Darum gehts
Oli T.* (61) ist am Ende. Er hat alles verloren, seine komplette Altersvorsorge. «Ich bin völlig verzweifelt», sagt der Aargauer daheim im Gespräch mit Blick.
Eine Frau hatte ihm im Internet die grosse Liebe versprochen. Und hat ihn stattdessen um sein ganzes Geld betrogen. «Rund 250'000 Franken», so Oli T. Ihm bleiben noch 2394.82 Franken, liest er seinen Kontostand ab. «Ich kann gerade noch meine Wohnungsmiete bezahlen.» Für seine Internet-Liebe nahm er einen Kredit von 50'000 Franken auf. Und liess sich seine Pensionskasse von 190'000 Franken auszahlen. Die Frau im Internet wollte immer mehr.
Scheidung und im Internet «neue Liebe» gefunden
Oli T. war 40 Jahre mit seiner Frau zusammen, hat zwei Kinder und arbeitete 35 Jahre lang als Verkäufer. «Doch 2021 kam es zur Scheidung», erzählt er. «Ich wurde einsam und suchte eine neue Liebe.» Diese habe er im November 2023 über eine Online-Plattform in einer Französin gefunden. Das dachte er damals zumindest.
«Das Schicksal hat dann seinen Lauf genommen», sagt Oli T. «Die Online-Frau hat mir dann Anfang Dezember 2023 ihre Liebe versprochen.» Sie nennt ihn im Chat-Verlauf «Mon Amour» – er sie «Chéri».
Nach einiger Zeit hat die Frau ihm geschrieben, dass ihre Mutter krank sei. «Und, dass sie Geld brauche. Ich habe ihr dann welches überwiesen. Auch für ihr eigenes Leben», sagt Oli T.
Erspartes weg und Kredit aufgenommen
Damit hat die Falle zugeschnappt. «Mein Erspartes von einigen Tausend Franken war bald weg. Ich habe dann einen Kredit von 50'000 Franken aufgenommen.» Aber auch dieses Geld sei schon bald bei der Frau gelandet, sagt Oli T. «Ich habe immer gehofft und gewünscht, dass wir mal zusammenleben können.» Zu diesem Zeitpunkt ist er zu fest in die vermeintliche Fernbeziehung verwickelt, um genug misstrauisch zu werden. Und er hat schon zu viel investiert.
Mitte 2024 steht Oli T. erneut ohne Geld da. «Mein Plan war, dass ich mich frühpensionieren lasse.» So räumte er seinen Arbeitsplatz und liess sich Anfang dieses Jahres so viel Pensionskassengeld auszahlen, wie nur möglich ist. «190'454.40 Franken», so T. und zeigt die Überweisungsbestätigung auf seinem Handy.
Oli T. spricht von «absoluter Dummheit»
Wieder geht er seiner angeblichen Fernbeziehung auf den Leim: «In meiner absoluten Dummheit, habe ich ihr auch dieses ganze Geld in mehreren Schritten überwiesen», gibt Oli T. unter Tränen zu. «Ich bin heute komplett ruiniert. Habe kein Geld mehr.»
Er erzählt weiter, dass er das der Frau erzählt habe. «Sie hat mich dann dreist gefragt, ob ich nicht meine Mutter nach Geld fragen könne. Schliesslich hat sie noch ein erstes Treffen in Frankreich versprochen und ein Hotel gebucht», sagt Oli T. «Aber auch dies hat sie abgesagt. Das war für mich das Ende der Fahnenstange.» Als der Aargauer endlich versteht, was passiert ist, ist es bereits zu spät.
Oli T. hat der Frau Geld per eBanking überwiesen – auf Konten in halb Europa, wo Komplizen die Summen weitergeleitet haben dürften. Und: In seinem Zuhause stapeln sich rund 250 Bitcoin-Karten, mit denen er die Kryptowährung überwiesen hat. «Der Grossteil dieser Karten war mit 500 Franken geladen. Somit habe ich ihr rund 125'000 Franken in Bitcoins gezahlt.»
Anzeige bei der Polizei gemacht
Oli T. sagt, er habe nur noch einen Gedanken gehabt: «Ich brauche Hilfe.» Deshalb habe er bei der Kantonspolizei Aargau eine Anzeige gegen unbekannt aufgegeben - und dort einen Termin bei einer Hilfsstelle erhalten.
Adrian Schuler von der Aargauer Staatsanwaltschaft darf zum konkreten Fall keine Stellung nehmen. Aber er bestätigt die Anzeige und sagt allgemein: «Selbstverständlich gehen die Ermittlungsbehörden solchen Verdachtsmomenten in Sachen Romance Scam nach.» Beweismittel würden gesichert, Geldflüsse nachverfolgt. Ziel sei es, die Täterschaft, allfällige Hintermänner oder gar kriminelle Strukturen zu identifizieren.
Schuler weiter: «In solch komplexen Fällen können die Ermittlungen jedoch länger andauern und sind oft international verzweigt.» Opfern rät er, sofort jeden Kontakt mit der Person komplett abzubrechen und die Beweismittel der Polizei zu übergeben. Oli T. hat dies getan.
Person hinter Fake-Profil nicht erreichbar
Das Fake-Profil hat den Namen und zeigt das Bild einer Ex-Pornodarstellerin, die immer noch Dutzende von angeblichen Profilen im Netz hat. Oli T. sagt: «Ich merkte das erst später. Aber es ging mir nicht darum, dass ich Sex mit ihr wollte. Ich habe mich in sie als Person verliebt.» Sie habe ihm gar das Bild ihrer angeblichen Identitätskarte geschickt. «Aber vermutlich ist auch die gefälscht.»
Seltsam sei gewesen, so Oli T., dass er von der Frau immer nur Bilder geschickt bekommen habe, die man auch sonst über sie im Netz finde. «Ich wurde brutal reingelegt!» Sein allergrösster Wunsch ist: «Dass ich wieder einen Job finde und nicht auch noch aufs Sozialamt gehen muss.» Die Chance, dass er sein Geld so bald wiedersieht, dürfte klein sein.
* Name geändert