Der Gründer der Methernitha-Gemeinschaft Paul «Vatti» Baumann (*1917) ist im Alter von 94 Jahren gestorben. Der Sohn einer armen Schneiderfamilie hat die Geistige Vereinigung «Methernitha» in der Gemeinde Linden im Berner Emmental in den 60er Jahren gegründet und führte sie viele Jahre als geistiges Oberhaupt an.
In der Methernitha gelten strenge Vorschriften. Die Anhänger leben und arbeiten in der Gemeinschaft, verpflichten sich der sexuellen Enthaltsamkeit und verzichten auf Alkohol und Tabakkonsum.
Kostümiertes Sprachrohr Gottes
Paul Baumann überzeugte seine Anhänger damit, dass er vorgab, das Sprachrohr Gottes zu sein, dass sie in gewissen Momenten seinen Körper übernahmen. In den Rollen des König Salomon und anderen Heiligen sprach er Offenbarungen. Seine Anhänger waren überzeugt, dass der Glauben an ihn ihnen nach dem Weltuntergang den Weg ins Paradies eröffnen würde.
«Seit 15 Jahren hat er keine solchen Offenbarungen mehr praktiziert», weiss der Sektenexperte Georg Otto Schmid von ehemaligen Mitgliedern der Sekte. Gemäss seinem letzten Wissensstand würden die Video-Aufnahmen der früheren Offenbarungen jedoch noch immer angeschaut.
Mädchen mit Schraubenzieher entjungfert
In die Schlagzeilen geriet «Vatti» im Jahre 1976. Zwei ehemalige Mitgliederinnen brachen ihr Schweigen und gingen gegen den Sekten-Führer vor Gericht. Der Vorwurf: Er hätte sie jahrelang sexuell missbraucht. Eines der Mädchen soll er mit einem Schraubenzieher entjungfert haben.
1996 erzählte die heute erwachsene Frau der «Schweizer Illustrierten» von ihren schrecklichen Erfahrungen. «Als ich einmal Wache halten musste, kam ‹Vatti› mit einem Schraubenzieher in der Hand vorbei, zog mir die Unterhosen runterr und stiess mir den Schraubenzieher unten hinein. Es tat furchtbar weh. Aber was ‹Vatti › machte, konnte nicht schlecht sein. Er war doch die Liebe selbst.»
1976: Verurteilt zu sieben Jahren Gefängnis
Am 29.Oktober 1978 wurde «Vatti» vom Geschworenengericht Berner Oberland schuldig gesprochen der qualifizierten Unzucht mit Kindern, der Unzucht mit unmündigen Pflegebefohlenen und der versuchten Anstiftung zu falschem Zeugnis.
Paul Baumann hatte die Kinder in seinem «Mädchenhaus» regelmässig sexuell missbraucht. Die Minderjährigen lebten dort getrennt von ihren Eltern.
«100 Anhänger hielten zu ihm»
Paul Baumann, der vor Gericht vorgab, sich an nichts mehr zu erinnern, wurde zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. 1982 wurde er auf Grund guter Führung vorzeitig entlassen.
Danach wurde es ruhig um Methernitha: «Nach dem Prozess verlor die Gemeinschaft zwei Drittel ihrer ursprünglich 300 Mitglieder», sagt Sektenexperte Georg Otto Schmid.
Rund 100 Gläubige blieben ihrem geistigen Oberhaupt treu. «Bis heute glauben die treuen Anhänger Baumanns, dass er unschuldig ist», sagt Schmid.
Französische Polizei warnt vor Sekte
Nachdem verschiedene Ärzte aus der Region Grenoble ihre Patienten nach Linden in die Methernitha gebracht hatte, wurde die französische Polizei 1996 auf die Sekte aufmerksam: Sie stufte die «Methernitha» als «sehr gefährlich» ein.
Für die Gefährlichkeit würden drei Gründe sprechen: Die Sekte sei apokalyptisch und rechne 1999 mit dem Weltuntergang. Nach dem Ableben des Sektenführers Paul Baumann könne ein Machtkampf um die Nachfolge entstehen. Man wisse nicht, was sich im Innern der Sekte abspiele.
Der Weltuntergang ist nicht eingetroffen und auch für seine Nachfolge hat Paul «Vatti» Baumann frühzeitig gesorgt.
Gemässe Georg Otto Schmid habe ein gewisses Ehepaar Bosshard die operative Gemeinschaft der Methernitha schon vor Baumanns Ableben übernommen.