«Habe die Brände als Weg genutzt, um auf meine Probleme aufmerksam zu machen»
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Ex-Brandstifter Pascal R.*:«Ich hatte Wohnung und Job verloren und war drogenabhängig»

Verurteilter Brandstifter Pascal R. (27) ist jetzt bei der Feuerwehr in Rohrdorf AG
«Als Feuerwehrmann bin ich keine Gefahr für die Bevölkerung»

Ein verurteilter Brandstifter als Feuerwehrmann? Klingt widersprüchlich. Entspricht aber im Aargau der Realität. Pascal R. (27) legte als junger Mann Brände und wanderte in den Knast – nun steht er in den Reihen der Feuerwehr Rohrdorf AG. Bei Blick packt R. aus.
Publiziert: 00:10 Uhr
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Pascal R. ist verurteilter Brandstifter und nun Feuerwehrmann. Blick traf ihn Anfang November in seinem Zuhause.
Foto: Nicolas Lurati

Darum gehts

  • Verurteilter Brandstifter in lokaler Feuerwehr sorgt für Aufruhr in Oberrohrdorf AG
  • Pascal R. sieht sich nicht als Gefahr, Gemeinde unterstützt seinen Verbleib
  • Der heute 27-jährige Brandstifter zündete 2019 ein Motorboot und einen Kleidercontainer an
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Nicolas LuratiReporter News

In Ober- und Niederrohrdorf AG herrscht Aufruhr. Denn der verurteilte Brandstifter Pascal R.* (27) soll sich in der lokalen Feuerwehr herumtreiben. Die Bevölkerung ist besorgt: Bereits im Juni erreichte ein anonymes Schreiben Thomas Heimgartner, den Gemeindeammann von Oberrohrdorf. Der Titel des Briefs, der Blick vorliegt: «Dringender Sicherheitshinweis – Feuerwehrmitglied mit pyromanischer Vorgeschichte». Der Verfasser beklagt im Brief: «Dass eine Person mit solch einer Vorgeschichte heute Zugang zu feuergefährlichen Mitteln und Einsatzmitteln der Feuerwehr hat, ist inakzeptabel.» Und: «Es geht hier um den Schutz der Allgemeinheit und der Feuerwehr!» Er verweist im Brief auf einen Zeitungsbericht, in dem es um einen Gerichtsprozess gegen den Brandstifter geht.

Gemeindeammann Heimgartner wurde hellhörig. «Ich habe schon zahlreiche anonyme Schreiben erhalten und gebe im Normalfall gar nichts darauf», sagt er zu Blick. «Aber dieses nahm ich ernst.» Er versichert: «Ich wusste nichts vom Urteil und von der Vorgeschichte des Mannes.» Heimgartner und der Feuerwehrkommandant stellen Pascal R. daraufhin zur Rede. Heimgartner: «Er hat kooperativ und ausführlich Auskunft erteilt. Beim Prozess war er ja ebenfalls geständig.»

«Es war ein Hilfeschrei»

Blick traf Brandstifter und Feuerwehrmann R. zum Gespräch. Er wohnt in der Gegend, macht eine Polymechaniker-Lehre. Er könne verstehen, dass es für die Bevölkerung auf den ersten Blick ein «Schlag in die Fresse» sei, dass ein verurteilter Brandstifter bei der freiwilligen Feuerwehr sei. Seine Therapie nach der Verurteilung habe aber gezeigt: «Ich habe damals die Brände nicht gelegt, weil ich gern Brände lege oder jemandem schaden wollte – es war ein Hilfeschrei.» Er sagt: «Ich war auf die schiefe Bahn geraten und wollte so auf mich aufmerksam machen.»

Mittlerweile ist er froh, dass der Richter am Bezirksgericht Bremgarten AG ihn verurteilte. «Das Urteil hat mein Leben gerettet. Ich war damals von diversen Substanzen abhängig – Alkohol, Cannabis, Kokain, Opioide.» Er vermutet: «Ohne Urteil wäre ich wohl an einer Überdosis gestorben.» Nun sei er «clean und trocken».

Viel Alkohol und Drogen intus hatte R. auch in einer Nacht Mitte Juli 2019. Da kam es zur ersten Brandstiftung. R. blickt zurück: «Ich habe die Beherrschung verloren. Der verpasste letzte Zug war dann der Tropfen zu viel.» R. fackelt in Bremgarten ein Motorboot ab. Und kontaktiert den Notruf. Die Einsatzkräfte kommen und befragen R. «Sie liessen mich aber wieder gehen. Sie hielten mich nicht für den Täter.»

«Weitergesoffen, weiterkonsumiert»

Ein halbes Jahr später passiert es erneut. «Ich war verloren», erinnert sich R. «Ich war draussen, habe weitergesoffen, weiterkonsumiert – wollte aus dem Elend raus.» Der Aargauer zündet den Container einer Kleidersammelstelle an. Wieder wählt er selbst den Notruf. Und haut ab. «Wenig später verhaftete mich die Polizei aber bei mir zu Hause.» R. kommt in U-Haft.

Zunächst streitet er alles ab. «Es war mir unangenehm.» Die Ermittler sammeln mehr Indizien und Beweise. «Die Staatsanwaltschaft bot mir einen Deal an: Wenn ich alles gestehe, komme ich mit 18 Monaten Knast davon und kann anschliessend eine Therapie machen.» R. stimmt zu. Dazu attestiert ihm ein Gutachten pyromanische Züge. «Ich bin aber kein Pyromane», meint R. Denn: «Als das Gutachten erstellt wurde, wurde starker Druck auf mich ausgeübt.»

Deshalb kommt Pascal R. zum Schluss: «Als Feuerwehrmann bin ich keine Gefahr für die Bevölkerung.» Er erklärt: «Ich gehe an die Übungen – und dann wieder nach Hause. Ich sehe es als meine Pflicht als normaler Bürger im System, die anderen Bürger zu schützen.» Angst vor einem Rückfall habe er nicht.

«Er bleibt bei der Feuerwehr»

Auch Gemeindeammann Heimgartner sieht keine Gefahr in Pascal R. «Seit seiner Verurteilung hat er sich nichts zu Schulden kommen lassen. Er ist in der Feuerwehr Rohrdorf nie negativ aufgefallen. Es gibt keinen Grund, ihm Misstrauen auszusprechen und ihn anders zu behandeln als die anderen Mitglieder unserer Feuerwehr.» Komme hinzu, dass R. keinen Zugang zu feuergefährlichen Mitteln in der Feuerwehr habe. «Dafür braucht es eine Zusatzausbildung, diese besitzt er nicht.» Fazit des Dorf-Häuptlings: «Aufgrund der Eindrücke und Abklärungen sowie der von uns getroffenen Massnahmen bleibt er bei der Feuerwehr Rohrdorf.»

Pascal R. ist dem Gemeindeammann und dem Feuerwehrkommandanten dankbar, dass sie ihm den Rücken stärken. «Es hätte auch in die komplett andere Richtung gehen können.» Der 27-Jährige meint: «Und ich bin dankbar, dass ich mich trotz meiner Vergangenheit wieder in die Gesellschaft einfügen darf.» Sein Schlusswort: «Ich habe zwar Scheisse gebaut, mich nun aber gebessert.»

* Name geändert 

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