«Ich habe wohl das Budget der Gemeinde gesprengt»
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Remetschwil stoppt Zahlungen:Mäuseschwänze sprengen Budget von Aargauer Gemeinde

Remetschwil AG stellt Zahlungen für Mäuseschwänze ein, weil Andreas Schären (67) zu viele Mäuse fängt
«Ich habe wohl das Budget der Gemeinde gesprengt»

Ende Dezember stirbt in Remetschwil AG eine über 100 Jahre alte Tradition: Die Gemeinde stellt die Entschädigungszahlungen für Mäuseschwänze ein, weil sich Rentner Andreas Schären (67) das Mausen zum Hobby gemacht hat.
Publiziert: 31.12.2021 um 00:34 Uhr
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Aktualisiert: 31.12.2021 um 10:38 Uhr
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Andreas Schären (67) geht in Remetschwil AG seit zwei Jahren auf Mäusejagd.
Foto: Nathalie Taiana
Jana Giger (Text) und Nathalie Taiana (Fotos und Video)

Bis zu 500 Mäuse fängt Andreas Schären (67) jeden Monat auf den Feldern von Remetschwil AG. Die Schwänze der Tiere schneidet er ab und sammelt sie in einem Glas. Am Ende der Woche bringt er sie jeweils auf die Gemeinde. Dort bekommt er pro abgeliefertem Mausschwanz einen Franken Entschädigung. Sämtliche Gemeinden in der Schweiz zahlen Privatpersonen nach wie vor ein solches Entgelt.

Es ist eine über 100 Jahre alte Tradition, die auf Mäuseplagen in früheren Zeiten zurückgeht. Doch in Remetschwil ist nun Schluss damit: Die Gemeinde am Heitersberghang stellt die Entschädigungszahlungen per 31. Dezember 2021 ein. Der Grund? Schären ist zu fleissig bei der Jagd nach den Nagern.

«Die Zahl der abgegebenen Schwänze ist plötzlich explodiert», sagt Gemeindeschreiber Roland Mürset zu Blick. Früher seien im Jahr etwa 200 Schwänze abgegeben worden – heute seien es pro Monat teilweise mehr als das Doppelte. «Weil es keine Pflicht ist, die Tradition fortzuführen, hören wir Ende Jahr auf damit», so Mürset.

«Habe wohl das Budget der Gemeinde gesprengt»

Für Schären ein Dämpfer. «Ich finde es sehr schade», sagt er. «Das Mäusejagen ist eine gute Beschäftigung in der Natur, die einen fit hält.» Er komme dabei oft mit Leuten ins Gespräch, das motiviere ihn. «Aber da habe ich wohl das Budget der Gemeinde gesprengt.»

Der Rentner hat schon als Bub auf dem Bauernhof seiner Familie Mäuse gejagt, um das Sackgeld aufzubessern. Damals gab es 50 Rappen pro Mausschwanz. Nach seiner Pensionierung vor zwei Jahren hat er wieder damit angefangen. «Beim Drachenfliegen auf den Feldern in Remetschwil ist mir aufgefallen, dass es hier unglaublich viele Mäuse gibt», sagt Schären. Er habe der Gemeinde mitgeteilt, dass er sich gerne dafür engagieren würde und diese habe nichts dagegen einzuwenden gehabt.

Mehr als 6000 Mäuse innert zwei Jahren

Also hat er sich ausgerüstet und 72 Fallen besorgt, um auf Mäusejagd zu gehen. Jeden Tag stellt er die Fallen auf den Feldern auf – eineinhalb Stunden braucht er dafür. Danach kontrolliert er mehrmals täglich, wie viele Mäuse er gefangen hat. «Mein Rekord an einem Tag liegt bei 128. Insgesamt habe ich in den zwei Jahren über 6000 Mäuse gefangen», sagt Schären.

Von den Bauern in Remetschwil habe er nur positive Rückmeldungen erhalten. «Sie waren froh, dass jemand die Vermehrung der Mäuse ein wenig in Schach hält», so Schären. Wie es im neuen Jahr weitergeht, wisse er noch nicht. Auch wenn das Geld für Schären nicht im Vordergrund stand, ist er der Meinung, dass die Arbeit entschädigt werden müsse: «Gratis mache ich es nicht.»

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