Darum gehts
- Schuhhersteller On verwendet Schweizerkreuz trotz Produktion in Asien
- Seit Jahren schwelt deshalb ein Streit mit den Schweizer Aufsichtsbehörden
- Jetzt eskaliert der Streit: Aufseher haben On in China an den Pranger gestellt
Das Herz des Schuhherstellers On schlägt in der Schweiz: Hier wurde die Sportartikel-Marke lanciert, hier steht ihr Hauptsitz. Für viele ist On eine Schweizer Erfolgsgeschichte: Erst 2010 gegründet, wurde die Firma innert Kürze weltbekannt – und erzielt inzwischen einen Milliardenumsatz. Über 1100 Angestellte arbeiten in Zürich, die Schweizer Tennis-Ikone Roger Federer (44) gehört zu den Investoren.
Dennoch stellt sich die Frage: Darf On das Schweizerkreuz verwenden oder nicht? Denn produziert wird schon längst in Asien, wie dies in der Textilbranche üblich ist.
Seit Jahren schwelt deshalb ein Streit zwischen On und der Vereinigung Swiss Enforcement. Sie besteht aus Vertretern des Bundes und der Wirtschaft – und muss die Swissness-Regel durchzusetzen, beziehungsweise Missbräuche im Ausland verhindern. Derzeit droht der Konflikt zu eskalieren, wie Blick weiss. Am Ende geht es um eine grosse Frage: Was bedeutet Swissness noch?
Doch der Reihe nach: Die Swissness-Aufseher sind seit Jahren überzeugt: On darf das Schweizerkreuz auf seinen Schuhen nicht verwenden!
Sie stützen sich auf die Swissness-Regeln. Bei Industrieprodukten müssen demnach 60 Prozent der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen. Aus Sicht der Aufseher surft On unberechtigt auf der Swissness-Welle und profitiert trotz günstiger Produktion im Osten vom Schweiz-Bonus.
Ganze Forschung in der Schweiz
On dagegen vertritt eine andere Haltung: Schliesslich wird das rot-weisse Schweizerkreuz nur zusammen mit dem Schriftzug «Swiss Engineering» verwendet. Man beruft sich auf einen Abschnitt im Gesetz, wonach Swissness-Angaben zu Design oder Forschung erlaubt sind, wenn diese komplett in der Schweiz stattfinden. Und immerhin befindet sich die ganze Entwicklungs- und Forschungsabteilung mit 300 Arbeitsplätzen in Zürich.
Zu einer Einigung kam es im Streit bisher nicht, aber auch nicht zu einem Gerichtsfall. Es gab lediglich ein Zugeständnis der Firma: On verwendete das Schweizerkreuz in der Schweiz nicht mehr. Im Ausland blieb es jedoch auf den Sportschuhen. Denn dort haben die Behörden auch kaum Möglichkeiten, die Schweizer Gesetze durchzuboxen.
On erhielt Post aus China
Nun aber wird der Konflikt mit härteren Bandagen geführt. In den letzten Monaten haben die Swissness-Aufseher die Schraube angezogen. Bis Ende August gaben sie On Zeit, eine Lösung zu präsentieren. Doch noch während diese Frist lief, haben die Swissness-Aufseher den Schuhhersteller bereits bei den Behörden in China angeschwärzt.
Dort ist man zumindest bei der chinesischen Marktaufsicht vorstellig geworden: Ein Rechtsvertreter sollte bei den chinesischen Wettbewerbsbehörden eine Vorabklärung treffen, «unter welchen Voraussetzungen nach chinesischem Recht die Verwendung des Schweizerkreuzes auf Produkten nicht-schweizerischer Herkunft erlaubt sei».
Das zuständige Institut für geistiges Eigentum betont auf Anfrage, nie direkt gegen On in China tätig geworden zu sein. Auch Swiss Enforcement betont, in China kein Verfahren eingeleitet zu haben.
Die Anfrage allein hatte offenbar dennoch Auswirkungen: On hat bereits Post von den chinesischen Behörden erhalten, ein Verfahren droht. Dies zeigt ein breit gestreuter Briefwechsel zwischen On und den Swissness-Aufsehern, zu dessen Adressaten auch weitere Wirtschaftsvertreter, Botschafter und gar Bundesräte gehörten. Die Schreiben liegen Blick vor.
Insider fragen sich, ob die Swissness-Aufseher bei den Chinesen nicht schlafende Hunde geweckt haben könnten. Denn die dortigen Behörden könnten nun auch bei anderen Schweizer Firmen die Verwendung des Schweizerkreuzes überprüfen, so die Sorge.
Bundesräte wussten vom Vorgehen
Brisant: Die China-Aktion gegen ein Schweizer Unternehmen mitzuverantworten hat als stellvertretender Swiss-Enforcement-Präsident nicht nur ein Direktionsmitglied des Instituts für geistiges Eigentum. Als Präsident führt ein Vertreter des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse den Streit mit On an. Blick weiss: Auch drei Bundesräte erhielten Kenntnis vom Briefwechsel. Offenbar haben sie ihre Behörde nicht zurückgepfiffen.
Bei On reagiert man auf Anfrage verärgert. «Das Agieren von Swiss Enforcement und dem Institut für geistiges Eigentum in China ist ein einmaliger Vorgang, der wie ein Schildbürgerstreich anmutet: Ein Schweizer Unternehmen wird von einem privaten Verein mithilfe einer Schweizer Behörde gezielt im Ausland denunziert», heisst es.
Die Firma will den Streit nicht in China austragen. Sie strebt die Klärung vor den Schweizer Gerichten an. Swissness Enforcement will mit Rücksicht auf ein am Mittwoch stattfindendes Gespräch mit On keine Stellung nehmen. Man wolle den guten Dialog mit On «mit weiteren Stellungnahmen unsererseits nicht torpedieren».
Müsste man Swissness anpassen?
Eine grundsätzliche Frage bleibt: Wie zeitgemäss ist die aktuelle Swissness-Regel noch? Klar ist: Für die Uhrenindustrie oder die Schokoladenhersteller ist sie Gold wert. Das Qualitätslabel Swiss made hebt die Schweizer Produkte von günstigen Nachahmern im Ausland ab.
On aber stellt im Briefwechsel die heutige, auf die Industrieproduktion zugeschnittene Regelung infrage. Für die Schweiz werde es immer wichtiger, innovativ zu sein. Werde Innovation als Treiber des Schweizer Wachstums und als Swissness-Faktor nicht genügend berücksichtigt, drohe ein «politisches und wirtschaftliches Eigentor».