Darum gehts
- Stefan Linder wegen Hausfriedensbruch und Nötigung verurteilt. Blausee-Skandal geht weiter
- Bedingte Geldstrafe von 91'520 Franken plus Busse von 22'880 Franken
- Blausee AG fordert sieben Millionen Franken von BLS, Vigier und Marti
Stefan Linder (65) ist ein Mann der Tat. Der Berner Oberländer hat das Swiss Economic Forum (heute bei der «NZZ») und das Swiss Innovation Forum mitgegründet. Er führt als Präsident die Initiative Schweiz und betreibt zusammen mit Blackrock-Vize Philipp Hildebrand (61) und Globetrotter-Patron André Lüthi (65) eine Fischzucht am Blausee. Und 2020 schlüpfte Linder kurzzeitig in die Rolle des Privatermittlers – mit Folgen.
Im Blausee kam es 2018 und 2019 zu einem Fischsterben. Zehntausende Forellen verendeten. Die Besitzer um Linder vermuteten einen Umweltskandal: Sie sahen die Ursache für die toten Fische in belastetem Material aus dem Lötschberg-Scheiteltunnel und giftigem Schlamm, gelagert im oberhalb liegenden Steinbruch Mitholz. Der Steinbruch gehört Vigier; das Material besteht unter anderem aus Gleisaushub der BLS.
Im Juni 2020 installierte Linder nachts mit seinem Sohn eine getarnte Kamera beim Steinbruch, filmte per Drohne und versuchte eine Lastwagenfahrerin zur Kooperation zu drängen.
Hausfriedensbruch und Nötigung
Dafür wurde er diese Woche vor dem Regionalgericht Oberland in Thun BE wegen Hausfriedensbruch, Verletzung der Geheim- und Privatsphäre und Nötigung schuldig gesprochen. Das Urteil: bedingte Geldstrafe von 91’520 Franken plus Busse von 22’880 Franken. Linder bestritt alle Vorwürfe und sagte, die Kamera habe nicht auf dem Firmengelände, sondern auf einem Nachbargrundstück gestanden. Das Gericht hielt seine Aussagen für unglaubwürdig.
Linders Sohn kam wegen einfachen Hausfriedensbruchs mit einer 60-Franken-Busse davon. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Der Schlagabtausch in Thun war nur ein Nebenschauplatz im ganzen Blausee-Skandal – aber die erste öffentliche Begegnung der Streitparteien vor Gericht. Es wird nicht die letzte gewesen sein.
Zwar mussten die Blausee-Besitzer im August einen Rückschlag hinnehmen: Die Berner Staatsanwaltschaft stellte ein zentrales Verfahren gegen die BLS nach fünf Jahren ein. Wasserproben ergaben keine relevante Verschmutzung. Doch der aus Sicht von Linder und Co. wichtigste Rechtsstreit rollt erst an.
Runder Tisch geplatzt
Auf zivilrechtlichem Weg fordert die Blausee AG sieben Millionen Franken von BLS, Vigier und Marti. Pikant dabei: Noch im Juni baten die prominenten Fischzüchter Baudirektor Christoph Neuhaus (59) um einen runden Tisch zur Streitbeilegung. Der Termin war für den 18. August angesetzt; Zusagen lagen von allen Streitparteien und vom Bundesamt für Verkehr vor.
Fast gleichzeitig mit der Einladung Anfang Juli reichten die Blausee-Besitzer aber bei der Schlichtungsstelle Oberland ihr Millionen-Begehren ein. Neuhaus sagte den runden Tisch ab: Mit der Zivilforderung ging es aus seiner Sicht nicht mehr um Deeskalation, sondern um Eskalation.
Blausee-Mitinhaber André Lüthi verteidigt das Vorgehen auf Anfrage: Seit 2020 habe die Blausee AG mehrfach aussergerichtliche Lösungen gesucht – ohne Ergebnis. Im Frühjahr habe er sich an Neuhaus gewandt, um es nochmals zu versuchen. Das Schlichtungsgesuch habe das geplante Treffen nicht torpediert, sagt Lüthi. «Bei einem Erfolg am runden Tisch hätten wir unser Gesuch zurückgezogen, das haben wir auch so kommuniziert.»
Stattdessen kam es Ende September zur erfolglosen Verhandlung vor der Schlichtungsstelle. Es läuft deshalb alles auf einen grossen Zivilprozess hinaus.
Geologe Keusen musste sich entschuldigen
Parallel dazu laufen etliche weitere Straf- und Zivilverfahren. Bereits abgeurteilt wurden mehrere Trucker. Abgeschlossen ist auch das Verfahren gegen den renommierten Geologen Hans-Rudolf Keusen (84). Er unterstützte die Blausee-Betreiber fachlich und wurde – wie Linder – von Vigier wegen Hausfriedensbruchs angezeigt. Sein Fall zeigt, wie verhärtet die Fronten sind.
Keusen traf im Dezember 2020 eine halbe Stunde zu früh zu einem vereinbarten Termin auf dem Steinbruch Mitholz ein und fuhr, statt wie vereinbart am Eingang zu warten, direkt auf den Umschlagplatz – die Betreiberin wertete das als unerlaubtes Betreten und leitete juristische Schritte ein.
«Die Sache war absolut lächerlich», sagt Keusen. Er akzeptierte im März 2025 vor der Schlichtungsstelle in Thun dennoch einen Vergleich: Der Geologe entschuldigte sich und zahlte 2500 Franken Parteientschädigung. «Kindergarten» sei das, sagt Keusen. Doch den Gang durch alle Instanzen wegen einer Lappalie habe er sich sparen wollen.
Bei Stefan Linder läuft das womöglich anders. Unmittelbar nach dem Urteilsspruch wollte sich der Blausee-Mitbesitzer nicht dazu äussern, ob er das Verdikt weiterziehen wird.