Darum gehts
- UBS-Chef dementiert Wegzuggerüchte, Spannungen mit Schweizer Regierung bestehen
- Kelleher nutzt US-Kontakte für Schweizer Interessen
- UBS müsste Kernkapital um 24 Milliarden Franken erhöhen
Es war das Wort der Woche: «Bullshit.» Ausgesprochen hat es Sergio Ermotti (65). Der CEO der UBS sah sich zu einer Klarstellung genötigt, nachdem schon wieder Gerüchte über einen möglichen Wegzug der Grossbank nach Amerika laut geworden waren.
Sie stützen sich auf einen Bericht der britischen «Financial Times», gemäss dem Colm Kelleher mit US-Finanzminister Scott Bessent (63) heimlich über die Modalitäten einer Verlegung des Firmensitzes gesprochen haben soll. Vertreter des Finanzunternehmens dementieren die Story genauso heftig wie der UBS-Verwaltungsratspräsident selber. Und überhaupt: Ihre Verantwortlichen hätten nie mit einem Wegzug gedroht, betont die Bank gebetsmühlenhaft.
Unter Trump verschärfte sich die US-Wirtschaftspolitik
Doch das Thema triggert die Alpenrepublik: Sie hadert mit ihrer letzten verbliebenen Grossbank. Die UBS ihrerseits befürchtet erhebliche Wettbewerbsnachteile, weil ihr der Bundesrat strenge regulatorische Fesseln anlegen möchte, und warnt vor der feindlichen Übernahme durch einen US-Riesen. In Washington wiederum treibt US-Präsident Donald Trump (79) aggressiv seine territorial geprägte Standort- und Wirtschaftspolitik voran, was sich nicht nur in hohen Zöllen bemerkbar macht, sondern auch in erkennbarem Appetit auf die UBS, die weltweit grösste Vermögensverwalterin.
Mitten in diesem Getümmel steht Colm Kelleher. Der Ire ist eine Schlüsselfigur in der Auseinandersetzung um den Standort Schweiz.
Mit Bundespräsidentin Keller-Sutter in Rivalität verbunden
2022 übernahm er das Präsidium des Verwaltungsrats der UBS – die nur wenige Monate später, im März 2023, eine implodierende Credit Suisse übernahm. Das Ereignis machte Kelleher über Nacht zum mächtigsten Banker Europas – und die UBS mit ihrer rund 160-jährigen Geschichte endgültig zu einer G-SIFI, einer «global systemically important financial institution» (weltweit systemrelevante Bank). Die Bilder von der denkwürdigen Pressekonferenz am Abend des 19. März 2023, als der Bankenboss neben Finanzministerin Karin Keller-Sutter (61) sass, haben sich ins allgemeine Gedächtnis gebrannt.
Seither sind der Manager und die Magistratin einander in Rivalität verbunden. Keller-Sutter plant, der UBS eiserne Eigenkapitalvorschriften aufzuerlegen, weil sie um jeden Preis verhindern möchte, wie ihr Vorgänger Ueli Maurer (74) als verantwortliches Mitglied der Landesregierung in die Geschichte einzugehen, das sich von der Finanzlobby einlullen liess.
Eisbaden, Whiskey und Weltgeschichte
Kelleher ist ein an der Wallstreet geeichtes Schwergewicht, ein Wirtschaftskapitän mit weitem historischem Horizont. 1957 in Bandon, County Cork, als eines von neun Kindern in eine Arztfamilie hineingeboren, studierte er Geschichte in Oxford und arbeitete im Londoner Finanzsektor, ehe er beim Investment-Giganten Morgan Stanley anheuerte. Zu seinen Hobbys gehören Klavierspielen, Eisbaden und Whiskey. Er verschlingt Literatur über die Anfänge des Welthandels und die kulturelle Blüte des Vorderen Orients. Ausserdem ist er Gastprofessor für Finanzen an der britischen Loughborough University.
Bei Morgan Stanley machte sich Kelleher einen Namen als verlässlicher Dealmaker, der auch in hektischen Situationen besonnen blieb. Umso verdutzter muss er an jenem denkwürdigen Treffen der UBS-Führung mit dem Bundesrat am 1. April gewirkt haben. Gegenüber der Unternehmensspitze, die vergeblich darauf hinwies, dass die geplanten Eigenkapitalvorschriften die UBS in der internationalen Konkurrenz erheblich schwächen würden, bewies die Regierung nach seiner Darstellung null Verständnis. «Ich habe gegenüber den UBS-Aktionären eine Treuhandpflicht, und wir können keine Kernkapitalquote haben, die 50 Prozent höher ist als die unserer Wettbewerber», zitierte die irische Wirtschaftszeitung «Business Post» Kelleher in einem Artikel vom 2. November. Das sei «weder zielgerichtet noch verhältnismässig noch international konform».
Kelleher, Trump, Keller-Sutter und Bessent in den Hauptrollen
So gesehen, würde die «FT»-Story über Kellehers Austausch mit Bessent durchaus plausibel erscheinen – in Kellehers Umfeld heisst es jedoch einhellig, dies sei Mumpitz. Der wahre Kern der Angelegenheit ist demnach ein anderer: Kelleher und Bessent kennen einander seit einer Ewigkeit, aus gemeinsamen Wall-Street-Tagen. Kelleher hat etwa 20 Jahre lang in New York gelebt. Dass sich die beiden seitdem sporadisch begegnen, sei deshalb Courant normal. Schliesslich hätten sie auch zusammen Geschäfte gemacht: Zu Kellehers Morgan-Stanley-Zeiten war Bessent als Hedgefondsmanager sein Kunde. Überdies waren Colm und Scott in New York eine Weile Nachbarn.
Fest steht: Der Ire hat exzellente Beziehungen in US-Regierungskreise. Und wie Recherchen ergeben, hat Kelleher diese Kontakte auch genutzt, um – mit äusserster Diskretion – der Schweiz im Zollstreit beizustehen; unsichtbarer als das «Team Switzerland». Damit verweben sich die grossen aussenwirtschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart zu einem Komplex mit den Protagonisten Kelleher, Trump, Keller-Sutter und Bessent: Die Männer sind natürliche Gegenspieler der Bundespräsidentin – der US-Minister im Zollstreit, der UBS-Präsident in der Frage der Bankenregulierung. Im Seilziehen um tiefere Zölle jedoch wurde Kelleher zum heimlichen Verbündeten der Bundespräsidentin.
Die Angst vor einer Übernahme durch eine US-Bank
Dennoch – der Topbanker und Bundesbern haben sich entfremdet. Einer Bemerkung, er sei halt von der angelsächsischen Finanzwelt geprägt, widersprach Kelleher in einem Gespräch energisch: «I’m celtic!» Ich bin Kelte. Auch mit seiner Schweizer Wahlheimat identifiziert er sich wenig. Die Welle der Empörung, die ihm entgegenschlägt – sei es wegen Ermottis Lohn, wegen der Standortdiskussion oder wegen des «Too-big-to-fail»-Gesetzes – steht im kompletten Gegensatz zu seinem Selbstverständnis, sich für die Schweiz einzusetzen. Kellehers Job ist ein Balanceakt zwischen der helvetischen Politik mit ihren angestrebten strengen Regeln und aktivistischen Aktionären, die die Bank mit dem Wohlgefallen Washingtons in US-Händen sehen wollen.
Das letztere Szenario droht gemäss Kelleher und seinen Mitarbeitern bereits Anfang nächsten Jahres: Die erste Konsultationsperiode in der Grossbankenregelung, in der es um das Eigenkapital ging, ist abgeschlossen – nun geht es um die Kapitalisierung der ausländischen Beteiligungen. Nach dem Willen von Bundesbern müsste die UBS ihr Kernkapital um 24 Milliarden Franken erhöhen. Mit seinen Verordnungen könnte der Bundesrat die Experten zufolge ohnehin schon unterbewertete UBS-Aktie noch mehr belasten, so die Befürchtungen der Zürcher Bahnhofstrasse – mit dem Resultat, dass der Druck der Aktionäre noch weiter zunimmt und die Bank zur Beute für einen globalen Finanzriesen wird. Die Aussichten dafür, dass die US-Behörden eine solche Megafusion bewilligen würden, sind unter Trump jedenfalls gestiegen.
Unmut gegenüber dem Finma-Direktor
Finanzministerin Keller-Sutter sieht das freilich anders. Gegenüber «Le Temps» sagte sie diese Woche, die UBS habe «keinen Grund», das Land zu verlassen. Die Regelungen des Bundesrats, der Nationalbank und der Finma seien «absolut angemessen, um die Stabilität des Schweizer Finanzplatzes zu gewährleisten». Der Steuerzahler solle im Krisenfall «nicht erneut die Zeche zahlen müssen».
Kelleher hofft nach wie vor darauf, dass sich die Bank und der Staat letztlich einigen. «Ich möchte einen Kompromiss finden, aber wir können nicht um jeden Preis einen Kompromiss eingehen», zitiert ihn die «Business Post». Der Unmut am Zürcher Paradeplatz gilt in erster Linie dem deutschen Finma-Direktor Stefan Walter (60), der den harten Kurs von «KKS» wesentlich prägt.
Sicher ist: Wegzuggerüchte bringen der Bank keinen Vorteil. Im Gegenteil: Die anhaltende Unsicherheit ist Gift für das Vertrauen der Märkte. Durch eine Einigung mit dem Gesetzgeber könnte die dringend benötigte Ruhe einkehren – und die Bank in der Schweiz bleiben. Alles andere wäre laut CEO Ermotti sowieso «Bullshit».