Trotz Milliardenumsatz - neues Werk subventioniert
Rolex-Konzern kassiert Millionen-Steuergeschenk

Der Rolex-Konzern erhält Steuererleichterungen für den Neubau eines Tudor-Werks im Neuenburger Jura. Denn dieser gilt als strukturschwach. Es geht um Millionen, doch Rolex sagt kein Wort dazu.
Publiziert: 11.07.2025 um 00:30 Uhr
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Aktualisiert: 11.07.2025 um 09:44 Uhr
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Für den Neubau von Tudor/Kenissi in Le Locle (NE) gewährte der Bund Steuererleichterungen.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Rolex-Tochter Tudor erhält Steuergeschenk für neue Uhrenfabrik im Jurabogen
  • Steuererleichterungen für strukturschwache Regionen sind umstritten, aber potenziell entscheidend für Neuansiedlungen
  • Seit 2016 hat der Bund 40 Steuererleichterungen genehmigt, 1573 neue Arbeitsplätze soll dies gebracht haben
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Lucien FluriCo-Ressortleiter Politik

Wenn es eine Region gibt, die Weltruhm in der Uhrenproduktion geniesst, dann ist es der Schweizer Jurabogen. Zwischen Genf und Grenchen SO wird ein Grossteil der prestigeträchtigsten Uhren produziert: von Rolex über Omega bis zu Breitling und Breguet.

Wo, wenn nicht hier, sollte der Milliardenkonzern Rolex eine neue Fabrik errichten, um Werke für die Tochtermarke Tudor zu bauen? Hier beherrscht man die Kunst hochpräziser Feinmechanik. Hier finden sich die nötigen Facharbeiter. Hier gilt Swiss Made.

Kein Wunder, baute Tudor 2022 in Le Locle NE eine neue Produktionsstätte – gemeinsam mit dem Uhrwerkhersteller Kenissi, der von Tudor gegründet worden war. 

Rolex will sich nicht äussern

Die Investition wurde zu einer Erfolgsgeschichte: Die Kenissi-Manufakturwerke gelten in der Branche als technisch hervorragend und finden sich inzwischen auch in Breitling- oder Chanel-Uhren. Auch Tudor, lange Zeit «nur» die günstige Rolex-Tochtermarke, legte kräftig zu.

Was bisher niemand beachtete: Das neue Tudor-Werk wird vom Steuerzahler subventioniert. Denn Tudor und Kenissi erhielten ein Steuergeschenk, als sie das Werk bauten. Dies zeigen Dokumente des zuständigen Staatssekretariates für Wirtschaft (Seco) von Bundesrat Guy Parmelin (65). 

Um wie viel Geld es bei den gewährten Steuererleichterungen geht, will man weder in Bundesbern noch bei Rolex in Genf sagen. Dies fällt unter das Steuergeheimnis. Klar ist: Pro neu geschaffenen Arbeitsplatz gibt es maximal 95’000 Franken Steuerrabatt vom Bund.

Rund 300 Personen arbeiteten 2022 in den Tudor- und Kenissi-Werken. Damit könnten, sehr grob geschätzt, bis zu 28,5 Millionen Franken Erleichterung gewährt worden sein. 

Gab es eine andere Wahl als die Schweiz?

Schätzungsweise 10,1 Milliarden Franken hat Rolex 2024 umgesetzt, deutlich mehr als alle anderen Schweizer Uhrenhersteller. Den Gewinn behält das Unternehmen geheim, doch klar ist: Das Geschäft boomt, Rolex wuchs in den letzten Jahren kräftig, die Wartezeiten für gewisse Modelle sind lang. 

Warum braucht es da für das Werk einer Rolex-Tochter Steuererleichterungen? Denn im Gegensatz zu internationalen Konzernen hat eine Uhrenmarke, die von der Swissness lebt, keine andere Wahl, als in der Schweiz zu produzieren. Hinzu kommt: Swatch-Konzernboss Nick Hayek (70) hatte auf 2020 hin den Verkauf seiner sehr beliebten ETA-Uhrwerke an Drittmarken gestrichen. Auch Tudor war betroffen – und musste handeln. 

Auch Pharmariese erhielt Steuergeschenk

Auch der Arzneimittelhersteller CSL Behring erhielt Steuererleichterungen, als er in Lengnau BE ein neues, 2021 eröffnetes Werk baute. Auch hier setzte der Konzern auf eine Gegend, die als Medtech-Cluster bekannt ist, ein Ort, an dem es Fachkräfte gibt. Trotz der guten Lage in der Agglomeration Grenchen-Biel gilt Lengnau als strukturschwache Gemeinde, deshalb bestand ein Anrecht auf Steuererleichterungen. 

Welche Faktoren auch entscheidend sind

Wie viele Arbeitsplätze geschaffen wurden oder wie hoch die Steuererleichterungen ausfielen, teilt CSL Behring nicht mit. Der Biotech-Konzern betont auf Anfrage von Blick aber, man habe seit 2015 «signifikante Investitionen getätigt» und eine Vielzahl von Arbeitsplätzen geschaffen. Die Steuererleichterungen hätten beim Standortentscheid «eine unterstützende, aber nicht allein ausschlaggebende Rolle» gespielt. Schlüsselfaktoren für den gewählten Ort seien die Nähe zu einem bestehenden Standort in Bern gewesen, vorhandene Fachkompetenz, die Verfügbarkeit einer grossen Industriefläche und die gute Erreichbarkeit.

Auch der Arzneimittelhersteller CSL Behring erhielt Steuererleichterungen, als er in Lengnau BE ein neues, 2021 eröffnetes Werk baute. Auch hier setzte der Konzern auf eine Gegend, die als Medtech-Cluster bekannt ist, ein Ort, an dem es Fachkräfte gibt. Trotz der guten Lage in der Agglomeration Grenchen-Biel gilt Lengnau als strukturschwache Gemeinde, deshalb bestand ein Anrecht auf Steuererleichterungen. 

Welche Faktoren auch entscheidend sind

Wie viele Arbeitsplätze geschaffen wurden oder wie hoch die Steuererleichterungen ausfielen, teilt CSL Behring nicht mit. Der Biotech-Konzern betont auf Anfrage von Blick aber, man habe seit 2015 «signifikante Investitionen getätigt» und eine Vielzahl von Arbeitsplätzen geschaffen. Die Steuererleichterungen hätten beim Standortentscheid «eine unterstützende, aber nicht allein ausschlaggebende Rolle» gespielt. Schlüsselfaktoren für den gewählten Ort seien die Nähe zu einem bestehenden Standort in Bern gewesen, vorhandene Fachkompetenz, die Verfügbarkeit einer grossen Industriefläche und die gute Erreichbarkeit.

Antworten auf die Fragen von Blick gibt es nicht. Rolex teilt mit, man kommentiere die Anfrage nicht. Der Bund sagt: «Die Profitabilität eines Unternehmens ist kein Kriterium», ob jemand Steuererleichterungen erhält. «Steuererleichterungen bieten insbesondere für kleinere, struktur- und finanzschwache Kantone sowie für periphere Gebiete ein wichtiges Argument in der Standortförderung.» 

Wie sinnvoll ist die Regionalpolitik noch?

Rund 500 Gemeinden in der Schweiz gelten als strukturschwach. Bei diesen gewährt der Bund Steuererleichterungen, wenn eine Firma neue Arbeitsplätze schafft oder bestehende durch eine Neuausrichtung erhalten kann. 

Seit 2016 hat der Bund 40 Steuererleichterungen genehmigt. Damit habe man mitgeholfen, 1573 Jobs zu schaffen und 3824 bestehende Arbeitsplätze zu sichern, schreibt das Seco auf Anfrage von Blick. Es gehe um Investitionen von rund 2,8 Milliarden Franken. Für die betroffenen Regionen sei dies «bedeutsam». 

Der Nutzen ist unter Ökonomen zwar umstritten. Grundsätzlich habe sich aber gezeigt, dass Steuererleichterungen bei Neuansiedlungen «in gezielten Einzelfällen den entscheidenden Unterschied machen» können, so das Seco. «Dies gilt insbesondere auch im internationalen Standortwettbewerb, da Mitgliedstaaten der EU vergleichbare Instrumente anbieten.»

Effekt belegt, dennoch droht Abschaffung

Eine Studie des Seco hat aber gezeigt, dass in strukturschwachen Gemeinden, in denen Steuererleichterungen gewährt wurden, die Zahl der industriellen Arbeitsplätze weniger zurückgegangen ist als in vergleichbaren Gemeinden. 

Für ganz so bedeutend scheint man das Mittel der Steuererleichterungen in Bern dennoch nicht zu halten, zumindest auf Bundesebene. Der Bundesrat will diese Steueranreize im aktuellen Sparpaket nämlich streichen.

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