Die Versorgungssicherheit mit neuen Medikamenten hat sich in der Schweiz deutlich verschlechtert. Laut einer europaweiten Studie (WAIT) liegt die Schweiz beim Zugang zu innovativen Therapien noch auf Rang 7 in Europa – direkt vor Bulgarien. Patientinnen und Patienten in Deutschland haben vollen Zugang zu doppelt so vielen neuen innovativen Therapien wie in der Schweiz.
Grund dafür ist ein veraltetes Preisbildungssystem: Jahrzehntealte Arzneimittel dienen als Vergleich für neue Medikamente, der Nutzen moderner Therapien – etwa weniger Spitaltage oder überflüssige Operationen – bleibt unberücksichtigt. So warten Patientinnen und Patienten in der Schweiz auf dringend benötigte, oft gar lebenswichtige Therapien deutlich länger als in anderen Ländern.
Schweizer geben mehr für Tabak aus
Oft wird übersehen, dass die Preise von Original-Medikamenten in der Schweiz kaufkraftbereinigt unter dem europäischen Durchschnitt liegen. Konkret: Ein Schweizer gibt im Schnitt 37 Franken pro Monat für innovative Medikamente aus – dreimal weniger als für Alkohol und Tabak. Bei den Medikamenten-Herstellern kommen davon 27 Franken an, je rund 1 Franken gehen an den Staat, Leistungserbringer und etwa 8 Franken an den Handel.
Der Handelskonflikt mit den USA verschärft die Lage: Dort wird diskutiert, Preise an tiefere europäische Werte zu koppeln («Most-Favoured-Nation Drug Pricing»). Unternehmen hätten damit einen Anreiz, den Markteintritt in Ländern mit tiefen Preisen zu verzögern, um negative Effekte für den US-Markt zu vermeiden. Leidtragende wären auch Schweizer Patientinnen und Patienten: Therapien würden später oder gar nicht eingeführt. Zolldrohungen zeigen, dass es den USA ernst ist – mit Folgen für die Versorgung, Exporte, Steuern und Arbeitsplätze.
Bessere Rahmenbedingungen für Pharma
Die Präsenz forschender Pharmaunternehmen und guter Steuerzahler wird gerne als selbstverständlich angesehen. Doch die Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren verschlechtert. Pharmaunternehmen in der Schweiz kämpfen heute mit veralteten Prozessen, langwierigen Verfahren, fehlender Digitalisierung, Abschottungstendenzen und einem Gärtchen-Denken in der Politik.
Die Entscheide aus dem Weissen Haus können wir kaum beeinflussen. Aber wir sind nicht machtlos: Die Schweiz hat die innovativsten Unternehmen der Welt nie mit Zwang und Zolldrohungen angezogen, sondern mit guten Rahmenbedingungen. Diese gilt es, wieder zu stärken. So bleibt es attraktiv, in der kleinen, aber innovativen und politisch stabilen Schweiz präsent zu sein.
Um Forschungs-, Produktionsstandort und Versorgung mit innovativen Therapien zu sichern, braucht es drei Dinge: Erstens einen Marschhalt bei Regulierungsvorhaben, die hohe Zusatzkosten verursachen und den kleinen Schweizer Markt unattraktiv machen. Zweitens eine koordinierte Life Sciences-Strategie, welche den Beitrag der Branche für Versorgung, Forschung, Arbeitsplätze und Wohlstand durch Rahmenbedingungen auch in der Zukunft sicherstellt.
Drittens die überfällige Modernisierung des Preisbildungssystems, damit Fortschritt auch hierzulande bei den Patientinnen und Patienten ankommt, und wir wieder zu Deutschland aufschliessen können. Das sollte uns mindestens 37 Franken wert sein!
*René Buholzer ist CEO des Branchenverbandes Interpharma. Der Gastbeitrag ist eine Reaktion auf eine Kolumne von Preisüberwacher Stefan Meierhans.