Kolumne von Stefan Meierhans
Was wir mit den USA gemeinsam haben?

Wir gehören zu den Ländern mit den höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für Medikamente. Wer heute behauptet, unsere Preise müssten steigen, weil «die USA die Pharmaindustrie unter Druck setzen», verkennt die Realität.
Publiziert: 01.09.2025 um 14:30 Uhr
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Hinter verschlossenen Türen werden in der Pharmabranche Rabatte und vertrauliche Preismodelle ausgehandelt, die Preisvergleiche erschweren und es den Herstellern erlauben, die Kaufkraft einzelner Länder maximal abzuschöpfen.
Foto: Keystone
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Stefan MeierhansPreisüberwacher

Die Vorstellung, wir müssten die Pharmaindustrie aus Patriotismus heraus «stützen», indem wir höhere Preise in der Schweiz zulassen, ist schlicht nicht nachvollziehbar. Hier ein paar Fakten: Im Durchschnitt liegen unsere Medikamentenpreise bereits deutlich höher als im benachbarten Ausland. Besonders bei den Generika zeigt sich das eindrücklich: Hier sind die Preise in der Schweiz rund doppelt so hoch wie in vergleichbaren europäischen Ländern. Wir tragen also schon heute – unsäglicherweise – weit überproportional zu den doch sehr guten Ergebnissen der Pharma-Branche bei.

Natürlich kostet Forschung viel Geld – das bestreitet niemand. Aber die Wahrheit ist: Das grosse Geld wird nicht nur mit neuen, forschungsintensiven Produkten verdient. Die Branche ist nicht nur stark im Labor, sondern ebenso im geschickten Geldverdienen. Alte Präparate verschwinden vom Markt, um kurz darauf in neuer Verpackung und mit neuem Namen wieder eingeführt zu werden – zu deutlich höheren Preisen. Zulassungen werden so jongliert, dass teure Produkte geschützt bleiben, während günstigere Alternativen blockiert werden. Und hinter verschlossenen Türen werden Rabatte und vertrauliche Preismodelle ausgehandelt, die Preisvergleiche erschweren und es den Herstellern erlauben, die Kaufkraft einzelner Länder maximal abzuschöpfen.

Dass die Schweiz in diesem Spiel überhaupt Einfluss auf die USA haben könnte, ist eine Illusion. In den Vereinigten Staaten gibt es keine staatliche Preisregulierung wie bei uns oder in Europa. Stattdessen werden die Preise zwischen Herstellern, Versicherern und sogenannten Pharmacy Benefit Managern ausgehandelt – ein Machtpoker um Rabatte und Rückvergütungen. Entscheidend sind Verhandlungsmacht und Marktvolumen, nicht ein internationales Referenzsystem. Schweizer Preise kommen in diesem Geflecht schlicht gar nicht vor.

Und auch von der Marktgrösse her ist die Schweiz kein Faktor. Der US-Markt ist gigantisch, weltweit der lukrativste Absatzmarkt für die Pharmaindustrie – auch für die hiesigen Hersteller, die dorthin exportieren. Dagegen ist die Schweiz zwar profitabel, aber klein – so klein, dass unsere Preisentscheide niemals Einfluss auf das Preisniveau in den Vereinigten Staaten haben können. Die Schweiz ist für die USA einfach kein Massstab.

Darum ist der Verweis auf die USA ein reines Ablenkungsmanöver. Es gibt keine wirtschaftliche, regulatorische oder politische Logik, nach der höhere Preise in der Schweiz den US-Markt beeinflussen würden. Wir haben unser eigenes System, unsere eigenen Regeln – und die sind schon heute ausgesprochen pharmafreundlich. Was höhere Preise bei uns tatsächlich bewirken würden, ist simpel: Sie belasten die Schweizer Prämienzahler. An der strategischen Ausgangslage für die Pharmaindustrie würde sich dadurch nichts ändern.

Niemand will eine schwache Pharmaindustrie und niemand will die Forschung ausbremsen – das ist klar. Die Schweiz ist diesbezüglich kein Massstab für die USA. Worauf es ankommt, ist, dass wir in der Schweiz faire Preise haben, die unter möglichst wettbewerbsnahen Bedingungen entstehen, transparent sind und sich am tatsächlichen Nutzen für Patientinnen und Patienten orientieren.

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