Er will Schutzmasken noch sicherer machen
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René Rossi forscht an der Empa:Er will Schutzmasken noch sicherer machen

BLICK im Testlabor von Empa-Physiker René Rossi
Die Maske der Zukunft kann Viren abtöten

Nicht nur Spitäler und Heime – auch der Bundesrat ist in der Corona-Krise froh um den Rat von Dr. René Rossi. BLICK hat den Empa-Forscher in St. Gallen besucht. Dort tüfteln der Physiker und sein Team an den Schutzmasken der Zukunft.
Publiziert: 23.04.2020 um 19:50 Uhr
|
Aktualisiert: 06.08.2020 um 08:26 Uhr
René Rossi leitet das Labor für intelligente Textilien an der Empa in St. Gallen.
Foto: Thomas Meier
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Lea Hartmann

Eine rote Flüssigkeit schiesst aus der Kanüle und landet mitten auf der fixierten Schutzmaske. Die Laborantin wirft einen prüfenden Blick auf die Rückseite der Maske. Test bestanden! Kein rotes Tröpfchen durchdringt die hellblauen Vliesschichten, auch nicht nach mehreren Minuten.

Fixieren, spritzen, kontrollieren: Hunderte Male haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in St. Gallen in den vergangenen Tagen und Wochen diesen Schnelltest durchgeführt. Er ist Teil eines Angebots für Spitäler, Altersheime und andere Institutionen, das aus der Not geboren wurde, erzählt René Rossi (52). Der Physiker ist Leiter des Empa-Labors zur Entwicklung intelligenter Textilien. Normalerweise tüfteln die Forscher gemeinsam mit der Schweizer Industrie an Innovationen. Die Corona-Krise aber hat auch ihre Arbeit verändert.

«Zahlreiche Spitäler haben sich bei uns gemeldet», sagt Rossi. Sie baten um Rat, wie man Masken bei Engpässen wiederverwenden kann. Zudem wollten sie sich versichern, dass die Masken, die sie in Hauruck-Aktionen beschafft hatten, wirklich das halten, was der Lieferant versprach. Und so sattelte die Empa, ein Forschungsinstitut des ETH-Bereichs, kurzerhand um und rief mehrere neue Forschungsprojekte ins Leben. Ausserdem bietet Rossis Labor nun den Gratis-Prüfservice für Schutzmasken an.

Er ist Teil der Corona-Taskforce

Auch für Rossi ist das alles Neuland. EN 14683, PSA-Verordnung, Staphylococcus aureus: Der Wissenschaftler, der in Neuenburg aufgewachsen ist und seine Doktorarbeit über die Schutzkleidung von Feuerwehrleuten schrieb, spult geltende Normen, Fachbegriffe und Bakterienarten ab, als würde er sich seit seinem Studium mit nichts anderem als Schutzmasken befassen. Auf Nachfrage räumt er ein, dass er sich das alles in den vergangenen Woche angelesen habe. Auf keinen Fall will er aber mit seinem Wissen, schon gar nicht mit seinem Arbeitseinsatz hausieren. Ja, es komme schon vor, dass er derzeit bis zu 15 Stunden und sieben Tage die Woche arbeite. An die grosse Glocke hängen will Rossi, der seit fast 30 Jahren bei der Empa arbeitet, das aber auf keinen Fall. «Es gibt enorm viele Menschen, die jetzt sehr viel zu tun haben.»

Rossi gehört der wissenschaftlichen Corona-Taskforce des Bundes an. Gemeinsam mit anderen Forschungsinstitutionen im Land beraten er und sein Team den Bundesrat in Masken-Fragen. Innert 24 Stunden mussten die Forscher dem Bund diese Woche beispielsweise Empfehlungen für Schutzmasken abgeben, die für die breite Bevölkerung vorgesehen sind.

Ein Schal ist keine gute Alternative

Denn auch wenn der Bund weiterhin keine allgemeine Maskenpflicht vorsieht: Ab kommender Woche wird das Tragen eines Mundschutzes in gewissen Bereichen zum Alltag gehören. So müssen zum Beispiel Coiffeusen und deren Kunden Masken tragen, weil die zwei Meter Abstand dort nicht eingehalten werden können. Auch wer zu Stosszeiten im ÖV unterwegs ist, dem empfiehlt der Bund das Tragen einer Maske.

Die Forscher haben nun Minimalkriterien für diese Bevölkerungsmasken festgelegt. Die Überlegung dahinter: Medizinische Masken sind gut fürs medizinische Personal, aber nicht optimal für die Verwendung im Alltag. «Chirurgische Masken sind Einweg-Produkte», stellt Rossi klar. Zudem kann die Beschaffung schwierig sein, wie die Krise jetzt zeigt. Den Mund einfach mit einem Schal zu verdecken oder selber eine Maske zu nähen, davon rät Rossi ab. «Wir sind der Meinung, dass dies nicht genügend Schutz bietet», sagt er.

Empa will nicht nur Soforthilfe leisten

Masken für die breite Bevölkerung hingegen können auch aus anderen Materialien als die medizinischen Masken hergestellt sein. Damit können in einer Notsituation wie jetzt auch Schweizer Textilfirmen zu Maskenproduzenten werden. Ein aus der Empa hervorgegangenes Start-up hat vergangene Woche beispielsweise das Projekt «We Mask» ins Leben gerufen – gestrickte Masken, die man in die Waschmaschine stecken kann.

Die Qualitätskriterien der Taskforce sollen Produzenten und Konsumenten als Richtschnur dienen, erklärt Rossi. Firmen, die Masken für die Bevölkerung herstellen, können vorübergehend durch die Empa testen lassen, ob ihr Produkt die Empfehlungen erfüllt.

Rossi freut sich, dass er und sein Team auf diese Weise Soforthilfe bei der Bewältigung der Corona-Krise leisten können. Aber der Forscher denkt auch schon viel weiter. «Unser Ziel ist es, die Schweizer Textilindustrie bei der Entwicklung von innovativen Hightech-Produkten zu unterstützen, damit wir einen Teil der Maskenproduktion mittel- und langfristig in der Schweiz halten können.»

Masken, die Viren töten

Rossi sieht noch viel Potenzial für Innovation. «Jede Schutzausrüstung ist eine Balance zwischen Schutz und Komfort», sagt der Wissenschaftler. In beiden Bereichen gibt es aus seiner Sicht noch vieles zu tun. «Auf der Seite des Komforts können wir beispielsweise an der Passform und der Atmungsaktivität schrauben.» Ein Projekt zur Entwicklung transparenter Gesichtsmasken läuft schon.

Rossi vergleicht Schutzmasken dabei mit einem Skihelm. «In meiner Jugend war es cool, eine Sonnenbrille als Schutz zu tragen, aber sicher keinen Skihelm. Heute trägt auf der Piste fast jeder einen Helm.» Das liege auch daran, dass die Helme heute komfortabler und stylischer seien. «Auch bei Schutzmasken können wir die Akzeptanz so erhöhen», folgert Rossi.

Ihm schwebt aber noch viel mehr vor. Rossi entwickelt beispielsweise Beschichtungen, die Viren nicht nur abweisen, sondern abtöten. «Man könnte auch Sensoren in Schutzmasken einbauen, welche die Farbe ändern, wenn sie in Berührung mit einem bestimmten Virus kommen.» Das ist zwar noch Zukunftsmusik. Rossi ist allerdings überzeugt: «Die Krise ist ein Innovationsmotor.» Nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Schweizer Wirtschaft.

Masken made in Switzerland

In der Ostschweiz wird nicht nur an neuen Schutzmasken getüftelt, dort befindet sich auch die derzeit grösste Schweizer Produktionsstätte für Hygienemasken. 200'000 Gesichtsmasken pro Woche produziert derzeit die Flawa, die in ihrer Fabrik in Flawil SG sonst Einlegesohlen und Watteprodukte herstellt. Die Masken sind für Privatpersonen und Firmen gedacht.

Weil die Nachfrage weit grösser ist als das Angebot, baut das Unternehmen die Produktion nun weiter aus. Diese Woche sind zwei Maschinen aus China geliefert worden, die FFP-Atemschutzmasken produzieren können. Zusammen haben sie eine Kapazität von 100'000 Masken pro Tag. Beschafft wurden sie durch den Bund und den Kanton Zürich, die je die Hälfte der Kosten übernehmen. Damit soll die Maskenversorgung der Schweiz gesichert werden.

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