Der Schweizer Impfplan ist gescheitert
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Versagen auf vielen Ebenen
Der Schweizer Impfplan ist gescheitert

Wir haben schon von einem sorgenfreien Sommer geträumt. Mehrere wirkungsvolle Impfstoffe sind entwickelt, die Corona-Impfung ist angelaufen. Aber es harzt an allen Enden und Ecken. Jetzt zeigt sich: Das Sommermärchen muss warten.
Publiziert: 27.01.2021 um 02:10 Uhr
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Aktualisiert: 26.02.2021 um 05:05 Uhr
Es klang zu schön, um wahr zu sein. Laut den Plänen von Gesundheitsminister Alain Berset und ...
Foto: Keystone
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Lea Hartmann, Daniel Ballmer und Pascal Tischhauser

«Bis Ende Juni ist die Schweiz geimpft», versprach Nora Kronig (40), Impfchefin beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) im BLICK. Doch der Impfplan ist nicht zu schaffen. Es gibt viel zu wenig Impfstoff, das IT-Impf-Tool des Bundes macht Probleme, und Kantone wie Thurgau und Bern kommen nicht aus dem Knick.

Kronig beteuert zwar, man halte am Zeitplan fest. Experten ausserhalb des BAG winken aber ab.

Viel zu lange zugewartet

Das Übel hat im Sommer seinen Lauf genommen. Verschiedene Staaten sicherten sich die Impfstoffe. Die Schweiz war nirgends. Und erst mit dem Bundesratsbeschluss vom 18. Dezember war es möglich, nicht zugelassenen Impfstoff zu importieren.

Da war Impf-Vorbild Israel längst weiter: Schon zwei Tage später wurde mit der Impfung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu (71) die weltweite schnellste Impfkampagne gestartet. In Israel war der Impfstoff längst bereit, und dank eines voll digitalisierten Gesundheitswesens impft der Staat rasant.

In der Schweiz kommt man nicht vom Fleck. Etwas mehr als zwei Impfdosen pro 100 Einwohner sind bis Sonntag verimpft worden. Besonders schleppend läufts in Bern und im Thurgau. Auch der Kanton Zürich kommt nicht in die Gänge. Die Erklärung: Die BAG-Aufstellung zeige, man habe weniger Impfdosen erhalten, als dem Kanton zustünden. Zürich fordert, man solle den Schlüssel veröffentlichen, nach dem der Bund die Impfdosen auf die Kantone verteilt.

Man müsste den «Game-Changer» bloss nutzen

Unbestritten ist, dass die Lieferverzögerungen des Impfstoffproduzenten Pfizer/Biontech Probleme bereiten. Mehrere Kantone mussten ihre Impftermine verschieben.

Auch der Astrazeneca-Impfstoff verspätet sich. In welchem Masse sagt das BAG nicht. Unklar bleibt auch, wie es mit einem weiteren Impfstoff aussieht: demjenigen von Johnson & Johnson (J&J). Die Schweiz ist schon lange in Verhandlung, wie Insider einen Bericht der «NZZ» bestätigen. In wenigen Tagen wird dessen Zulassung durch die Arzneimittelbehörde Swissmedic erwartet.

Bis dann sollte der Impfstoff nicht bloss gesichert, sondern auch geliefert sein. Nur so kann die Verteilung sogleich erfolgen. Die «NZZ» spricht beim J&J-Impfstoff von einem «Game-Changer». Denn von diesem Impfstoff muss bloss eine Dosis gespritzt werden.

Laut Gössi sind wir erst im Herbst geimpft

Doch die Kantone müssten in die Gänge kommen, damit er wirklich zum «Game-Changer» wird. Das bezweifelt die FDP-Chefin Petra Gössi (45), weshalb sie auch nicht an den Fahrplan glaubt, der im Departement von Alain Berset (48) aufgegleist wurde: «Es lässt sich recht einfach ausrechnen, dass der Impfplan des Bundes nicht aufgeht.» Es müsse darum auf allen Ebenen mehr getan werden, um bis im Sommer alle impfen zu können, die das wollen

Gössi betont, der Bund und die Kantone müssten bei der Impfstoff-Beschaffung, der Verteilung und der Verabreichung des Impfstoffs Gas geben. Falls ein Kanton «Unterstützung durch die Armee benötigt, sollte er diese bekommen», sagt sie. Und: «Die Sanitäter in unserer Armee lernen das Spritzengeben ja nicht umsonst. Wenn die Impfungen nicht schneller voranschreiten, wird es Herbst, bis genügend Leute durch den Impfstoff geschützt sind.»

Branche versteht den Bund nicht

Der Geschäftsführer von Interpharma, René Buholzer, freut sich zwar über den Erfolg der Forschung, so schnell mehrere Impfstoffe mit hoher Wirkung zu haben. Doch weil Forschung und Produktion von Medikamenten sowie Impfungen hochkomplex seien, müsse man immer wieder Rückschläge hinnehmen. Darum sollte möglichst breit Impfstoff beschafft werden. Vor allem müsse man Impfstoffe, die bei Swissmedic bereits in der rollenden Prüfung sind, gleich beschaffen. Denn: «Wir haben bei Pfizer/Biontech gesehen, dass ein einmal zugelassener Impfstoff sofort heiss begehrt ist.»

Mit anderen Worten: Die Pharma-Branche versteht nicht, weshalb der Bund nicht längst bei J&J zugegriffen hat. Buholzer: «Covid kostet Menschenleben und kann teils massive Langzeitfolgen haben.» Und der Lockdown sei teuer und könne negative Folgen für die Psyche der Menschen haben. «Mit Blick darauf lohnt sich die Investition in Impfstoffe.»

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