«Sind so nicht überlebensfähig»
Chef von SBB Cargo schlägt Alarm

SBB Cargo, die Transport-Tochter der SBB, fährt seit Jahren hohe Verluste ein. Nun schlägt ihr Chef Alarm. Wenn das Geschäft nicht umgebaut werde, sei es nicht mehr überlebensfähig. Eine Million Lastwagenfahrten gäbe es dann mehr. Inzwischen gibt es auch Geld vom Staat.
Publiziert: 12:08 Uhr
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Aktualisiert: vor 22 Minuten
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Ein Mann der klaren Worte: Alexander Muhm, seit 2023 Chef von SBB Cargo. Sein Geschäft hält er in der aktuellen Form für «nicht überlebensfähig».
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Hohe Verluste, veraltetes Material, ein Schuldenberg: SBB Cargo ist das Sorgenkind der SBB
  • Drastische Massnahmen: Schliessungen, Stellenabbau und Preiserhöhungen geplant
  • Cargo-Chef Alexander Muhm warnt: Der Betrieb sei in der heutigen Form «nicht überlebensfähig»
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Lucien FluriCo-Ressortleiter Politik

Alexander Muhm (48) wählt dramatische Worte. Der Chef von SBB Cargo sieht die Zukunft des Gütertransports auf der Schiene düster. «Wenn wir jetzt nicht handeln, müssen wir einstellen. Das bedeutet: über eine Million Lastwagenfahrten mehr auf den bereits jetzt verstopften Autobahnen.» Dies schrieb er auf der Plattform Linkedin.

Muhms Fazit: «Der schienengebundene Güterverkehr in seiner heutigen Form ist nicht überlebensfähig.» Trotz grossem Angebot und niedriger Preise sei das Volumen in den letzten Jahren um 30 Prozent eingebrochen. «Wir fahren Jahr für Jahr rund 80 Millionen Minus ein und haben heute 1,3 Milliarden Franken Schulden.» Der Güterverkehr müsse deshalb grundlegend transformiert werden.

Hochdefizitär und veraltet

Was steckt dahinter, wenn der Chef so drastische Worte wählt? Muhm ist zwar bekannt für ein forsches Auftreten und deutliche Worte (er bezeichnete sich aufgrund des alten Materials auch schon als «Museumsdirektor»). Tatsächlich sind die Probleme riesig. Der Güterbereich der SBB steckt in einer schweren Krise:

  • Allein im letzten Jahr fuhr die Sparte 76 Millionen Franken Verlust ein. Von den drei Bereichen der SBB Cargo ist nur einer rentabel, nämlich der Ganzzugsverkehr durch die Schweiz.
  • 81 Millionen Franken minus machte dagegen die Sparte mit dem komplizierten Namen «Einzelwagenladeverkehr». Dort holen die SBB einzelne Wagen bei den Kunden ab, setzen diese zu Zügen zusammen und fahren sie an den Bestimmungsort.
  • Doch auch der kombinierte Verkehr – dort bringen Lastwagen die Container oder Aufleger an SBB-Terminals und holen sie andernorts ab – machte im letzten Jahr bei 18 Millionen Franken ein Minus von 12 Millionen.

Muhm, ursprünglich Österreicher und Architekt, soll seit 2023 SBB Cargo auf Vordermann bringen, nachdem er zuvor die Immobiliensparte der SBB geleitet hatte. Inzwischen hat er durchgegriffen: Acht Verladeterminals wurden geschlossen, der Fokus liegt beim Containerverladegeschäft nun nur noch auf der gefragten Nord-Süd-Achse. 65 Stellen sind weg. 2027 könnten die Depots in Buchs AG, Chiasso TI und Brig VS geschlossen werden.

Bund finanziert, Preise für Kunden steigen

Noch offen ist der Ausgang bei einer weiteren heiklen Massnahme: SBB Cargo hat angekündigt, dass die Preise für die Kunden im Schnitt um 20 Prozent steigen sollen. Nur gut ein Dutzend grosse Kunden sorgen für 70 Prozent des Umsatzes. Wie viel mehr sie zahlen und ob sie an Bord bleiben, ist offen. «Zu den Verhandlungen können wir nichts sagen, da diese noch am Laufen sind», sagt SBB-Sprecher Moritz Weisskopf zu Blick.

Inzwischen ist klar: Auch der Bund schiesst Geld ein. Die Anbieter im Einzelwagenladeverkehr erhalten zwischen 2026 und 2029 260 Millionen Franken Unterstützung, für die Verlader gibts ab 2026 50 Millionen Franken Umschlags- und Verladebeiträge pro Jahr. Und für neue Systeme zum automatischen Kuppeln der Wagen wird die öffentliche Hand bis zu 180 Millionen Franken ausgeben.

Es gibt einfachere Jobs als denjenigen Muhms. Der Stellenabbau sorgt für Negativschlagzeilen, der Güterverkehr auf der Schiene ist aus Klimagründen auch ein politisch heikles Dossier. Von den Gewerkschaften erhielt er wegen seiner Kürzungsentscheide bereits eine Bremssohle, von Pro Alps, der früheren Alpeninitiative, bekam er einen Schmähpreis, weil er die Verlagerung von der Strasse auf die Schiene torpediere. Um klare Worte sind auch Muhms Gegner nicht verlegen.

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