«Die EU ist mit Abstand der wichtigste Handelspartner»
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Cassis über Wohlstand:«Die EU ist mit Abstand der wichtigste Handelspartner»

So preist Aussenminister Cassis den neuen EU-Vertrag an
«Ein echter Vorteil in einer Welt wachsender Unsicherheit»

Die Schweiz hat einen Deal mit der Europäischen Union. Bislang durften nur Parlamentarier und ausgewählte Personen Einsicht nehmen. Um 16 Uhr eröffnet der Bundesrat nun die Vernehmlassung. Blick berichtet live.
Publiziert: 13.06.2025 um 11:29 Uhr
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Aktualisiert: 13.06.2025 um 18:24 Uhr
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Die EU-Verträge wurden veröffentlicht.
Foto: GABRIEL MONNET
13.06.2025, 18:06 Uhr

So ist die Medienkonferenz zu den EU-Verträgen verlaufen

«Heute ist ein wichtiger Tag», begann Aussenminister Ignazio Cassis die Medienkonferenz. Abergläubisch scheint der Bundesrat jedenfalls nicht zu sein: Ausgerechnet am Freitag, dem 13., veröffentlichte er die langersehnten EU-Verträge. 

Bislang waren sie nämlich geheim: Nur Parlamentarier und ausgewählte Interessenvertreter durften die Dokumente in einem sogenannten «Reading Room» einsehen – ohne Handy, nur mit handschriftlichen Notizen.

Die EU kam dem Bundesrat allerdings zuvor. Noch bevor der Bundesrat zur Sitzung zusammenfand, veröffentlichte die EU auf ihrer Homepage den Vorschlag für einen Ratsbeschluss über den «Abschluss eines umfassenden Pakets von Abkommen zur Konsolidierung, Vertiefung und Erweiterung der bilateralen Beziehungen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft». 

«Zuwanderung bleibt arbeitsmarktorientiert»

Cassis machte an der Medienkonferenz klar: Man habe die Alternativen zum bilateralen Weg geprüft. Und man sei zum Schluss gekommen, dass der bilaterale Weg der Richtige sei. Die Analyse des Bundesrats basiere auf drei Pfeilern, so Cassis: Sicherheit, Wohlstand und Unabhängigkeit. Die Verträge seien «ein echter Vorteil in einer Welt wachsender Unsicherheit»

Neben Cassis war eine ganze Schar von Staatssekretären anwesend, um das 1889 Seiten starke Vertragspaket vor den Medien zu verteidigen. So etwa SEM-Direktor Vincenzo Mascioli, der zur Zuwanderung Stellung nahm. «Die Zuwanderung aus der EU bleibt arbeitsmarktorientiert», so Mascioli. Es solle weiterhin eine Zuwanderung in den Arbeitsmarkt sein, und keine direkte Zuwanderung in die Sozialsysteme. Die Schweiz habe dafür verschiedene Ausnahmen ausgehandelt.

Ein wichtiges Thema waren auch die Kosten des Vertragspakets. Die Schweiz muss einen Kohäsionsbeitrag von 350 Millionen Franken bezahlen. Dazu kommen weitere Beiträge, zum Beispiel für die Forschung. Laut Cassis belaufen sich die Kosten insgesamt auf eine Milliarde Franken. 

Parteien nehmen Stellung

Die Reaktionen der Parteien liessen nicht lange auf sich warten. Die SP reagiert positiv auf die Veröffentlichung der Verträge. Es erlaube der Schweiz eine Stabilisierung sowie Weiterentwicklung der Beziehungen zur EU und schaffe Rechtssicherheit. Die Grünen befürworten vor allem das Stromabkommen. Auch die GLP äussert sich positiv.

Die Mitte-Partei will das Verhandlungsergebnis nun detailliert prüfen und sich im Rahmen der Vernehmlassung dazu äussern. «Als bürgerliche Partei, die soziale Verantwortung übernimmt, stehen für die Mitte die sozialen Herausforderungen der Personenfreizügigkeit im Fokus», lässt sich Fraktionspräsident Philipp Matthias Bregy zitieren. «Der Schutz des Lohnniveaus und unserer Sozialwerke sind für die Mitte zentral.»

Die FDP freut sich, dass mit der Veröffentlichung nun endlich eine faktenbasierte Diskussion möglich sei. Die Partei will erst an der Delegiertenversammlung vom 20. Oktober eine Parole fassen. 

13.06.2025, 17:38 Uhr

Ende der Konfernez

Die Medienkonferenz zum Thema EU ist nun beendet. 

13.06.2025, 17:29 Uhr

Kosten-Nutzen-Analyse

Sind diese Kosten gegenfinanziert, fragt jemand. Der Bundesrat habe die Kosten und Nutzen abgewogen, so Cassis. Diese Diskussion werde auch im Parlament stattfinden. 

13.06.2025, 17:26 Uhr

350 Millionen Kohäsionsbeitrag

Ein Journalist fragt nach den Kosten der bilateralen Verträge. Die Schweiz müsse einen Kohäsionsbeitrag von 350 Millionen Franken bezahlen. Dazu kämen weitere Beiträge, zum Beispiel für die Forschung. Insgesamt würden sich die Kosten auf eine Milliarde Franken belaufen. Natürlich würde man auch ohne das Vertragspaket zahlen, sagt Cassis. Die Forschung habe auch gekostet, als die Schweiz nicht am Forschungsprogramm Horizon teilnehmen konnte. 

13.06.2025, 17:22 Uhr

FDP freut sich auf faktenbasierte Diskussion

Der Nebel um die neuen Verträge mit der EU lichte sich nun, schreibt die FDP in einer Medienmitteilung. «Nach endlosen Schattengefechten liegen die Texte seit heute vor. Endlich kann eine faktenbasierte Diskussion über die Zukunft des bilateralen Wegs stattfinden, wie sie die FDP seit Monaten fordert.»

Die SVP habe stattdessen in Unkenntnis der Fakten den Untergang des Vaterlandes heraufbeschworen. Und Befürworter der Verträge hätten verfrüht ihre Zustimmung verschenkt. 

13.06.2025, 17:10 Uhr

Ohne Angst schlafen

Ein Journalist fragt bezüglich des arabischen Sprichworts nach, das Cassis verwendet hat: Wer in Frieden mit seinen Nachbaren lebe, schlafe in der Nacht ohne Angst. Habe der Bundesrat denn Angst vor der EU? Es gehe nicht um Angst, sagt Cassis. «Ohne Angst zu schlafen, heisst, dass man keine grossen Sorgen hat», so der Aussenminister. Mit den Verträgen seien die Beziehungen zu der EU stabil und geregelt.

13.06.2025, 17:03 Uhr

Kantone wollen im Oktober Stellung nehmen

Die Kantonsregierungen werden in den nächsten Monaten eine vertiefte Analyse der Verträge vornehmen, schreibt die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) in einer Medienmitteilung. Die KdK werde dann am 24. Oktober 2025 an einer ausserordentlichen Plenarversammlung Stellung nehmen.

13.06.2025, 16:58 Uhr

Mitte-Partei spricht von «wichtigem Schritt» und will Resultat prüfen

Die Mitte-Partei spricht von einem «weiteren wichtigen Schritt». Die Partei habe die Verhandlungen immer befürwortet, um den bilateralen Weg weiterzuentwickeln. Man werde nun das Verhandlungsergebnis detailliert prüfen und sich im Rahmen der Vernehmlassung dazu äussern. 

«Als bürgerliche Partei, die soziale Verantwortung übernimmt, stehen für Die Mitte die sozialen Herausforderungen der Personenfreizügigkeit im Fokus», lässt sich Fraktionspräsident Philipp Matthias Bregy zitieren. «Der Schutz des Lohnniveaus und unserer Sozialwerke sind für Die Mitte zentral.»

13.06.2025, 16:51 Uhr

Insgesamt 1889 Seiten

Ein Journalist fragt nach der Länge der Verträge. Staatssekretär Fasel gibt eine Übersicht Die Gesetzeserlasse umfassen 160 Seiten, die Abkommen 799, der erläuternde Bericht 930. Zusammen ergibt das 1889 Seiten.

13.06.2025, 16:39 Uhr

SP begrüsst das Paket, Grüne befürworten Stromabkommen

Erste Reaktionen der Parteien trudeln ein. Die SP reagiert positiv auf die Veröffentlichung der Verträge. «Die SP Schweiz begrüsst dieses Paket», heisst es in einer Medienmitteilung. Es erlaube der Schweiz eine Stabilisierung sowie Weiterentwicklung der Beziehungen zur EU und schaffe Rechtssicherheit. «Für die SP ist klar: Der Kompromiss der Sozialpartner ist eine solide Grundlage für ein mehrheitsfähiges Gesamtpaket, das nicht verzögert oder geschwächt werden darf.»

«Angesichts der aktuellen Weltlage sind stabile Beziehungen zur EU für die Schweiz zentraler denn je», heisst es in der Mitteilung. «Die EU ist unsere wichtigste wirtschaftliche und politische Partnerin.»

Die Grünen reagieren vor allem positiv auf das Stromabkommen. «Mit dem Stromabkommen ebnen wir den Weg in eine Zukunft ohne fossile Energie und ohne überteuerte und klimaschädliche Überproduktion», heisst es in einer Medienmitteilung.

GLP-Grossen: «Wer jetzt zaudert, riskiert Stillstand»

GLP-Präsident Jürg Grossen zeigt sich überzeugt von den Verträgen: «Diese Verträge bringen der Schweiz wirtschaftliche Sicherheit und politischen Handlungsspielraum. Wer jetzt zaudert, riskiert Stillstand. Die GLP sagt mit Überzeugung ja und fordert die anderen Parteien auf, endlich Verantwortung zu übernehmen.»

Seit Tagen wird in Bundesbern darüber spekuliert, dass der Bundesrat diesen Freitag den brisanten EU-Deal veröffentlichen wird. Jetzt ist ihm die Europäische Union zuvorgekommen. Auf ihrer Homepage veröffentlicht die EU den Vorschlag für einen Ratsbeschluss über den «Abschluss eines umfassenden Pakets von Abkommen zur Konsolidierung, Vertiefung und Erweiterung der bilateralen Beziehungen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft». 

Der Link scheint momentan teilweise nicht mehr zu funktionieren. Doch Blick liegen die Dokumente vor. Das Hauptdokument enthält 60 Seiten, dazu gehören 13 Anhänge. Allein der Erste – wohl das sogenannte Basispaket – umfasst in der deutschen Übersetzung weitere 199 Seiten. Das vielfach diskutierte Stromabkommen kommt auf 163 Seiten. In der deutschen Übersetzung hat der Text über tausend Seiten. 

Der Bundesrat kommt heute noch zu einer Sitzung zusammen – allerdings erst am Nachmittag, da das Parlament noch tagt. Bislang waren die Verträge streng geheim: Nur Parlamentarier und ausgewählte Interessenvertreter durften die Dokumente in einem sogenannten «Reading Room» einsehen – ohne Handy, nur mit handschriftlichen Notizen.

Darum gehts

Im Dezember trafen sich die damalige Bundespräsidentin Viola Amherd (62) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) in Bern, um den Abschluss der Verhandlungen zu feiern. Die wichtigsten Punkte wurden damals schon bekannt. Jetzt sind auch die Details klar.

  • Mit dem neuen Abkommen sollen die Spielregeln genauer festgelegt werden: Bei einzelnen Abkommen, wie zum Beispiel der Personenfreizügigkeit übernimmt die Schweiz EU-Recht. Volk oder Parlament können das ablehnen – dann drohen Strafen. Darüber entscheidet letztlich ein Schiedsgericht, das den EU-Gerichtshof beiziehen kann.
  • EU-Bürger können in die Schweiz ziehen und hier arbeiten. Der Bund hat hier aber Ausnahmen verhandelt, zum Beispiel bei Landesverweisungen für Straftäter und dem Aufenthaltsrecht. Der Lohnschutz soll über ein dreistufiges Konzept gesichert werden. Künftige Anpassungen, die das Schutzniveau verschlechtern, muss die Schweiz nicht übernehmen.
  • Die bisherige Schutzklausel bei der Einwanderung wird konkretisiert. Die Schweiz kann sie einseitig aktivieren.
  • Künftig dürfen auch ausländische Bahnen wie Flixtrain auf Schweizer Schienen fahren.
  • Neue Verträge gibt es unter anderem beim Strom, der Gesundheit oder Lebensmittelsicherheit.
  • Die Schweiz darf wieder bei EU-Programmen wie dem Studenten-Austauschprogramm Erasmus mitmachen.
  • Die Schweiz überweist ab 2030 jährlich 350 Millionen Franken. Das Geld fliesst in Entwicklungsprojekte in EU-Ländern wie Bulgarien, Estland oder Kroatien.

Zum ausführlichen Artikel geht es hier.

Der Bundesrat dürfte an seiner Sitzung am Freitagnachmittag noch die Botschaft zum Gesetz veröffentlichen. Dort sind wohl auch die innenpolitischen Begleitmassnahmen enthalten. 

Mitarbeit: Soleen Paulic in Brüssel

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