Darum gehts
- Rollende Landstrasse stellt Betrieb ein, mehr LKWs am Gotthard erwartet
- Verlagerung des Gütertransports von Strasse auf Schiene stockt aktuell
- 960’000 Lastwagen fuhren 2024 durch die Alpen, 44’000 mehr als zuvor
Ausgerechnet dann kam diese Nachricht! Ausgerechnet als der Nationalrat diskutieren wollte, wie Uri vom Verkehr und vom Stau am Gotthard entlastet werden kann. Ausgerechnet da platzte eine Nachricht wie eine kleine Bombe herein: Die Rollende Landstrasse (Rola) stellt den Betrieb ein.
Schon Ende 2025 ist Schluss, wie die Betreiber vergangene Woche mitteilten: Dann transportiert die zuständige Firma keine Camions mehr per Bahn vom deutschen Freiburg in Richtung Italien. Trotz Bundesmillionen ist das Projekt nicht rentabel genug.
72’000 Lastwagen transportierte die Rola im letzten Jahr durch die Alpen – und hielt sie von den Schweizer Strassen fern. Nun dürften nochmals mehr LKWs am Gotthard unterwegs sein. Das torpediert die Politik der Verlagerung von der Strasse auf die Schiene, die die Schweizerinnen und Schweizer sogar in ihre Verfassung geschrieben haben.
Die Verlagerung stockt
Neueste Zahlen zeigen: Die Verlagerung stockt. Seit 2022 ist der alpenquerende Gütertransport auf der Schiene rückläufig. Die Konjunktur, hohe Kosten und Probleme auf dem deutschen Schienennetz sorgen für einen Rückgang der Schienentransporte. 25,7 Millionen Tonnen wurden 2024 transportiert, eine Million Tonnen weniger als im Jahr zuvor.
Es ist ein Dämpfer für ein Schweizer Vorzeigeprojekt: Die Neat war ein Jahrhundertvorhaben. Tunnel wurden am Gotthard, Lötschberg und zuletzt am Ceneri gebaut, das Schienennetz aufgerüstet, viel Geld investiert, um die Lastwagen von den Strassen wegzubringen.
Doch aktuell steigt die Zahl der Lastwagen wieder, die durch die Alpen fahren: 960’000 waren es 2024, 44’000 mehr als im Jahr zuvor. Nicht mehr realistisch scheint das einstige Ziel, dass nur noch 650’000 Lastwagen die Alpen durchqueren.
Deutschland bremst die Schweiz aus
Woran hapert es? Ein Grund: Baustellen und Streckensperrungen in Deutschland, Italien und der Schweiz. Sie haben für weniger Zuverlässigkeit gesorgt. Bestehende Kunden springen ab – neue kommen nicht. Gerade die marode deutsche Infrastruktur bremst die Schweiz aus. Der Bund schreibt: «Massive Zunahmen von Unregelmässigkeiten im Infrastrukturbetrieb, insbesondere auf den deutschen Zulaufstrecken zur Schweiz, bergen das Risiko dauerhafter Rückverlagerungen auf die Strasse.»
Ein weiteres Problem: Die Strecke Karlsruhe–Basel sollte eigentlich auf vier Gleise ausgebaut werden. Doch Deutschland macht nicht vorwärts, das Nadelöhr am Rhein bleibt. Erst Mitte der 2040er-Jahre dürfte gebaut sein.
Zudem läuft die Konjunktur nicht mehr so gut, das bremst die Verlagerung weiter. Und neues Ungemach droht der Verlagerungsstrategie durch Preiserhöhungen bei SBB Cargo.
Mitte-Präsident Gerhard Pfister (62) ist deshalb gerade im Parlament aktiv geworden. Er, der auch Präsident des betroffenen Zementverbandes ist, wirft den SBB «teils unverhältnismässige Preiserhöhungen innert kürzester Zeit» vor. Der Zuger Nationalrat warnt vor «verkehrspolitisch dramatischen Folgen»: weniger Schienentransporte, mehr CO2-Ausstoss.
Immerhin 800’000 Lastwagen Unterschied
Was sagt der Bund dazu? Zumindest mittel- und langfristig ist man zuversichtlich, dass die Zahlen wieder besser werden. Nach wie vor sei die Verlagerungsstrategie ein Erfolg, betont das Bundesamt für Verkehr: 70 Prozent beträgt der Schienenanteil beim Gütertransport durch die Alpen. Das ist deutlich mehr als in Frankreich oder Österreich. «Ohne die umgesetzten Massnahmen würden heute pro Jahr rund 800’000 LKW mehr über die Alpenübergänge in der Schweiz fahren», so das Bundesamt.
Der Bund will nun Gegensteuer geben: Zusammen mit Frankreich will er die Bahnlinie auf der linken Rheinseite ausbauen, damit mehr Züge auf die Neat-Achse gelangen. Und einen Teil der Gelder, die für die Rollende Landstrasse vorgesehen waren, könnten für Fördermassnahmen beim Bahntransport von Containern oder Sattelaufliegern eingesetzt werden, so das Bundesamt.
Denn Luft nach oben besteht noch: 50’000 Güterzüge mit 25 Millionen Tonnen Ware fuhren 2024 durch die Alpen. Sind alle Zubringerstrecken ausgebaut, könnten es 66’000 Züge mit 47 Millionen Tonnen Ladung sein.