Auf Berner Alp gestoppt
So erklären sich die «Nazi-Wanderer»

Eine Gruppe von 25 Männern in Wehrmachtsuniformen wurde von der Berner Kantonspolizei kontrolliert, nachdem sie das Wildhornmassiv durchquert hatten. Die Polizei forderte sie auf, die Nazisymbole abzulegen.
Publiziert: 08:28 Uhr
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Aktualisiert: vor 1 Minute
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Diese Männer sorgen für Wirbel.
Foto: SRF

Darum gehts

  • Gruppe in nachgestellten Wehrmachtsuniformen durchquert Wildhornmassiv in der Schweiz
  • Tragen von Nazisymbolen in der Schweiz derzeit nicht verboten
  • Gruppe bestand aus rund 25 Personen aus Europa und USA
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Eine Gruppe von rund 25 Männern hat laut Radio SRF in Wehrmachtsuniformen das Wildhornmassiv durchquert. Die Berner Kantonspolizei habe sie am Samstag oberhalb der Iffigenalp kontrolliert.

Bereits am Freitag seien entsprechende Hinweise bei der Polizei eingegangen, sagte Deborah Zaugg, Mediensprecherin bei der Berner Kantonspolizei, in der SRF-Sendung «Heute Morgen».

Tragen von Nazisymbolen in der Schweiz nicht verboten

«Die Gruppe bestand aus rund 25 Personen aus verschiedenen europäischen Ländern sowie aus den USA», sagte Zaugg. Die Polizei habe sie angewiesen, ihre Jacken mit Nazisymbolen auszuziehen, um mögliche Auseinandersetzungen mit Drittpersonen zu vermeiden.

Strafrechtliche Konsequenzen habe es nicht gegeben, da das Tragen von Nazisymbolen in der Schweiz derzeit nicht verboten sei. Die Polizei habe jedoch die Personalien aufgenommen.

«Der Däne war der Häuptling»

Die Gruppe hatte sich auf dem kleinen Campingplatz Hasenweide bei den Simmenfällen in der Lenk versammelt, wie ein Wanderer vor Ort beobachtete. Am Dienstag, 15. Juli, war als Erstes ein Wohnmobil aus Dänemark auf dem Campingplatz eingetroffen. «Der Mann trug einen Oberlippenbart und ein historisches Käpplein aus Baumwollstoff», sagt der Wanderer zu Blick. Der Mann kam nicht allein, sondern hatte seine Frau, ein Kind und eine ältere Frau mit dabei. «Der Däne war der Häuptling», vermutet der Wanderer.

Am nächsten Tag kamen dann Fahrzeuge aus verschiedenen Ländern, aber auch aus der Schweiz, etwa aus dem Kanton Waadt. Während längerer Zeit wurden dann im Verborgenen Kleider und Gegenstände ausgetauscht. «Die Männer standen vor ihren Autos», sagt der Wanderer. Darin hätten sich grosse Koffer befunden, über deren Inhalt verhandelt wurde. «Die Männer achteten darauf, die Waren gut zu verdecken», sagt der Wanderer. Er vermutet, dass Sammlerobjekte ausgetauscht wurden. «Besonders begehrt waren silbrige Tuben», sagt der Wanderer. Was in den unbedruckten Senftuben jedoch drin war, ist unklar.

«Sie sind noch in der Nacht abgefahren»

Mehrere Männer trugen historische Militärmützen, mindestens ein Mann bereits eine historische Militäruniform. «Darüber bin ich schon erschrocken», sagt der Wanderer. Hakenkreuze seien auf dem Campingplatz aber noch keine zu sehen gewesen. Später wurden schwere Rucksäcke gepackt. «Ich habe mich nicht getraut, Fotos zu machen», sagt der Wanderer, dem die Vorgänge auch wegen der offensichtlichen Geheimniskrämerei der Gruppe verdächtig vorkamen.

Die Gruppe baute auch Zelte auf. Vor einem grösseren Zelt wurden rund zehn Bergsteiger-Pickel in einem Halbkreis in den Boden gerammt. In den Zelten übernachtet haben die Männer jedoch nicht. «Sie sind noch in der Nacht abgefahren», erklärt der Wanderer.

Auf der Webseite der Gruppierung beschreiben sich die Männer als «apolitisch». Die Gruppenmitglieder kommen aus den USA und mehreren europäischen Ländern. Sie sind seit 2009 aktiv. Besonderes Augenmerk legen die fragwürdigen Wanderer auf ihre Uniform, die nach Vorgaben der «Heereshochgebirgsschule» von 1939 getragen werden soll. Ein 20-seitiges PDF-Dokument auf der Webseite erläutert präzise, wie die Kleidung getragen werden muss. Dabei geht es auch um die Hakenkreuz-Insignien.

«Gebirgsjägern Tribut zollen»

Die Aufmachung der Webseite deutet ausserdem darauf hin, dass die Männer eine Nachstellung von Gebirgsdivisionen der Wehrmacht beabsichtigen. Sie sprechen selbst von einem «reenactment event», also einer «Nachtstellungsveranstaltung». Es gehe bei dem Projekt darum, «allen Gebirgsjägern respektvoll Tribut zu zollen».

Einer der Teilnehmer bezeichnet es auch als Hobby und als «lebendige Geschichte». Und weiter: «Wir geben nicht vor, die Gebirgsjäger der 1930er Jahre zu repräsentieren.» Es gehe vielmehr darum, das damalige Klettern in grosser Höhe mit derselben Ausrüstung, derselben Umgebung und denselben alpinen Herausforderungen zu erleben. Er wolle «ein besseres Bild von den spezifischen Kletterbedingungen bekommen», so der Teilnehmer.

Eine der Bewerbungsrichtlinien für neue Bewerber betont ausdrücklich den «unpolitischen Ansatz» der Veranstaltung. Zudem wird, den Richtlinien nach zu urteilen, grossen Wert auf die physische Herausforderung gelegt.

Verbot wird diskutiert

Eine Mehrheit von Parteien, Kantonen und Verbänden will das Verwenden und Verbreiten von Nazisymbolen in der Öffentlichkeit verbieten. Die entsprechende Vernehmlassung zu einem Spezialgesetz des Bundesrates ist im März dieses Jahres abgeschlossen worden. Wer künftig dagegen verstosse, solle mit einer Ordnungsbusse von 200 Franken bestraft werden.

Verbieten will der Bundesrat nicht nur Hakenkreuz, Hitlergruss und SS-Runen, sondern auch Zahlencodes wie «18» und «88», die als «Adolf Hitler» oder «Heil Hitler» gelesen werden könnten. Wann solche Symbole strafbar sind, soll der Kontext entscheiden.

«Aktivistenwochenende» in Lenk BE

Bereits im Frühling machte das Berner Oberländer Simmental Schlagzeilen mit Rechtsextremen auf Durchreise. Ende April nutzte die «Junge Tat» den Sportplatz der Volksschule Lenk für ein «Aktivistenwochenende». Ein von der Gruppierung veröffentlichtes Video zu diesem Trainingslager zeigte junge Männer, die aufeinander losgingen.

Rund 40 Personen waren involviert, wie SRF damals berichtete. Die Gemeinde habe nichts vom Treffen gewusst, hiess es unter Berufung auf Gemeindepräsident René Müller. Die «Junge Tat» habe nicht um eine Bewilligung ersucht.

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