Darum gehts
- Der Spanier Javier Andrés S. (47) muss sich für drei Morde vor dem Bezirksgericht Zürich verantworten
- Er gibt nichts zu
- Es ist ein reiner Indizienprozess. Alle Zeugen sind tot.
- Eine neu eingestellte Sachbearbeiterin sorgte für den Durchbruch bei den Ermittlungen.
Es waren zwei äusserst brutale Mordfälle: Am 15. Dezember 2010 wird eine Psychoanalytikerin im Zürcher Seefeld getötet. Auf den Tag genau fünf Jahre später wird ein älteres Ehepaar in Laupen BE hingerichtet. Erst Jahre später wird ein Verdächtiger ermittelt – und Ende Januar 2024 in Genf verhaftet.
Dieses Verbrechen hat die Schweiz auf Trab gehalten und viele Fragen ausgelöst. Nach dem ersten Prozesstag in Zürich liefert Blick die wichtigsten Antworten.
Der Spanier Javier Andrés S.* (47) wuchs bei der Familie seiner Mutter auf. Er begann in Spanien verschiedene Ausbildungen, schloss aber keine ab. Als seine Mutter starb, war er 17 Jahre alt. Danach war er ein Jahr bei der spanischen Militärpolizei. Mit 23 kam er in die Schweiz. «Ich kam, um zu arbeiten, ich hatte ein Angebot», sagt er. «Ich arbeitete auf dem Bau.»
2010 habe er an Depressionen gelitten und sei entlassen worden. Danach arbeitete er in Aarau über ein Temporärbüro. Der Gerüstbauer war knapp bei Kasse, oft war seine Frau für die Finanzen verantwortlich. Er hat mehrere Vorstrafen, einen Verstoss im Strassenverkehr, einmal wurde er mit Drogen erwischt. Er ist nicht geständig. Er sagt: «Die DNA-Spuren am Tatort beweisen nichts!»
Beide Verbrechen geschahen am 15. Dezember. Dazwischen liegen genau fünf Jahre. Zur Frage, ob das Datum für ihn eine Bedeutung habe, sagt der Spanier: «Nein, mir bedeutet dieses Datum überhaupt nichts.» Diese Aussage findet die Staatsanwaltschaft bezeichnend – für seinen Charakter.
Denn der Beschuldigte kannte alle Opfer und hatte nach eigenen Angaben einen freundlichen Umgang mit ihnen. Folglich fehle es ihm zumindest an Empathie. Weiter findet sich kein Motiv, das ein Muster erklären würde.
2011 wurde in Zürich ein Massentest mit 400 Männern durchgeführt, auch der Beschuldigte musste ins Labor. Doch damals zeigte der Test keinen Treffer an. Am Prozess wird vermutet, der Beschuldigte habe sich dem Test entzogen.
Der Beschuldigte reagiert ausweichend auf die Frage, ob er jemand anderes geschickt habe: «Das müsst ihr mit dem forensischen Institut besprechen.» Der Opferanwalt sagt: Wäre der korrekte Abstrich genommen worden, wäre der spätere Doppelmord verhindert worden. Die Ermittler können sich den Fehler nicht erklären.
Die Verbindung zwischen der getöteten Therapeutin in Zürich und dem Ehepaar in Laupen blieb jahrelang unentdeckt. Die einzige Gemeinsamkeit war die Person des Beschuldigten selber. Er war Patient in Zürich und unmittelbarer Nachbar in Laupen. Ansonsten gibt es keine gemeinsame Vorgeschichte.
Auf den Spanier stiess schliesslich eine neue Sachbearbeiterin bei der Berner Polizei. Ein erneuter DNA-Test unterstrich ihre Ermittlungen. Die Frau erkannte die Verbindung, sie fand das «Missing Link».
Die zierliche Therapeutin in Zürich erlitt 14 Stiche in Rücken und Hals, laut Forensik wären vier der beigebrachten Stiche für sich alleine bereits tödlich gewesen. Darum spricht die Anklage von Overkill, also Übertötung.
In Laupen hat der Täter eine Axt 17 Mal auf den Kopf des Mannes und 13 Mal auf den Schädel der Frau geschmettert. Mit voller Kraft. Ein klares Motiv ist nicht zu erkennen, der Täter hat zwar ein paar wenige Wertgegenstände mitgenommen, aber lange nicht alle.
Javier Andrés S. beantwortete zwar alle Fragen des vorsitzenden Richters, aber er streitet alles ab. Zwischendurch reagierte er gereizt, wenn die Antworten unglaubwürdig ankommen und die Fragen wiederholt wurden. Immer, wenn es kritisch wurde, hatte er Erinnerungslücken. Seine Erklärungen, wie seine DNA an die beiden Tatorte gekommen waren, sind schwer zu glauben. Am Donnerstag geht der Prozess weiter.
*Name geändert