Kosovarischer Flüchtling mit Behinderung in Zürich vom Zug erfasst
Starb Lirim (†20), weil SBB und AOZ versagten?

Ein geistig behinderter Asylsuchender wird in unmittelbarer Nähe seiner Unterkunft vom Zug erfasst. Die Behörden klären den Vorfall derzeit ab.
Publiziert: 13.10.2019 um 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 13.10.2019 um 13:10 Uhr
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Lirim hatte eine geistige Behinderung und wurde rund um die Uhr betreut.
Foto: zVg
Dafina Eshrefi

Der 21. September war ein Samstag. Es hätte ein schöner Spätsommertag sein können. Für Lirim N.* (†20) wurde es der Tag seines Todes. Er verlor sein Leben in unmittelbarer Nähe einer Asylunterkunft in Zürich-Schwamendingen. Der geistig schwerbehinderte Flüchtling aus dem Kosovo hatte mit seinen Eltern und zwei Geschwistern in der im August 2018 eröffneten Containersiedlung gewohnt. Die Einrichtung wird von der Asylorganisation ­Zürich (AOZ) betrieben.

Familie, Bewohner und Mitarbeiter des Asylheims berichten übereinstimmend, dass wenige Tage zuvor – ohne jegliche Information – ein Teil des Zauns entfernt worden war, der die Gleise von der Strasse, die zum Heim führte, ­getrennt hatte. Die hüfthohe Ab­sicherung hielt Kinder, aber auch Menschen mit Beeinträchtigung wie Lirim, von durchfahrenden Zügen fern.

«Wir machten die Mitarbeiter der AOZ auf die neue Gefahr ohne den Zaun aufmerksam und baten darum, etwas zu unternehmen», sagt Lirims Schwester Fjolla N.* (23) zu SonntagsBlick. «Aber nichts ­geschah.»

Von Zug erfasst und getötet

Nur wenige Tage später verlor Lirim an genau dieser Stelle sein Leben: Beim Spaziergang mit ­seinem Vater war der junge Mann aufs Gleis gelangt, wurde von ­einem heranrasenden Zug erfasst und getötet.

Lirim hatte keine Chance. Wegen seiner geistigen Behinderung war er sich der Gefahr nicht bewusst. Sein an den Rollstuhl gefesselter Vater Hamëz N.* (†52) sah das grässliche Geschehen hilflos mit an. Fünf Tage nach dem Tod seines Sohnes erlitt er einen Schlaganfall und starb. «Durch diesen Unfall haben wir zwei Familienmitglieder innerhalb weniger Tage verloren», sagt Fjolla.

Inzwischen trennt eine provisorische Absperrung das Gelände von den Gleisen. Sie ist blickdicht, als wolle man den Anblick des ­Ortes verbergen, an dem Lirim sein Leben verlor.

Interne Abklärungen

Bereits ein Jahr davor war es an derselben Gleisstelle zu einem ­Todesfall gekommen. Auch damals wurde ein Asylsuchender vom Zug getötet. Wie die AOZ bestätigt, wollte der Mann damals freiwillig aus dem Leben scheiden.

Doch warum nahmen die Verantwortlichen die Befürchtungen der Familie N. nicht ernst? Wie konnte es die AOZ zulassen, dass die Bahngleise stellenweise nicht gesichert waren?

Auf Anfrage von SonntagsBlick räumt die Asylorganisation ein: Ja, man habe von der Entfernung des Zauns gewusst. Warum auf die Beschwerde der Familie nicht eingegangen worden sei, werde derzeit intern abgeklärt.

Keine zufriedenstellende Antworten

Im Übrigen verweist die AOZ auf die SBB. Man habe die Bahn bereits im April 2018 – also vor Inbetriebnahme der Asylsiedlung – über die neuen Verhältnisse informiert und eine «Anpassung des Zauns empfohlen». Weitergehende Massnahmen traf man dann aber offenbar nicht.

Die SBB ihrerseits erklären auf Anfrage von SonntagsBlick, es habe sich nicht um einen Zaun gehandelt der entfernt wurde, sondern um «eine Abschrankung eines verlassenen Schrebergartens». Mehr sei leider zurzeit noch nicht bekannt. Man habe für kommende Woche ein Treffen mit der AOZ vereinbart.

Weder SBB noch AOZ können derzeit zufriedenstellende Antworten liefern.

Bis es so weit ist, bleibt lediglich festzuhalten: Lirim und die Kinder des Asylheims hätten vor dieser ­unmittelbaren Gefahr geschützt werden können – und müssen!

Die Familie von Lirim hat beschlossen, rechtliche Schritte einzuleiten.

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