Darum gehts
- Quantencomputer sind eine Gefahr für die Sicherheit des Bitcoins
- 6,7 Millionen Bitcoins mit einem Marktwert von 600 Milliarden Dollar gefährdet
- Die Angst vor dem Q-Day drückt bereits jetzt auf die Kurse
Ray Dalio ist einer der bekanntesten Hedgefonds-Manager der Welt. Vor einem Jahr verkaufte der 76-jährige Milliardär sämtliche Anteile an Bridgewater Associates, dem legendären Hedgefonds, den er vor 50 Jahren gegründet hatte. Doch Dalio ist weiterhin an den Finanzmärkten aktiv – und seine Einschätzungen machen Schlagzeilen. Vor kurzem sagte er in einem Interview auf CNN: «Das Problem mit dem Bitcoin ist, dass er keine Reservewährung für grosse Länder wird, weil er mit Quantencomputern möglicherweise kontrolliert und gehackt werden könnte.»
Bitcoin gehackt – das ist eine Sorge, die nicht nur Dalio umtreibt. Er selbst hat 1 Prozent seines auf über 15 Milliarden Dollar geschätzten Vermögens in der Ur-Kryptowährung angelegt. Inzwischen ist die Verunsicherung in der gesamten Kryptobranche spürbar. Der Tag, an dem die Quantencomputer in der Lage sein werden, komplexe Schutzmechanismen zu durchbrechen, hat bereits einen Namen – Quantum Day oder kurz: Q-Day.
Doch warum sind Quantencomputer ein Albtraum für den Bitcoin? Gold oder andere physische Wertspeicher können zur Not auch im Garten vergraben werden. Bitcoin dagegen ist letztlich eine Software. Kryptografische Verfahren sichern die Transaktionen ab und ordnen das Eigentum eindeutig zu. Zum Einsatz kommen dabei mathematische Schlüssel und digitale Signaturen.
Quantencomputer greifen genau diese digitalen Schlösser an. In der Theorie können sie bestimmte mathematische Probleme um Faktoren schneller lösen als heutige Supercomputer – und damit auch die digitalen Schutzschilde des Bitcoins durchlöchern. Techkonzerne wie Google oder IBM sorgen mit ihren Fortschritten in der Quantenforschung regelmässig für Aufsehen.
Niemand kann voraussagen, wann der Q-Day stattfindet. Für Nervenflattern sorgt, dass die Wundercomputer möglicherweise schon früher in der Lage sein könnten, die Codes zu knacken. Allein die Möglichkeit, dass Quantencomputer in ein paar Jahren dazu fähig sein könnten, wirkt wie ein Verkaufssignal. Eine angenommene Eintrittswahrscheinlichkeit von 20 Prozent bis 2030 mag abstrakt wirken. Doch für einen Wertspeicher, der Vermögenswerte in Milliardenhöhe absichert, ist das geradezu frivol hoch.
Der grosse Postraub wäre Peanuts
Der potenzielle Schaden ist immens. Laut dem Zuger Krypto-Dienstleister Bitcoin Suisse sind 6,7 Millionen Bitcoins mit einem Marktwert von 600 Milliarden Dollar gefährdet. Die gesamte Marktkapitalisierung von Bitcoin beträgt derzeit rund 1760 Milliarden Dollar. Es geht also um etwa 30 Prozent der gesamten Kapitalisierung der Ur-Kryptowährung. Gelingt es einem Angreifer, diese Coins zu kompromittieren, wäre das ein Coup der Superlative. Zum Vergleich: Beim «Great Train Robbery» von 1963 in England erbeuteten die Täter 2,63 Millionen Pfund – heute umgerechnet rund 80 bis 85 Millionen Franken.
Schon heute wird darüber diskutiert, wie das Netzwerk rechtzeitig auf quantensichere Verfahren umgestellt werden könnte, falls sich abzeichnet, dass die technologische Entwicklung schneller voranschreitet als erwartet. Bitcoin Suisse geht davon aus, dass sich die Kryptoszene bereits nächstes Jahr ernsthafte Gedanken machen wird, wie Bitcoin gegen Angriffe von Quantencomputern geschützt werden kann. Eine solche Umstellung ist allerdings alles andere als trivial.
Doch selbst wenn dies gelingen sollte, dürften trotzdem viele Bitcoins verloren gehen. Bitcoin Suisse schätzt, dass 1,7 Millionen Coins mit einem Marktwert von 150 Milliarden Dollar verloren sind, weil die Besitzer zum Teil ihre Schlüssel verloren haben oder weil sie zum sogenannten Ur-Wallet von Satoshi Nakamoto gehören. Letzterer gilt als Schöpfer der Währung – doch niemand weiss, wer er ist oder ob er überhaupt existiert.
«Extremes Vertrauensdefizit»
Wenn diese Coins in die Hände von Hackern fallen könnten, entstünde ein «extremes Vertrauensdefizit in Bitcoin als Wertaufbewahrungsmittel», schreiben die Bitcoin-Suisse-Autoren. Ein erfolgreicher Quantenangriff würde nicht nur Vermögen umverteilen. Er würde das zentrale Versprechen der Kryptowährung beschädigen: digitale Knappheit, Unantastbarkeit, mathematische Gewissheit. Vertrauen ist jedoch das eigentliche Fundament jedes Geldsystems – auch eines dezentralen wie Bitcoin.
Die Stärke von Bitcoin liegt in seiner Unveränderlichkeit. Genau diese Eigenschaft wird im Quantenzeitalter zur Schwäche. Die Abhängigkeit von wenigen kryptografischen Verfahren, begrenzte Upgrade-Mechanismen und die stark basisdemokratischen Entscheidungsstrukturen erschweren schnelle Anpassungen.
Die Angst vor dem Q-Day könnte erklären, weshalb langjährige Krypto-Investoren zunehmend ihre Bestände abstossen. Mehr als zwei Monate nach dem Rekordhoch von über 126’000 US-Dollar ist der Bitcoinpreis um fast 30 Prozent gefallen und findet nur schwer einen stabilen Boden. Blockchaindaten zeigen, dass vor allem Coins verkauft werden, die über viele Jahre gehalten wurden. Gleichzeitig nimmt die Aufnahmefähigkeit des Markts ab. In der Szene wächst die Sorge vor einem schleichenden Ausbluten des Markts.
Haben Sie Hinweise zu brisanten Geschichten? Schreiben Sie uns: recherche@ringier.ch
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