Mehr Verkehr: Ecopop lässt Grenzgänger zu. Gleichen sie die Zuwanderung aus, könnte sich der Verkehr vervierfachen.
Foto: RDB

Coronavirus kommt dem Tessin bedrohlich nah. Behörden reagieren nicht, Angst und Wut wächst
«Die Tatenlosigkeit ist unglaublich»

Während im benachbarten Norditalien elf Gemeinden und damit 50'000 Menschen unter Quarantäne stehen, gehen Tessiner Verantwortliche brenzligen Fragen aus dem Weg. Das BAG rät zur Ruhe.
Publiziert: 23.02.2020 um 16:21 Uhr
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Aktualisiert: 19.05.2020 um 07:52 Uhr
Die Grenzwacht von Chiasso TI. Könnte das Coronavirus über den Grenzverkehr aus Norditalien in den Südkanton transportiert werden?
Foto: Keystone
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Myrte Müller

Die Schlagzeilen aus Norditalien machen Angst. Drei Menschen sterben am Coronavirus. Keine Chinesen oder China-Reisende, sondern italienische Rentner. 152 sind infiziert und ihre Zahl wächst stündlich. Über 50'000 Italiener stehen unter Quarantäne.

Nichts geht mehr in Teilen der Lombardei und Venetien. Keine Züge, kein Bus, kein Fussballspiel, kein Karneval. Viele Betriebe, Geschäfte und Schulen sind zu. In den «roten Zonen» sind die Strassen gesperrt, werden von Polizei und Militär überwacht. Die Wirtschaft liegt am Boden. Ein Schreckensszenario, keine 100 Kilometer Luftlinie von der Schweizer Grenze entfernt!

Das Coronavirus kommt dem Südkantonen immer näher. Täglich reisen 70'000 Grenzgänger ins Tessin ein. Und es gibt die ersten Infizierten im Grenzgebiet, je ein Patient in Como (I) und im Veltlin (I). Doch was macht das Tessin? Ist die Sonnenstube überhaupt vorbereitet auf eine mögliche Epidemie?

Anfragen an Bundesrat und Tessiner Regierung

Alarmiert von den Geschehnissen im Nachbarland reagieren Lega und SVP. Nationalrat Lorenzo Quadri (45) fordert von Bern, die Grenzen zu schliessen. Auch SVP-Mann Tiziano Galeazzi (52) will vom kantonalen Staatsrat u.a. wissen, ob die Regierung gedenkt, die Grenzen zu kontrollieren.

Am Samstag setzt Galeazzi mit einer weiteren Anfrage nach. Ob mit der Tessiner Wirtschaft mögliche Betriebsschliessungen erwogen wurden, fragt der Abgeordnete weiter. Mit welchen Schäden man zu rechnen habe. Und wie man eine Bevölkerung in Quarantäne versorgen wolle. Ob es eine Hotline gäbe und wie Spitäler, Schulen und Zivilschutz vorbereitet würden. Es folgt keine Reaktion. Im BLICK lässt der SVPler Dampf ab: «Die Tatenlosigkeit ist unglaublich. Alles wird unter einer Glasglocke gehalten – und lieber Karneval gefeiert.»

Tessiner Bevölkerung soll nicht auf Panik machen

In einer Pressemitteilung versichert das Gesundheitsdepartement heute nachmittag, dass sowohl die kantonalen Behörden als auch die Eidgenössischen die Verbreitung des Corona-Virus achtsam verfolgten und sich auf die Handhabung möglicher Fälle im Land vorbereiteten. Die Spitäler stünden bereit. Zur Zeit jedoch gäbe es noch keine Infizierten im Tessin. Es sei auch niemand in Quarantäne.

Justizdirektor Norman Gobbi (42) verfolgt besorgt die Entwicklung der Lage. Die Situation sei noch nicht alarmierend, so der Lega-Staatsrat zu BLICK, «der Kantonsarzt bewertet ständig die Lage. Das Gesundheitsdepartement wird die nächsten Schritte abwägen. Erst dann beantragen der Polizeikommandant und der kantonale Führungsstab Massnahmen beim Regierungsrat». Der Kantonsarzt, Giorgio Merlani (51) räumt unterdessen ein: «Die ganze Angelegenheit ist grösser, als es anfänglich schien.» Ein Info Point soll am Montag folgen.

Laut «Il Caffè» würden Personen in Tessiner Spitälern mit Grippesymptomen isoliert. Weitere Massnahmen sind als Reaktion auf die jüngsten Entwicklungen in Norditalien bisher noch aber keine geplant. Auch verkehren beispielsweise Züge aus der Lombardei weiterhin auch in die Schweiz. Wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Anfrage von BLICK erklärt, werde die Situation aber ständig neu beurteilt. «Für die Einreise in die Schweiz gibt es aufgrund der aktuellen Lagebeurteilung keine Einschränkungen», sagt ein BAG-Sprecher. Der Rat von Daniel Koch, Leiter Abteilung für übertragbare Krankheiten, an die Tessiner Bevölkerung: «Es ist nun wichtig zu wissen, dass man Ruhe bewahren muss und nicht unnötig auf Panik macht. Es ist ein lokaler Ausbruch in Italien, der hoffentlich unter Kontrolle gebracht wird. Es wäre zu früh zu denken, dass jetzt eine Welle auf die Schweiz zu rollt.»

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