Ärztin vor dem Bezirksgericht Aarau
Baby stirbt bei Hausgeburt – fahrlässige Tötung?

Ein Baby in der Region Aarau ist kurz nach der Geburt zu Hause verstorben. Die Staatsanwaltschaft glaubte, die begleitende Ärztin hätte den Tod des Kindes verhindern können. Jetzt wurde der Fall vor Gericht verhandelt.
Publiziert: 05.04.2024 um 14:28 Uhr
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Aktualisiert: 05.04.2024 um 16:37 Uhr
Die Ärztin leitete bei der 39-jährigen Mutter zu Hause die Entbindung ein. (Symbolbild)
Foto: Shutterstock

Kaum auf der Welt, schon aus dem Leben geschieden: Bei einer dramatischen Hausgeburt in der Region Aarau im Januar vor drei Jahren ist das Baby nach kurzer Zeit verstorben. Die Geburt war überfällig gewesen – der errechnete Termin lag bereits zwölf Tage zurück. Deshalb leitete die begleitende Ärztin bei der 39-jährigen Mutter die Entbindung ein – daheim im Haus der Familie.

Als am Tag darauf die Fruchtblase platzte, war das Fruchtwasser bräunlich-trüb. Die Herztöne des Kindes wurden immer leiser, worauf die Ärztin die Geburt mit einem Dammschnitt beschleunigte. Als das Mädchen um 21.56 Uhr zur Welt kam, verstummten die Herztöne komplett. Die Ärztin reanimierte das Neugeborene, das sich kurzzeitig erholte. Um 22.15 Uhr wurde die Ambulanz alarmiert, die 18 Minuten später eintraf. Trotzdem starb das Baby.

Verfärbtes Fruchtwasser

Wie die «Aargauer Zeitung» berichtet, glaubte die Staatsanwaltschaft Aarau-Lenzburg, dass die Ärztin aus dem Kanton Zürich den Tod des Mädchens hätte verhindern können. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen fahrlässiger Tötung. Konkret war die Staatsanwaltschaft überzeugt, dass die Ärztin beim Auftreten des verfärbten Fruchtwassers eine Verlegung ins Spital hätte anordnen und früher die Ambulanz hätte rufen müssen.

Die Staatsanwaltschaft glaubte, dass das Baby an Sauerstoffmangel starb. Der erste Stuhlgang, im Volksmund «Kindspech», sei ins Fruchtwasser gelangt. Das Mädchen sei daran erstickt. Das bräunliche Fruchtwasser sei ein klarer Hinweis darauf. Die Staatsanwaltschaft forderte deshalb eine bedingte Freiheitsstrafe von acht Monaten sowie eine Busse von 4000 Franken für die Ärztin.

«Die machen nichts anderes als ich»

Die Ärztin wehrte sich am Donnerstag vor dem Bezirksgericht Aarau gegen die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft. Bei einer Geburt nach dem errechneten Geburtstermin sei verfärbtes Fruchtwasser nicht unüblich, erklärte sie. Zudem betonte sie ihre langjährige Erfahrung im Reanimieren. «Ich wusste, wenn ich die Neonatologie des Kantonsspitals rufe, machen die nichts anderes als ich.»

Der Verteidiger der Ärztin zog die Sichtweise der Anklage in Zweifel. Man kenne die Todesursache nach wie vor nicht, hielt er dagegen. Er forderte einen vollumfänglichen Freispruch sowie eine Entschädigung für seine Mandantin.

Freispruch trotz verletzter Sorgfaltspflicht

Das Gericht entschied schliesslich zugunsten der Angeklagten und sprach sie frei. Dies, obwohl es anerkennt, dass die Ärztin ihre Sorgfaltspflicht verletzte, indem sie die Mutter – trotz bekannter Risikofaktoren wie die späte Geburt, das erhöhte Alter der Mutter und das trübe Fruchtwasser – nicht ins Spital verlegte.

Weil jedoch die Todesursache nicht eindeutig feststeht, bleibt auch unklar, ob der Tod des Babys mit einer Verlegung ins Spital hätte verhindert werden können. Für einen Schuldspruch wäre ein entsprechender Nachweis nötig gewesen. (noo)

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