Auf den EU-Skeptiker Nawrocki entfielen laut den Zahlen des Meinungsforschungsinstituts Ipsos vom frühen Montagmorgen 51 Prozent der Stimmen, der Pro-Europäer Trzaskowski kam auf 49 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 71,7 Prozent - gut drei Prozentpunkte höher als bei der vorherigen Wahl vor fünf Jahren.
Angesichts des knappen Vorsprungs ist das Wahlergebnis weiterhin offen. Noch ist auch ein Sieg des Warschauer Oberbürgermeisters Trzaskowski denkbar. Die Prognosen beruhen auf der Grundlage von Nachwahlbefragungen in 500 Wahllokalen und Teilauszählungen von 450 der Wahllokale. Die Fehlertoleranz liegt laut Ipsos bei 0,5 Prozentpunkten.
Beide Kandidaten hatten sich ihren Anhängern nach Schliessung der Wahllokale siegessicher präsentiert, obwohl sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen anbahnte. Erste Prognosen gleich nach Schliessung der Wahllokale hatten Trzaskowski als Sieger gesehen, er bezeichnete sich bereits als Wahlgewinner - später drehte sich das Stimmenverhältnis dann aber.
Richtungswahl in Polen
Die rund 29 Millionen Wahlberechtigten waren aufgerufen, einen Nachfolger für Präsident Andrzej Duda zu wählen. Dieser durfte nach zwei Amtsperioden nicht noch einmal antreten. Die Abstimmung gilt als Richtungswahl für das EU- und Nato-Land Polen. Der parteilose Nawrocki ist Kandidat der rechtskonservativen PiS, Polens grösster Oppositionspartei. Die PiS regierte das Land von 2015 bis 2023. Sie legte die Justiz an die Kandare der Politik und lag wegen dieses Eingriffs in die Gewaltenteilung im Dauerclinch mit Brüssel.
Das seit Dezember 2023 regierende Mitte-Links-Bündnis von Ministerpräsident Donald Tusk hat versucht, mit Reformprojekten vieles davon zurückzudrehen. Doch der bisherige Präsident Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, bremste diese Vorhaben mit seinem Veto. Tusk hat im Parlament nicht die nötige Mehrheit von 60 Prozent, um Vetos des Präsidenten aufzuheben.
Präsident mit viel Macht
Der polnische Regierungschef hofft deshalb auf einen Wahlsieg seines politischen Mitstreiters Trzaskowski. Der 53-Jährige gilt innerhalb seines politischen Lagers als progressiv und links. Als Staatsoberhaupt würde er Tusks Kurs stützen.
In Polen amtiert der Präsident fünf Jahre. Das Staatsoberhaupt hat mehr Befugnisse als der Bundespräsident in Deutschland und repräsentiert das Land nicht nur nach aussen. Der Präsident hat auch Einfluss auf die Aussenpolitik, er ernennt den Regierungschef sowie das Kabinett und ist im Kriegsfall Oberkommandierender der polnischen Streitkräfte. Vor allem aber kann er der Regierung mit seinem Vetorecht das Leben schwer machen.