Michèle Minelli schreibt über das Vergewaltigungsopfer Frieda Keller, das 20 Jahre in Einzelhaft sass
«Dieser Stoff ist extrem beklemmend»

Die Zürcher Autorin Michèle Minelli hat ihr neustes Buch fertig. Es spielt in einer Schweiz vor 100 Jahren, wo Frauen noch fast nichts zählten.
Publiziert: 28.03.2015 um 20:23 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 00:57 Uhr
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«Dass eine Frau vor 100 Jahren noch so viel Leid erlebte, ist schwer zu fassen.» Michèle Minelli
Von Silvana Guanziroli

Dieses Buch brachte sie an ihre persönlichen Grenzen. Die Zürcher Schriftstellerin Michèle Minelli (46) rollt in ihrem Werk «Die Verlorene» eines der dunkelsten Kapitel des Schweizer Strafvollzugs neu auf.

«Die Geschichte der Frieda Keller hat mich tief bewegt, ich konnte nicht anders und musste darüber schreiben», sagt die Autorin und Tochter von Dignitas-Gründer Ludwig A. Minelli (82). «Dass eine Frau noch vor 100 Jahren in der Schweiz so viel Leid erlebte, ist schwer zu fassen», sagt sie.

Frieda Keller († 62) durchlebte tatsächlich die Hölle auf Erden. Ihr Kriminalfall polarisierte 1904 das Land, rief die Frauenbewegung auf den Plan und beeinflusste das 1938 geschaffene Strafgesetzbuch. Seither gilt die Gleichheit von Frau und Mann vor dem Gesetz.

Anfang des 20. Jahrhunderts war das noch anders. Frieda Keller ist erst 19 Jahre alt, als eine brutale Vergewaltigung ihr Leben zerstört. Während der Täter ungeschoren davonkommt, ist sie von der Schande gezeichnet. Sie erwartet ein Kind. Ohne geregeltes Einkommen und allein gelassen, muss sie für den unehelichen Sohn sorgen. Eine Not, die sie selber zur Täterin macht – aus Verzweiflung tötet sie den Buben. Frieda Keller wird wegen Mordes selbst zum Tode verurteilt. Unter dem Druck der Öffentlichkeit wird sie schliesslich begnadigt – zu lebenslanger Zuchthausstrafe in Einzelhaft mit Schweigegebot. In der Haft verliert sie den Verstand und stirbt verarmt und einsam in der damaligen Nervenheilanstalt Münsterlingen TG.

Für ihr Buch recherchierte Michèle Minelli vor Ort. «Ich besuchte ihre Gefängniszelle, die heute noch existiert. Das war ­extrem beklemmend», so die Schriftstellerin, die mit ihrem Krimi «Wassergrab» bereits Erfolge feierte. «Und als ich den Roman schrieb, brauchte ich ein Ventil. Beim Velofahren strampelte ich die aufgestauten Gefühle raus. Zum Glück aber war nicht ihr ganzes Leben von Gewalt geprägt.» Dazu gehört Friedas Kindheit in Bischofszell TG.

Am 27. März kommt Minellis Buch in den Handel. «Es ist mir wichtig, dass dieser Fall und die Zeit, als eine frauenfeindliche Gesellschaft vorherrschte, nicht in Vergessenheit geraten», sagt sie. «Es ist gut, zu wissen, wo wir herkommen – die Schweizer geben sich in dieser Hinsicht gern etwas geschichtsblind.»

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