Darum gehts
- Nicoletta della Valle eröffnet Café mit kostenlosem Beratungsangebot in Bern
- Ehemalige Fedpol-Chefin will mit Freiwilligenprojekt etwas zurückgeben
- Sie erhielt von Beat Jans eine Abgangsentschädigung von 340'000 Franken
Ihr Sek-Lehrer meinte, aus ihr werde nichts. Er sollte nicht recht behalten. Nicoletta della Valle (63) stieg nach mehreren abgebrochenen Studiengängen und einem doch abgeschlossenen Jus-Abschluss zur höchsten Polizistin der Schweiz auf. Über zehn Jahre lang war sie Direktorin des Bundesamts für Polizei (Fedpol) und kämpfte an vorderster Front gegen Mafia, Terror und organisierte Kriminalität.
Im Januar war Schluss: Sie hängte den Job an den Nagel – mit ihrem Chef Beat Jans (61, SP) soll es nicht gegeigt haben. Mit auf dem Weg gab ihr Jans eine Abgangsentschädigung in der Höhe von 340'000 Franken.
Ruhig blieb es auch danach nicht um sie. Dass sie nur wenige Monate nach Amtsende ein Beratungsmandat bei der israelisch-schweizerischen Investmentfirma Champel Capital angenommen hat, warf hohe Wellen.
Vom Polizeibüro ins Kaffeehaus
Nun hat della Valle eine weitere neue Aufgabe gefunden: Im Oktober eröffnet sie in Bern eine Cafébar: «Seit 30 Jahren spreche ich davon, dass ich eine Kaffeebar eröffnen will, nun tue ich es», sagt sie beim Besuch von Blick, während sie im Lokal noch Vorbereitungen für die Eröffnung trifft. Sie habe etwas gesucht, wo sie ihre Energie hineinstecken könne – und das in der Caffè Bar Sempre Berna gefunden.
Doch es handelt sich hierbei nicht nur um eine normale Bar: Vorne gibt es zwar Gipfeli, Snacks, Getränke und Apéro und im hinteren Bereich soll es ein Hilfsangebot geben. «Im Berufsleben sah ich, dass viele Leute Mühe haben mit Schreiben und Lesen», erzählt della Valle.
In der Cafébar sollen während der Öffnungszeiten immer bis drei Freiwillige anwesend sein, die gratis und spontan Beratungen und Hilfe anbieten. Das könnte beispielsweise Unterstützung beim Verfassen von Briefen an die Behörden oder einer Bewerbung sein. Termine für Hilfesuchende werden keine abgemacht und auch keine Daten von ihnen gesammelt.
Dafür hat della Valle bereits einen Pool von Freiwilligen gefunden: Von der pensionierten Theologin bis zum IT-Spezialisten seien verschiedene Experten vor Ort. Ihre Cafébar sei ein Freiwilligenprojekt durch und durch, sagt sie. «Wir alle arbeiten ehrenamtlich, ich will nichts verdienen mit dem Projekt», so die ehemalige Spitzenbeamtin. Ihr Ziel sei, das Café kostendeckend betreiben zu können.
«Ich will etwas zurückgeben»
«Ich weiss, wie privilegiert ich bin, ich will etwas zurückgeben», sagt sie zu ihrer Motivation. Seit sie das Lokal an der Berner Schwarztorstrasse instand stellt, habe sie bereits jemandem geholfen, der Ärger mit seinem Vermieter hatte. Sie arbeite mit der Quartierarbeit und Firmen zusammen, damit Hilfesuchende das Angebot finden. Die Freiwilligen werden die Ratsuchenden an vorhandenen Fachstellen in Bern verweisen, wenn sie selber nicht weiterhelfen können.
Sie sei nicht der Typ, der nichts machen könne, sagt della Valle. «Ich habe noch zu viel Zeit und Energie, um mich zurückzulehnen.» Diese Haltung, die sich auch in ihrem Beratungsmandat bei Champel Capital zeigt, hat inzwischen Parlamentarier in Bundesbern auf den Plan gerufen.
In der Fragestunde im Parlament machten Politikerinnen und Politiker von rechts bis links deutlich, dass sie das Mandat für problematisch halten.
Bundesrat Jans machte gegenüber den Parlamentariern in seiner Antwort klar, dass die ehemalige Direktorin nicht-öffentliche Informationen, die sie während der Anstellung beim Bund erfahren hat, nicht bekannt geben dürfe. «Amtsgeheimnisverletzungen werden strafrechtlich verfolgt», sagte er deutlich an die Adresse der Bernerin. Della Valle selbst möchte sich zu diesem Mandat nicht äussern.
Um ihren Rollenwechsel von der Verwaltung in die Gastronomie zu meistern, hat sie bereits ein Praktikum in einem Berner Restaurant absolviert: Als Tochter eines Italieners legt sie Wert darauf, einen authentischen Kaffee anbieten zu können.