Verzögerte Ausländer-Zulassung
Stau beim BAG verschärft Ärztemangel

Ausländische Ärzte müssen monatelang auf die Anerkennung in der Schweiz warten. Weil es mit der Digitalisierung hapert und weil der zuständigen Kommission im Bundesamt für Gesundheit Personal fehlt.
Publiziert: 10:35 Uhr
|
Aktualisiert: 11:28 Uhr
Teilen
Schenken
Anhören
Kommentieren
1/6
Die Spitäler beklagen einen Fachkräftemangel.
Foto: Keystone

Darum gehts

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
RMS_Portrait_AUTOR_374.JPG
Andreas SchmidInlandredaktor

Der Personalverantwortliche im Spital Bülach ZH, Manuel Portmann (53), erachtet die momentane Situation im Bundesamt für Gesundheit (BAG) als «unannehmbar». Seit Wochen wartet er darauf, dass der neue Chefarzt für die Orthopädie die Zulassung erhält, um in der Schweiz zu arbeiten. Der Spezialist aus Deutschland hat das Gesuch bereits vor geraumer Zeit gestellt, der Vertrag ist längst unterzeichnet – und der Neue sollte die Nachfolge seines Vorgängers, der im August pensioniert wird, bald antreten.

Doch das BAG ist weit im Rückstand mit der Bearbeitung von Anerkennungs- und Registrierungsgesuchen ausländischer Ärztinnen und Ärzte. Das Amt hat betroffenen Gesundheitsorganisationen, Spitälern und Universitäten kürzlich schriftlich mitgeteilt, dass sich die Anträge stauten, weil es personelle Ausfälle gegeben habe und die Digitalisierung der Prozesse noch nicht vollzogen sei. Der telefonische Support könne vorübergehend nicht mehr gewährleistet werden, schriftliche Anfragen blieben vier Wochen lang liegen.

Das BAG musste in seinem entschuldigenden Mail eingestehen, dass es selbst bis zur Eingangsbestätigung eines Gesuchs «derzeit rund zwei Monate dauert» und die weitere Bearbeitung «nochmals mehrere Monate in Anspruch nimmt». Bis Ende Jahr soll sich die Situation allerdings normalisieren. Bis dann soll sich die Bearbeitungszeit der Gesuche laut BAG auf maximal drei Monate reduzieren.

Trockener Schweizer Markt

Für Manuel Portmann vom Spital Bülach ist das ein schwacher Trost. Er verweist darauf, dass er bereits vor einem Jahr begonnen habe, eine Fachkraft für die Orthopädie-Leitung zu suchen. Weil er in der Schweiz nicht fündig wurde, beauftragte er eine spezialisierte Agentur, die in Deutschland und Österreich Ausschau hielt.

Dass der für die Stelle geeignete deutsche Interessent nun mehr als ein halbes Jahr warten muss, bis sein Anerkennungsgesuch bearbeitet wird und er die Zulassung erhält, stellt Portmann vor Probleme. Er wisse nicht, ob der Chefarzt wie geplant beginnen könne. «Dabei müssen wir den Betrieb in der Orthopädie aufrechterhalten, und der Neue hat unter anderem auch Assistenzärztinnen und -ärzte auszubilden.» Der Orthopäde selbst sei im Ungewissen, wann er die Stelle antreten könne, obwohl er sein Zuhause in Deutschland aufgeben und die Kinder aus der Schule nehmen muss.

Mangel spitzt sich zu

Die Hälfte der über 41'000 berufstätigen Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz stammen aus dem Ausland, die meisten aus Deutschland. Obwohl die Zahl der Studienplätze im Inland ausgebaut wurde und in den nächsten Jahren weiter erhöht werden soll, fehlen laut Prognosen bis 2040 rund 5500 Medizinerinnen und Mediziner. Doch bereits heute gelingt es vielen Spitälern und Praxen nicht, alle Ärzte-Stellen zu besetzen.

Umso gravierender wirkt sich der Rückstand bei der Prüfung von Gesuchen ausländischer Ärztinnen und Ärzte aus. Zuständig dafür ist die Medizinalberufekommission, die im BAG angesiedelt ist. Das Gremium begutachtet die Diplome europäischer Interessenten und bearbeitet deren Anträge. Die Kommission sei sich bewusst, dass die Verzögerungen für die Ärztinnen und Ärzte selbst, aber auch für Gesundheitseinrichtungen zu Schwierigkeiten führen könnten, sagt BAG-Sprecher Daniel Dauwalder. «Mit Hochdruck» arbeiteten die Verantwortlichen daran, das Problem zu lösen. Dafür stelle die Kommission temporär auch zusätzliches Personal an.

Ein unvorhersehbarer Anstieg an Gesuchen sowie die schleppende Digitalisierung – diese bereitete dem BAG schon während der Corona-Pandemie Probleme – nennt das Amt von Direktorin Anne Lévy (54) als weitere Gründe für den Bearbeitungsstau. Künftig, wenn das Digitalisierungsprojekt einmal umgesetzt sei, könnten die Gesuchsteller jederzeit den aktuellen Stand ihres Antrags einsehen, betont das BAG.

Erschwerter Marktzugang

Für den Ärzteberufsverband FMH sind die Verzögerungen «problematisch». Präsidentin Yvonne Gilli (68) sagt, da die Schweiz stark auf ärztliches Personal aus dem Ausland angewiesen sei, könnten Rückstände bei der Anerkennung «bestehende Engpässe zusätzlich verschärfen». Sie erschwerten den Zugang zum Arbeitsmarkt. Gilli zeigt aber auch Verständnis für die aktuelle Situation: Da jedes Gesuch individuell geprüft werden müsse, sei das Anerkennungsverfahren komplex. Dass solche Prozesse durch Personalausfälle und Digitalisierungsprobleme beeinträchtigt würden, findet Gilli «nachvollziehbar».

Die FMH-Präsidentin sagt, da die Schweiz als attraktives Land für Ärztinnen und Ärzte gelte, sei davon auszugehen, dass die meisten Interessierten eine gewisse Wartezeit in Kauf nähmen. Doch für die Arbeitgeber seien die langen Wartefristen «sicher bedauerlich».

Spardruck beim BAG

Sprecher Daniel Dauwalder weist darauf hin, dass das BAG bisher wegen verordneter Sparmassnahmen kein zusätzliches Personal anstellen konnte. Nun ändert sich dies ab August angesichts der angespannten Lage für eine befristete Zeit.

Das BAG sei sich bewusst, dass die Verzögerungen die Planung für Gesundheitseinrichtungen erschwerten und «möglicherweise» einen rechtzeitigen Stellenantritt von Fachpersonen verhinderten, räumt Dauwalder ein. Das BAG mache aber die Erfahrung, «dass Personen, die hier arbeiten wollen, dies auch tun, wenn sie drei Monate länger warten müssen.»

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?