Bei einem schweren Verkehrsunfall verlor Andrea Kolb (47) nicht nur ihr Bein – sondern auch ihren Glauben an den Rechtsstaat. Die Unfallverursacherin Julia B. (19) kommt mit einer Busse von 1200 Franken, den Verfahrenskosten und einer bedingten Geldstrafe weg – obwohl die Fahrerin sich nach dem Unfall aus dem Staub machte (BLICK berichtete).
«So geht man einfach nicht mit Opfern um!»
Der Entscheid und die Begründung sind für Andrea Kolb purer Hohn: «Es fühlt sich an, als würde man mich ein zweites Mal überfahren.» Die Generalstaatsanwaltschaft Thurgau begründete die Milde des Urteils mit dem Alter von B., ihrem lupenreinen Leumund und den schwierigen Gegebenheiten am Unfallort (BLICK berichtete). Kolb ist gegen den Schuldspruch nicht zur Einsprache berechtigt: Sie muss allfällige Geldforderungen auf dem Zivilweg einklagen.
Diese Machtlosigkeit macht dem Opfer schwer zu schaffen. «Wenn ich das irgendwie anfechten könnte, würde ich es tun. Meinen letzten Franken würde ich dafür geben! So geht man einfach nicht mit Opfern um!»
In ihrem Fall würden Opfer und Täter knallhart verwechselt: «Bei solchen Ausreden verliere ich meinen Glauben an den Rechtsstaat. Ich bin fassungslos und könnte pausenlos heulen.»
Kolb plädiert für eine Gesetzesverschärfung
Für Andrea Kolb ist eine Gesetzesverschärfung dringend nötig – damit niemand anderes eine ähnliche Situation wie sie durchleben muss. «Die Gesetze gehören dringend geändert. So ist es ein Freibrief für jeden, der einen Menschen anfährt.»
Dazu kommt: Die Unfallfahrerin blieb dem Opfer bis heute eine Entschuldigung schuldig. «Das Leben geht weiter. Ich habe andere Probleme!», sagte Julia B. im März zu BLICK, als sie mit dem Schicksal von Andrea Kolb konfrontiert wurde.
Nun ist sie, scheinbar zufrieden mit dem Urteil, plötzlich still und will nichts mehr zu ihrem Strafmass sagen. (mla/kra)