Darum gehts
Wer lange lebt, beschert seiner Pensionskasse ein kleines Problem. Wie stellt sie sicher, dass das Geld für die Rente reicht, auch wenn man 100 wird? Ganz einfach: Einige sterben früher als der Durchschnitt – und die Pensionskasse muss weniger lang zahlen. Frühe und späte Todesfälle gleichen sich finanziell aus. So lässt sich das sogenannte Langlebigkeitsrisiko relativ günstig abdecken.
Viel schwieriger wird es, wenn man es allein tragen muss. Und das kommt immer häufiger vor. Laut dem Bundesamt für Statistik wählten im Jahr 2023 nur noch 40 Prozent der Pensionierten die Rente. 41 Prozent nahmen das Kapital – und schultern damit auch das Risiko, dass es länger reichen muss als gedacht.
Weniger PK-Rente für Hinterbliebene
Einige Kassen haben als Reaktion auf den zunehmenden Kapitalbezug neue Rentenmodelle entwickelt. So bietet die BVK, die grösste Pensionskasse der Schweiz, seit 2019 das Modell «Plus» an.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
Probieren Sie die Mobile-App aus!
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
Probieren Sie die Mobile-App aus!
BVK-Chef Thomas R. Schönbächler sagte gegenüber dem Magazin «HZ Insurance», dass in seiner Kasse zwei Drittel der Versicherten Frauen seien. Sie hätten eine höhere Lebenserwartung und im Durchschnitt ältere Partner. Deshalb sei die Wahrscheinlichkeit tief, dass eine Frau früher als ihr Mann stirbt und die Pensionskasse ihm eine Hinterbliebenenrente zahlen muss.
«Das haben sich auch die Frauen ausgerechnet und früher vermehrt das Kapital anstelle einer Rente bezogen.» Heute hätten sie die Möglichkeit, mit «Plus» einen höheren Umwandlungssatz zulasten der Hinterbliebenenleistungen zu wählen. Zwei Drittel der Versicherten nutzten das.
Eliane Albisser, Geschäftsführerin des PK-Netzes, einer gewerkschaftlichen Plattform für PK-Stiftungsräte, hat grundsätzliche Einwände gegen flexible Rentenmodelle. Aus ihrer Sicht widersprechen solche Modelle teilweise den Grundprinzipien der beruflichen Vorsorge.
Dort sind Renten für Hinterbliebene zwingend vorgesehen und können höchstens aufs gesetzliche Minimum gekürzt werden. Zum Beispiel dürfen Alleinstehende nicht auf eine Hinterbliebenenrente verzichten, um im Gegenzug selbst mehr Rente zu erhalten.
Albisser findet das richtig, denn in der zweiten Säule gehe es auch um eine kollektive Risikoabdeckung und um Solidarität zwischen Alleinstehenden, Paaren und Familien. Wenn man aber die Höhe der Hinterbliebenenrente wählen könne, suggeriere das, dass man individuell maximal profitieren könne. «Das entspricht aber nicht dem Sinn und Zweck der 2. Säule.»
2024 lancierte die BVK weitere Wahl-Rentenmodelle: «Dyna» und «Kombi». «Dyna» kommt denjenigen entgegen, die in den ersten Jahren nach der Pensionierung mit höheren Ausgaben rechnen, weil sie vielleicht grosse Reisen planen. Anfangs erhält man eine um rund 13 Prozent höhere Rente, die dann bis zum Alter 75 kontinuierlich sinkt. Ab 75 bleibt sie stabil und liegt dabei etwa 4 Prozent unter der Standardrente. Gemäss Schönbächler hat sich ein Viertel derer, die neu eine Rente beziehen, dafür entschieden.
Flexibler – und komplizierter
Beim BVK-Modell «Kombi» werden Kapital und Rente kombiniert. Anders als beim klassischen Teilkapitalbezug, der die lebenslange Rente reduziert, gibt es hier ab 75 eine ungekürzte Rente. Die Rentenansprüche bis Alter 75 erhält man auf Wunsch als Einmalzahlung oder als Kombination von Rente und Kapital. Wer mit 65 Jahren mehr Geld auf einmal braucht, bekommt es also mit diesem Modell – und ab 75 trotzdem eine lebenslange Standardrente.
Laut BVK ist ein weiterer Vorteil von «Kombi», dass trotz Kapitalbezug «unterbruchlos die vollen Hinterbliebenenleistungen versichert sind». Finanziert wird diese Versicherung mit einem kleinen Abschlag auf den Kapitalbezug. BVK-Sprecher Christian Brütsch sagt: «Die flexiblen Rentenmodelle sind einfach nur neue Bezugsmodelle – die Versicherten tragen kein zusätzliches Risiko.» Klar ist: Mit den neuen Modellen steigt die ohnehin hohe Komplexität der 2. Säule weiter und damit der Beratungsbedarf.
Die Folgen eines langen Lebens
Das gilt auch für die neue stufenweise Altersrente der Sammelstiftung Transparenta. Auch dieses Modell soll Leute ansprechen, die mit dem Kapitalbezug liebäugeln. Laut Geschäftsführer Fabian Thommen ist das Interesse zwar gross, aber noch hat sich niemand dafür entschieden.
Bei der stufenweisen Altersrente wird die Rente in bis zu drei Tranchen mit unterschiedlichen Laufzeiten aufgeteilt. Das kann interessant sein für Leute, die erwarten, dass sie in den ersten Jahren mehr Geld brauchen und später weniger.
Das Modell funktioniert so: Zusätzlich zu einer lebenslangen Rente gibt es Tranchen, die nur bis zum Alter 75 oder 85 fliessen. Die höchste Monatsrente gibt es bis 75. Danach, bis Alter 85, ist sie niedriger, und ab 85 sinkt sie nochmals. Zum Beispiel erhält man anfangs etwa 4250 Franken im Monat, ab 75 knapp 3000 Franken und ab 85 knapp 2300 Franken. Die normale, gleichbleibende Rente hätte für dieses Beispiel 3500 Franken betragen.
Wegen gesetzlicher Vorschriften funktioniert das Stufenmodell nur, wenn ein hoher Anteil an überobligatorischem Alterskapital da ist. Wenn ein Versicherter früh stirbt, sind die jeweiligen Tranchen bis Alter 75 respektive 85 für Hinterbliebene nicht verloren – sie laufen weiter. Zusätzlich gibt es eine klassische Hinterbliebenenrente aus dem lebenslangen Rentenanteil. Laut Thommen erhalten die Hinterbliebenen also gleich viel oder mehr als bei der normalen Rente.
Welchen möglichen Preis zahlt eine Versicherte für die Vorteile dieses Rentenmodells? Dazu sagt Thommen: «Es ist wie beim Kapitalbezug: Wenn man die durchschnittliche Lebenserwartung – aktuell etwa 85 Jahre für Männer und 87 Jahre für Frauen – übertrifft, wäre man mit der normalen Rente besser gefahren.» Denn das Langlebigkeitsrisiko geht hier teilweise auf die Versicherten über, weil nur ein Teil der Rente lebenslang gezahlt werden muss.
Für Eliane Albisser vom PK-Netz sind die zunehmenden Wahlmöglichkeiten auch stark von Marketingüberlegungen getrieben. Viele Sammelstiftungen konkurrieren miteinander. «Mit solchen Goodies profilieren sie sich im Markt, obwohl viele von ihnen nur wenige Rentner und Rentnerinnen haben, weil sie bei Neuanschlüssen vor allem Bestände mit vielen jungen, aktiv Versicherten präferieren.» Dabei genüge es doch, dass man in den meisten Pensionskassen das gesamte Kapital beziehen könne. «Man sollte den Leuten lieber den Wert der Rente darlegen – die Absicherung des Langlebigkeitsrisikos kostet etwas – und sie besser über Risiken des Kapitalbezugs aufklären.»