Darum gehts
- Hergiswil lehnt Erbschaftssteuer ab. Reiche Familien prägen das Dorf
- Einwohner befürchten negative Auswirkungen auf Familienunternehmen und lokale Wirtschaft
- Vorgeschlagene Erbschaftssteuer: 50 Prozent für Vermögen über 50 Millionen Franken
Erwähnt man die Erbschaftssteuer im Dorf der berühmten Glasi Hergiswil, bricht Panik aus. Kein Wunder: 59 Multimillionäre wohnen in Hergiswil NW. Die Initiative der Juso, über die bald abgestimmt wird, würde hier voll einschlagen. Und schon jetzt geht ein Gespenst um: Die Gemeinde habe seit diesem September mehrere auffällige Abmeldungen verzeichnet, sagte Gemeindepräsident Daniel Rogenmoser (44) zu Blick. Aus Gesprächen könne er sagen, dass die Wegzüge aufgrund der Initiative erfolgt seien. Rogenmoser rechnet mit weiteren Abmeldungen.
Klar ist: Für Hergiswil ist die Initiative ein Klumpenrisiko. Blick hat das Dorf der Reichen besucht. Wie ist die Stimmung, nun, da der Aderlass der zahlungskräftigen Einwohner droht? «Wenn diese Steuer kommt, ist das für uns eine Katastrophe», sagt ein Pensionär zu Blick. «Ich war durch meinen Job bei vielen der reichen Einwohner gelegentlich zu Hause. Und bin auch mit ihnen zur Schule gegangen. Sie sind sehr sozial und haben die Gemeinde geprägt», sagt der Senior.
Gegen die Erbschaftssteuer von 50 Prozent für über 50 Millionen Franken sind auch die Jungen. Blick trifft auf Silvana Blättler (31), sie ist die Urenkelin von Franz Blättler, eines sehr erfolgreichen Hergiswiler Unternehmers, der nach Deutschland ausgewandert ist. Die Make-Up-Artistin besucht das Dorf ihrer Vorfahren zum ersten Mal. Über die drohende Erbschaftssteuer ist sie entrüstet. Sie sagt: «Da bin ich sehr dagegen. Es soll also das Vermögen, das sich eine Familie über Jahrzehnte angespart hat, an alle verteilt werden? Das kann doch nicht sein!», sagt sie zu Blick.
Auch Hochbauzeichner Michael Anderhalden (56) will keine Erbschaftssteuer, auch wenn er nicht zu den direkt Betroffenen gehört. Er sagt: «Die Juso übertreibt wieder einmal. So kann ein Familienunternehmen einen Generationenwechsel doch nicht überleben.» Zu einer Steuer von fünf bis zehn Prozent für Erbschaften ab zehn Millionen hätte er vielleicht Ja sagen können. «Aber nicht zu 50 Prozent!»
Gleicher Meinung ist auch der Hergiswiler Zahnarzt Thomas Guhl (56). «Stellen Sie sich eine Firma vor, die 55 Millionen wert ist und von den Kindern weitergeführt werden soll. Nimmt man die Hälfte weg, ist die Firma kaputt», sagt Guhl.
Auch Thomas Diederich (45) aus Freiburg, der die Glasi besucht, lehnt die potenzielle Erbschaftssteuer ab. «Das ist nicht gut für die Schweiz. Bei Vermögen in dieser Grössenordnung werden viele Familien wegziehen. Da verlieren wir vermutlich viele Steuermillionen.» Dann wird er nachdenklich: «Wobei mir nicht ganz klar ist, wohin sie denn ziehen wollen. Fast überall sind die Steuern höher.»
Ebenfalls nachdenklich wird der Besitzer einer KMU in einer Liegenschaft direkt am See. «Ich würde nicht wegziehen», sagt der Unternehmer. «Es ist meiner Meinung nach unklar, ob die Steuereinnahmen steigen oder sinken werden.» Gegen die Erbschaftssteuer ist er aus einem anderen Grund: «Niemand hat ein Recht, das erarbeitete Geld einfach wegzunehmen und zu verteilen. Da lohnt es sich gar nicht mehr, sich anzustrengen. Es wäre ein Sieg für die Faulen.»