde, ist jetzt dank Recherchen von SRF und internationalen Medien bewiesen: Der deutsche Geheimdienst NDB und die CIA hatten von Anfang an die Hände im Spiel. Seit 1970 sogar als Eigentümer der Crypto AG – via eine Tarnfirma im Fürstentum Liechtenstein.
  • Was die Abnehmer der Crypto-Technologien nicht wussten: Die Geheimdienste bauten Hintertüren ein, mit denen CIA und BND die vermeintlich sichere Kommunikation mitlesen konnten.
  • Als Anfang der 90er-Jahre der Crypto-Mitarbeiter Hans Bühler im Iran wegen Spionage verhaftet wurde, drohte das Konstrukt aufzufliegen. Die Bundesbehörden ermittelten – wie gut, ist eine andere Frage. Die Ermittlungen führten zu nichts.
  • Im Januar 2020 hat der Bundesrat den Ex-Bundesrichter Niklaus Oberholzer (66) eingesetzt, die Affäre aufzuarbeiten. Immer mehr Politikern reicht das nicht.
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