Darum gehts
- 32-jähriger Ukrainer erreicht frühen Ruhestand dank Fire-Methode
- Konsequenter Sparplan und reduzierter Lebensstil ermöglichen finanzielle Unabhängigkeit
- Schweizer könnte mit 50 Prozent Sparquote und 6 Prozent Rendite mit 42-45 Jahren in Rente
Mit 32 Jahren nicht mehr arbeiten müssen. Am Strand von Thailand entspannen – der Ukrainer Naz Avo hat sich den Traum vom frühen Ruhestand bereits erfüllt. Dank der sogenannten Fire-Methode, wie er der britischen Zeitung «The Sun» erklärt.
Dahinter steckt ein konsequenter Sparplan. Die Abkürzung Fire steht für «Financial Independence Retire Early», also finanzielle Unabhängigkeit für eine frühe Rente. Softwareentwickler Avo verdiente zuletzt umgerechnet 96'000 Franken im Jahr. Davon gab er aber nur einen kleinen Teil aus.
Bis zu 70 Prozent seines Gehalts steckt er in Investitionen
«Ich habe herausgefunden, dass ich, wenn ich wie ein Student lebe und das Gehalt eines Softwareentwicklers bekomme, 60 bis 70 Prozent meines Gehalts in Investitionen stecken kann», sagt der junge Mann gegenüber «The Sun».
«Ich habe in ETFs, Anleihen und Aktien investiert. Das ist der geringste Wartungsaufwand. Einrichten und vergessen. Es funktioniert einfach.» Doch ist ein solcher Sparplan wirklich so einfach? Und wie machbar wäre das in der Schweiz? Blick hat bei Experten nachgefragt.
Eine realistische Sparquote liegt zwischen 20 und 50 Prozent
Grundsätzlich ist ein konsequenter Sparplan auch in der Schweiz je nach persönlicher Situation möglich, meint Vorsorgeexpertin Veronica Weisser von der UBS. Doch: Eine realistische Sparquote liegt in der Schweiz, je nach Lebenssituation, zwischen 20 und 50 Prozent, erklärt Weisser.
Voraussetzung für einen konsequenten Sparplan ist dabei ein bewusst reduzierter Lebensstil und eine Finanzplanung, die auf die persönliche Risikobereitschaft abgestimmt ist. «Eine sorgfältige Wahl der Mobilität und der Wohnform, wie zum Beispiel einer Wohngemeinschaft, Verzicht auf auswärtiges Essen, gezielter Einkauf und der Vergleich von regionalen Lebenshaltungskosten können die Ausgaben deutlich senken», so die Expertin zu Blick.
Mit rund 45 Jahren in Rente zu gehen, ist möglich
Doch wie früh könnte ich mit einer solchen Methode in der Schweiz in den Ruhestand gehen? Als Beispiel rechnet UBS-Expertin Weisser vor, wann ein Schweizer (Lebenserwartung 90 Jahre) mit einem Durchschnittseinkommen von 6800 Franken pro Monat in Rente gehen könnte.
Bei einer Sparquote von 50 Prozent, einer Aktienrendite von 6 Prozent und einer Zielrente von 3000 Franken pro Monat, könnte ein Schweizer mit Sparbeginn im Alter von 25 Jahren mit rund 42 bis 45 Jahren in Rente gehen. 100 Prozent müssten dafür in Aktien angelegt werden, sowohl vor als auch nach dem Renteneintritt. Die Rendite müsste im Schnitt 6 Prozent betragen.
«Den Zinseffekt der Inflation sollte man nicht unterschätzen»
Doch die Fire-Methode birgt auch Risiken. Marktverluste, sinkende Dividenden oder steuerliche Änderungen könnten den Lebensstandard gefährden, betont Weisser. Ähnlich sieht das Karl Flubacher, Geschäftsleiter Nordwest- und Westschweiz beim Vermögenszentrum: «Gerade den Zinseffekt der Inflation sollte man nicht unterschätzen.»
Er rechnet das Beispiel eines heute 30-jährigen Schweizers bei einem jährlichen Bedarf von 24'000 Franken vor. Bei einer Lebenserwartung von rund 85 Jahren würde sich in 55 Jahren aufgrund der Inflationsrate von 1,5 Prozent der tatsächliche Warenkorb und Bedarf auf 54'400 Franken erhöhen. Damit mehr als doppelt so viel.
In der Zukunftsplanung gibt es einige Unsicherheiten
Doch nicht nur die Inflation ist ein Risikofaktor. «Naz Avo ist mit 32 schon in Frührente. Vor ihm liegen noch über 50 Jahre Lebenszeit. In dieser Zeit kann viel Unerwartetes passieren. Schicksalsschläge, Gesundheitsfaktoren wie eine hohe Zahnarztrechnung. Das kann alles viel Geld kosten», so Flubacher.
Hierin zeige sich eine weitere Problematik: «Vielleicht merkt Avo mit 50 oder 55 Jahren, dass das Geld knapp wird. Ab einem gewissen Alter kann der Arbeitseinstieg schwierig werden, vor allem wenn 20 Jahre Arbeitserfahrung fehlen.» Auch eine Familiengründung gestalte sich mit der konsequenten Fire-Methode erschwert.
Generell betrachtet Flubacher die Fire-Bewegung, die aus den USA kommt, skeptisch. «In Europa hat sich die Bewegung erst in den letzten Jahren etabliert. Damit fehlt jedoch die Evidenz, ob die Methode auch über einen Zeitraum von 40 oder 50 Jahren wirklich funktioniert.»