Arbeit für Ex-Häftlinge – Polizist Sandro Hofer kämpft für Integration
«Auch ich war einst froh um eine zweite Chance»

Blütenweisse Weste oder randvolles Strafregister – viele Arbeitgeber entscheiden sich aus nachvollziehbaren Gründen bei offenen Stellen für Bewerber ohne Vorstrafen. Eine Berner Baufirma macht nun aber das exakte Gegenteil und will so Fachkräfte an Land ziehen.
Publiziert: 20.04.2023 um 16:11 Uhr
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Diese beiden Männer wollen Ex-Häftlingen eine Chance geben und sie auf dem Arbeitsmarkt integrieren.
Foto: Luisa Ita
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Luisa ItaRedaktorin «Food»

Um seine Drogensucht zu finanzieren, wurde Nico Z.* (27) kriminell: Nach Dutzenden von Einbrüchen und insgesamt 4,5 Jahren Knast versucht er nun, in der Gesellschaft wieder Fuss zu fassen und sein Leben in den Griff zu kriegen.

«Ich will neu anfangen, doch das ist gar nicht so einfach», sagte er im Interview mit Blick. «Eine Wohnung oder einen Job zu finden, ist mit meiner Vergangenheit fast unmöglich.» Der forensische Psychiater Thomas Knecht (64) meinte auf Anfrage zu dieser Aussage: «Der Mann hat recht.»

Vom Problem-Jugendlichen zum Ausbildner

Sandro Hofer (43) ist dieses Problem bekannt. Der langjährige Polizist und ehemalige Kadermitarbeiter einer Berner Justizvollzugsanstalt hatte selbst keine «geradlinig verlaufende Jugend», wie er selbst sagt: «Ich war beispielsweise eine Zeit lang in einem Schulheim.» Doch irgendwann kriegte Hofer die Kurve und wurde Polizist. Um auch andere Menschen auf ihrem Weg zu unterstützen, studierte der einstige Problem-Jugendliche soziale Arbeit und lancierte gemeinsam mit dem befreundeten Bauunternehmer Benedikt Brönnimann (29), dessen Jugend ebenfalls etwas turbulent gewesen sei, das Projekt «UB Plus».

«Wir wollen beispielsweise entlassenen Strafgefangenen eine Stelle befristet auf mehrere Monate als Handlanger anbieten, damit sie bei uns in die Arbeitswelt hineinschnuppern und auch erste Referenzen auf dem Arbeitsmarkt sammeln können», erklärt Hofer. «Wir haben verschiedene Abteilungen: Die Menschen können daher auch etwas ausprobieren und herausfinden, welcher Job zu ihnen passen würde.» Eine Lehrstelle biete die Firma Umbau-Service AG in Bern zwar noch nicht an, jedoch habe man gute Verbindungen zu anderen Unternehmen in der Branche.

Ein Projekt im Kampf gegen den Fachkräftemangel

Ganz uneigennützig sei das Sozialprojekt nicht, führt Hofer weiter aus: «In der Baubranche herrscht Fachkräftemangel, das ist unbestritten. Und wir haben natürlich Hoffnung, dass wir auf diese Art neue Fachkräfte generieren können.» Die Idee: «Diese Menschen sammeln bei uns erste Erfahrungen, machen anderswo eine Ausbildung und werden zu Fachkräften.»

Dass vermutlich nicht aus jedem Ex-Häftling eine ausgewiesene Fachkraft wird, ist dem 43-Jährigen bewusst: «Wir wissen, dass die Arbeit mit Personen mit einem derartigen Hintergrund herausfordernd ist. Aber auch ich habe einmal Hilfe gebraucht, um auf den richtigen Weg zu gelangen – deswegen glaube ich, dass auch diese Menschen eine zweite, dritte oder vielleicht auch vierte Chance verdient haben.» Und wenn es nur eine von zehn Personen sei, der man langfristig helfen könne.

Harzige Kommunikation mit den Behörden

Nico Z. beschrieb im Interview mit Blick eindrücklich, wie seine Drogensucht ihn zum Klauen von Geld veranlasste. Darauf angesprochen, gibt Sandro Hofer zu Bedenken: «Die Kaffeekasse wurde uns auch früher schon mal geklaut. Und wer weiss, ob vielleicht auch andere Mitarbeiter an einer Drogensucht leiden? Während wir bei den regulären Angestellten im Normalfall keinen Strafregisterauszug verlangen, wissen wir von den Menschen, die wir im Rahmen dieses Projektes engagieren, über deren Hintergrund genau Bescheid.» Ausserdem würden die Personen von ihm sowie dem angehenden Arbeitsagogen Fabian Spicher (24) eng betreut.

Während es offenbar für Häftlinge schwierig ist, Arbeit zu finden – läuft das Sozialprogramm der Berner Baufirma eher harzig an: «Morgen haben wir ein Eintrittsgespräch mit einem jungen Mann, der uns von der Jugendanwaltschaft vermittelt wurde – ansonsten braucht die Kommunikation mit den Behörden aber enorm viel Zeit.» Man sollte meinen, Hofer renne mit seinem Angebot offene Türen ein – ganz so sei es jedoch nicht: «Es fehlt scheinbar einfach an Ressourcen, um sich von Behördenseite um solche Jobangebote zu kümmern.»

Dank Blick: Ex-Einbrecher hat Job-Angebote gekriegt!

Auch Nico Z. beklagte sich über mangelnde Unterstützung bei der Job-Suche durch die Behörden – dank Blick hat er nun jedoch zwei Job-Angebote gekriegt und ist überglücklich: «Am Freitag darf ich bei einer Firma schnuppern gehen!» Auch ein WG-Zimmer habe er nun gefunden, in das er Ende Monat einziehen dürfe: «Ich freue mich sehr!»

* Name geändert

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