Darum gehts
- Zwei Schweizerinnen wandern 16’000 Kilometer durch Europa und Asien
- Gastfreundschaft und kulturelle Erfahrungen prägen die vierjährige Reise
- 35 Paar Schuhe, vier Rucksäcke und AHV-Mindestbeiträge während der Wanderung
16'000 Kilometer, 35 Paar Schuhe, vier Rucksäcke, Entzündungen, Spinnen und Unwetter, aber vor allem unzählige Begegnungen voller Gastfreundschaft: Carol Frischknecht (35) aus Zuchwil SO und Jasmin Bühler (42) aus Biel BE machten sich im Juli 2021 auf eine Reise, die ihr Leben verändern sollte.
Blitzidee mit Langzeitwirkung
Die Idee kam dem lesbischen Paar spontan. Während der Pandemie sahen sie bei einer Wanderung im Schwarzwald ein Plakat des deutschen Langstrecken-Wanderers Stephan Meurisch (40), der ohne Geld von München nach Tibet gelaufen war. Sie kauften sein Buch und dachten: «Hey, komm, das machen wir auch – aber nicht ganz ohne Geld.»
Jasmin Bühler sagt: «Carol hat nur eine Nacht gebraucht, um Ja zu sagen.» Kurz darauf legten sie ihr Erspartes zusammen und zogen los. Zu Fuss.
Carol Frischknecht kündigte ihren Job bei ihrer Malerfirma: «Es ist ein familiäres Unternehmen, ich konnte problemlos gehen.»
Jasmin Bühler, deren Praxis für Ernährungsberatung während Corona gezwungenermassen wiederholt geschlossen bleiben musste, zog ebenfalls einen Schlussstrich.
Grenzerfahrung in Griechenland
Mit je drei T-Shirts, drei Paar Unterhosen, drei Paar Socken, zwei BHs, kurzen und langen Hosen, Pullover, Daunenjacke, Regenjacke, Zelt, und Schlafsack starteten sie ihre Wanderung.
In Griechenland erlebten sie ihre erste Grenzerfahrung. Der Abstieg vom Mytikas, einem Berg im Olymp, war ungesichert und steil. «Das haben wir unterschätzt», sagt Bühler. Auf dem Wegweiser war acht Stunden für fünf Kilometer angegeben. «Wir dachten, das sei ein Fehler», so Frischknecht. «Wir brauchten tatsächlich acht Stunden, ich hatte butterweiche Knie.»
Danach ging es auf den Balkan. Den Winter von Januar bis Mitte März 2022, verbrachten sie in Montenegro, mit Arbeit gegen Kost und Logis. Dann ging es weiter Richtung Osten. Über den Balkan, durch die Türkei, bis sie im Juni 2024 den Iran erreichten – ohne je ein einziges Verkehrsmittel benutzt zu haben.
«Wir mussten kämpfen, um draussen schlafen zu dürfen»
Ein lesbisches Paar, allein zu Fuss durch den Iran: Mit Respekt und Ungewissheit gingen sie an diese Etappe. Es folgte eine positive Überraschung.
«Der Iran ist ein unglaublich gastfreundliches Land», sagt Frischknecht. Die zwei wurden nonstop von Iranern nach Hause eingeladen. Sie sagt: «Manchmal mussten wir richtig kämpfen, um draussen schlafen zu dürfen.» Nach drei Monaten Iran sei die Gastfreundschaft manchmal fast zu viel gewesen.
Sie trugen Kopftücher, hielten sich an die Regeln, wussten, dass ihre Liebesbeziehung dort illegal ist. Jedoch hinterfragte niemand, wie sie zueinander standen. Wenn jemand nach ihren Ehemännern fragte, zeigten sie Fotos von Bekannten.
Zwischen Vipern und Vertrauen
Weiter östlich, in Pakistan, erlebten sie heikle Situationen. Da in Pakistan nur begrenzt eine freie Reise möglich ist, nahmen sie dort ein öffentliches Verkehrsmittel. «Wir fuhren in einem Bus auf einer der gefährlichsten Strassen der Welt, auf der ständig Fahrzeuge verunfallen», sagt Bühler. «Da waren wir etwas blauäugig, aber wir hatten Glück.»
Die kulturellen Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern seien gross gewesen, sagt Bühler. Doch zu Fuss habe man Zeit, dies zu begreifen. «Das Land verändert sich langsamer, und auch die Kultur. Man hat Zeit, sie aufzunehmen.»
Einmal begegneten sie einer Viper, die sich aufrichtete, aber nicht angriff. Blutegel und Mücken nervten, doch tatsächlich wurden sie in vier Jahren nie ausgeraubt, bedroht oder angegriffen. «Wir glauben fest daran, dass der Mensch im Grunde gut ist», sagt Frischknecht. «Unsere Reise war ein Beweis dafür.»
Der Weg ist das Ziel
Am 13. Februar 2025, nach vier Jahren und 16’000 gewanderten Kilometern, kamen sie in Nepal an. An ihrem Ziel genossen sie die Natur – und dokumentierten dies auf ihrem Youtube-Kanal und dem Blog «Zfuess».
Diesen Sommer waren sie zu Hause – aber nur vorübergehend. «Das Geld sollte noch für zwei Jahre reichen», sagen sie. Vor einer Woche kehrten sie zurück nach Nepal. Nun soll es weitergehen nach Indien – wieder zu Fuss.