Darum gehts
- Uber-Fahrer steht vor Gericht wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung von Fahrgästen
- Täter lockte alkoholisierte Frauen in sein Auto und zwang sie zu sexuellen Handlungen
- Staatsanwaltschaft fordert 9,5 Jahre Haft und 12 Jahre Landesverweis für den Angeklagten
Beim dritten Fall habe er fast nichts falsch gemacht
Bei dem dritten Fall gibt der Beschuldigte zwar zu, dass er die Frau auf den Mund geküsst hat. Er meint aber dazu: «Es war ganz normal, nur ein ganz kurzer Kuss», meint er. Auch bei diesem Fall habe er bei der Befragung falsch ausgesagt, weil er sich so furchtbar geschämt habe. Und er habe weder ihr Gesicht festgehalten, noch habe er die Türen abgeschlossen. Auch habe er sie nicht unsittlich berührt. Er fühle sich aber jetzt schlecht, dass er sie auf den Mund geküsst habe. «Ich habe mir nichts gedacht dabei», sagt er.
Dann entschuldigt er sich bei den drei Frauen, falls sie sich schlecht fühlen wegen seiner Handlungen. Dann pausiert der Prozess bis um 15 Uhr.
Die Twint-Buchungen gibt er zu
Er entschuldigt sich anschliessend für die Twint-Abbuchungen ab der Karte der Kundin. «Ich habe das gemacht, weil ich so viel Zeit mit der Frau verloren habe», sagt er. Warum er die zwei Buchungen von je 50 Franken aber bereits am Anfang der Fahrt gemacht hatte, kann er nicht erklären. Auch die Filmaufnahmen, die er von der schlafenden Frau gemacht hatte, kann er nicht schlüssig begründen. Er habe keine schlechten Gedanken gehabt. «Ich wollte nur dokumentieren, was passiert ist», sagt er schliesslich. Die DNA-Spuren im Slip bleiben ein Rätsel. Zuerst sagt er, dass muss beim Anschnallen passiert sein. Dann gibt er zu, dass er das nicht erklären kann.
«Ich wollte nichts sexuelles antun»
Bei der Befragung zu der zweiten Privatklägerin streitet er ab, die Frau unsittlich berührt zu haben. «Sie schlief ja», sagt er. «Ich wollte sie ja nur mit dem Sicherheitsgurt festbinden, darum habe ich sie angefasst. Und ich habe versucht, sie aufzuwecken.» Dass er sie zwei Stunden rumgefahren hatte, gibt er ihr die Schuld. «Sie nannte mir falsche Adressen.» Doch er hat im Endeffekt keine schlüssige Erklärung. Auch nicht auf die Frage des Richters, warum er mit der ohnmächtigen Frau in den Wald in eine Nebenstrasse gefahren war, wo ihn niemand sehen kann. Er meint, er wollte dort das Auto drehen. Die Kundin habe ihm eine neue Adresse gegeben.
Der Beschuldigte spricht immer lauter. Bekommt einen roten Kopf und fuchtelt wild mit den Armen. «Ich habe versucht, sie zu wecken, da hat sie mir eine neue Adresse gegeben.» An ihrer Adresse habe er wieder versucht, sie zu wecken. Dann habe er die Polizei gerufen.
Keine Erinnerung bei erster Einvernahme
Der vorsitzende Richter wirft Kenan T. vor, dass er sich bei der ersten Befragung nicht an den Vorfall erinnern konnte. «Ich hatte mich sehr geschämt. Darum habe ich nichts gesagt», sagt er. «Ich habe Familie mit Kind, ich habe mich so sehr geschämt..»
Dann sagt er, dass er die Frau nur zum Trösten gestreichelt hätte. Dass er auch ihre Brust angefasst hätte, verneint er. «Das ist nicht wahr.» Warum die Frau anschliessend zur Polizei gegangen war, kann er nicht erklären. «Sie war vermutlich beleidigt», sagt er.
«Sie widersprach nicht»
«Als ich sie berührte, wehrte sie sich nicht. Darum dachte ich, dass sie Sex will», sagt Kenan T. zum Richter. «Sie widersprach nicht.» Die Frau habe in die Hand gespuckt, und habe es ihm mit der Hand gemacht. Dann hätten sie Oralsex gehabt. Dass er das Auto abgeschlossen hätte, streitet er ab. «Sie hätte jederzeit gehen können», sagt er. Er behauptet sogar, dass die Frau ihn für den Sex gelobt habe.
Jetzt spricht Kenan T. zu den Vorwürfen
Er sagt, er kann sich an den Vorfall erinnern, sagt er. «Die Erzählungen der Frau stimmen nicht ganz.» Die Frau hat er bei einem Taxi gesehen. Sie habe geweint. Ein Taxi wollte sie nicht mitnehmen. Er habe ihr helfen wollen, er habe sie einsteigen lassen, obwohl das System ihre Bankkarte nicht akzeptierte. «Ich legte ihr die Hand an den Kopf, um sie zu beruhigen. Wir gingen weiter, bis zu einem Parkplatz. Vielleicht habe ich etwas falsch verstanden. Ich dachte, sie wollte auch Sex. Es tut mir sehr leid für diese Frau, dass sie mit der Situation belastet wurde. Ich dachte, sie wollte es. Sie hat es gerne gemacht. Ich habe sie nicht gezwungen», sagt er.
Nie mehr Chauffeur
Seit er aus der Haft entlassen sei, habe er nie mehr als Taxi-Chauffeur gearbeitet. «Diese Arbeit ist für mich gestorben», sagt er. «Ich habe kein Interesse mehr, weiterhin Personen zu transportieren», sagt er. Er lebe heute zwar noch mit seiner Frau zusammen, aber er habe kein gutes Verhältnis mehr zu ihr. Zudem habe er jetzt eine Schweizerin als Freundin. Er wohne noch bei seiner Frau, damit der Sohn nicht traumatisiert werde.
In der Schweiz seit 11 Jahren
Der Beschuldigte erzählt, dass er 2014 mit der Familie aus Italien in die Schweiz gekommen ist. Sein Sohn leidet an Autismus. «Er hat erst in der Schweiz zu sprechen begonnen», sagt er. «Wir sind sehr glücklich in der Schweiz», sagt der Mann mit nordmazedonischen Wurzeln. Er besitze einen mazedonischen und einen italienischen Pass.
«MIr geht es gut», sagt Kenan T.
Der Beschuldigte sagt dem Richter, dass es ihm gut geht. Und dass seine Frau von dem Prozess weiss. Auch um was es gehe. «Ich habe ihr gesagt, dass ich beschuldigt werde», sagt er. Er habe aber auch nicht ganz genau gesagt, worum es gehe.
Mit seiner Frau sei er immer noch zusammen. «Ich weiss noch nicht, ob wir uns trennen», sagt er. «Im Moment wohnen wir noch zusammen», sagt er.
Jetzt wird Kenan T. befragt
Die Befragung der Privatklägerinnen ist durch, nach einer kurzen Pause folgt in wenigen Minuten die Befragung des Beschuldigten Kenan T. vor dem Gericht. Die Privatklägerin Nummer zwei hat angekündigt, dass sie bei der Befragung im Gerichtssaal dabei sein will. Der vorsitzende Richter sagt, dass es zeitlich etwas knapp wird, heute den Prozess zu Ende zu führen. Er könne schon jetzt sicher sagen, dass heute noch kein Urteil eröffnet wird.
Plötzlich werden die Türen verriegelt, und Maria M.* (25) ist in einem fremden Auto gefangen. Ihr Uber-Fahrer Kenan T.* (44) will Sex. Vorher lässt er sie nicht gehen. Maria M. hat panische Angst, fügt sich letztlich dem Druck ihres Entführers und befriedigt ihn oral. Dabei hat sie den Zentralverriegelungsknopf im Blick und wartet auf eine Möglichkeit, zu fliehen. Als Kenan T. sie noch zum Geschlechtsverkehr drängen will, nutzt sie ihre Chance, öffnet die Beifahrertür und flieht. So zumindest beschreibt es die Zürcher Staatsanwaltschaft, was der heute 25-jährigen Frau vor rund einem Jahr widerfahren ist.
Der Fall von Maria M. ist nur einer von dreien, die am Donnerstag vor dem Bezirksgericht Zürich verhandelt werden. Das Vorgehen des Beschuldigten war jeweils ähnlich: Kenan T. holte eine – teils stark alkoholisierte – junge Frau frühmorgens als Uber- oder Bolt-Fahrer aus dem Ausgang ab. Er fuhr mit ihr an einen abgelegenen Ort, verriegelte das Fahrzeug und zwang sie zu sexuellen Handlungen.
Jetzt steht er vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft fordert knapp zehn Jahre Haft und einen zwölfjährigen Landesverweis für den mutmasslichen Sexualstraftäter.
Zu Oralverkehr gezwungen
Kenan T. soll gemäss Staatsanwaltschaft zwischen April und Juli 2024 drei Frauen sexuell belästigt und möglicherweise vergewaltigt haben. Seine Opfer: Maria M.* (25), Corinne L.* (32) und Talia H.* (33), alle aus Zürich. Alle drei waren grösstenteils wehrlos, als sie von ihm angegangen wurden – etwa weil sie laut Anklage teils stark betrunken waren oder wohl auch Drogen intus hatten. Dies soll sich der Beschuldigte jeweils zunutze gemacht haben.
Zunächst bei Maria M.: Im April vergangenen Jahres entdeckt der Mann sie zufällig im Zürcher Langstrassenquartier, als sie gerade auf ihr Uber wartet. Er hält an und behauptet, ihre gebuchte Mitfahrgelegenheit zu sein. Zunächst fährt er in Richtung ihrer Wohnadresse. Als die stark alkoholisierte M. einschläft, fährt er aber weiter zu einem abgelegenen Parkplatz. Dort angekommen, verriegelt er die Tür und zwingt sie zum Oralverkehr. Doch das reicht T. laut Anklage nicht. Als er sie zum Beischlaf zwingen will (seine Wortwahl gemäss Anklage: «Können wir nicht ein wenig ficken?»), befreit sich die Frau, öffnet die Zentralverriegelung und flieht.
Er soll seine Opfer geschändet haben
Keine drei Monate später vergeht sich Kenan T. laut Anklage an Corinne L. Gemeinsam mit einem weiteren Nachtschwärmer steigt L. damals ins Auto des Angeklagten. Der Mitpassagier hatte die Fahrt via Bolt gebucht. T. holt beide beim Nachtclub Frida’s Büxe ab. Den Mitpassagier setzt T. bei der gewünschten Adresse ab. Nur: Statt L. wie verlangt nach Hause zu fahren, bringt er sie zweimal zu abgelegenen Stellen und schändet sie mutmasslich. L. soll bei den sexuellen Handlungen jeweils nicht bei Bewusstsein gewesen sein, weil sie laut Anklage stark betrunken war beziehungsweise wohl Drogen intus hatte.
Nachdem Kenan T. fertig ist, bucht er laut Staatsanwaltschaft nicht nur 100 Franken von der Bankkarte der 32-Jährigen ab, sondern ruft gar die Polizei, da L. nicht in der Lage ist, ihre Adresse zu nennen und die Fahrt zu bezahlen. Als die ahnungslosen Beamten eintreffen, nennt L. ihre Adresse und zahlt die 30-Franken-Fahrt via Twint. T. fährt danach ungehindert weiter und vergeht sich auf dem Heimweg ein letztes Mal – mit der Hand – an ihr. Erst als L. zu Hause ankommt und aufwacht, bemerkt sie weitere Berührungen des Mannes – und schlägt seine Hand weg. Auch Tage danach verspürt sie noch Schmerzen im Intimbereich.
Ähnlich erging es dem dritten Opfer, Talia H. Auch sie rief nach dem Ausgang ein Uber, um sicher nach Hause zu gelangen. Angekommen an der Wohnadresse der 33-Jährigen, verriegelte T. plötzlich die Türen und zwang sie mit Gewalt, ihn zu küssen. H. wehrte sich und schaffte es, die Tür zu öffnen und zu fliehen.
Hohe Strafe gefordert
Am Donnerstag kommt es am Zürcher Bezirksgericht zur Gerichtsverhandlung, von der die Öffentlichkeit teilweise ausgeschlossen ist. Zudem wird der Beschuldigte Maria M.s Befragung aus einem separaten Raum verfolgen, damit sie ihrem mutmasslichen Peiniger nicht noch einmal begegnen muss.
Auf Anfrage verzichtete Kenan T.s Verteidiger gegenüber Blick auf eine Stellungnahme.
Die Staatsanwaltschaft fordert neuneinhalb Jahre Haft, eine Busse von 2000 Franken und einen zwölfjährigen Landesverweis für T. Er ist zwar in Mazedonien geboren, verfügt aber über die italienische Staatsbürgerschaft. Blick berichtet am Donnerstag live aus dem Gerichtssaal.
Für den Angeklagten gilt bis zu einem rechtskräftigen Schuldspruch die Unschuldsvermutung.
* Alle Namen geändert