Darum gehts
- Büsingen: Deutsches Dorf in der Schweiz ist potenzielle Steueroase
- EOS Holding hat 15 Tochterfirmen in Büsingen
- Gemeinde erhält jährlich zwei Millionen Franken aus Schweizer Mehrwertsteuer-Rückerstattungen
Im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet liegt ein Dorf mit grosser Bedeutung: Büsingen am Hochrhein. Politisch gehört es zu Deutschland, geografisch ist es vollständig von Schweizer Staatsgebiet umgeben. Diese Exklave steht derzeit im Rampenlicht. Das «ZDF Magazin Royale» hat sie in einer aufsehenerregenden Recherche gemeinsam mit «Frag den Staat» als eine von 37 potenziellen «Steueroasen» in Deutschland identifiziert.
Büsingen erhebt keine Grundsteuer, also keine Steuer auf Grundbesitz. Das ist in Deutschland eine landesweite Ausnahme. Die Gemeinde kompensiert dies durch Rückerstattungen der Schweizer Mehrwertsteuer: Jährlich fliessen rund zwei Millionen Schweizer Franken in die Gemeindekasse. Eine Art Bonus für die Einwohner, die beim Einkaufen die Schweizer Mehrwertsteuer zahlen und mit dem Schweizer Preisniveau kämpfen.
Gleichzeitig gilt ein sehr niedriger Gewerbesteuer-Hebesatz von 290 Prozent – deutlich unter dem deutschen Durchschnitt. Der Hebesatz ist ein Prozentsatz, mit dem Gemeinden die Gewerbesteuer auf den Gewinn von Unternehmen erhöhen. Er ist ein zentraler Hebel im kommunalen Steuerwettbewerb.
Besondere Aufmerksamkeit erregt die EOS Holding, eine Schweizer Holdinggesellschaft mit Sitz in Lausanne, die hauptsächlich Beteiligungen an Energieversorgungsunternehmen hält. Der Westschweizer Energieversorger gehört zu Teilen unter anderem der Stadt Lausanne und den Industriellen Werken Genf. In Büsingen, an der Junkerstrasse 65, sind 15 Tochterfirmen der EOS Holding gemeldet, die etwa im deutschen Windkraftgeschäft mitmischen.
Wie die EOS Holding gegenüber dem «Südkurier» sagt, wählte man Büsingen 2011 «aus praktischen Gründen und wegen der Nähe», weil das Management regelmässig von Lausanne anreist. Gleichzeitig betont das Unternehmen: «Die operativen Gesellschaften werden lokal an ihrem Tätigkeitsort besteuert, daher ist die Besteuerung in Büsingen für die Gruppe kaum relevant.»
Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit spricht gegenüber dem «Südkurier» von Steueroptimierung: Gewinne könnten über Zinsen oder Mieten an einen Standort abfliessen, während negative Effekte wie Lärm, Flächenverbrauch und Infrastrukturkosten bei anderen Gemeinden anfallen.
Seit 2021 gilt die Regel, dass 90 Prozent des Gewinns an den Standort der Windräder fliessen sollen. Über interne Zahlungsströme liessen sich die Gewinne vorher drücken, so Trautvetter. Grosse Unternehmen und sehr reiche Privatpersonen würden davon profitieren. Dass sich mehrere Gesellschaften an einer Adresse bündeln, beobachte der Steuerexperte immer wieder.
Das Steueroasen-Verzeichnis von «ZDF Magazin Royale» und «Frag den Staat» zeigt ein deutschlandweites Muster: Minderheiten von Gemeinden setzen sehr niedrige Hebesätze, um Unternehmen anzulocken.
Oft sind es Vermögensverwaltungen, Holdings und Beteiligungsgesellschaften, die sich ansiedeln. Sie brauchen kaum Personal und verwalten zugleich enorme Summen. Solche Konstruktionen sind nicht per se illegal. Entscheidend sei, ob dort tatsächlich gearbeitet wird.
Die Kritik lautet: «In der Realität führt dieses Prinzip zu einem Unterbietungswettbewerb zwischen Gemeinden, bei dem Unternehmen profitieren und es einen klaren Verlierer gibt: die Allgemeinheit», heisst es im Steueroasen-Verzeichnis. Rund eine Milliarde Euro ginge den öffentlichen Kassen nach Schätzungen jedes Jahr durch Gewerbesteueroasen verloren.