Darum gehts
Der Streit um die Kunstsammlung von Hitlers Waffenfabrikant in Zürich, Emil Bührle (1890–1956), eskaliert. Heimlich, still und leise hat die Stiftung Sammlung E. G. Bührle ihren Stiftungszweck geändert und den Passus gestrichen, wonach Bührles Bilder in Zürich gezeigt werden sollen. Bührle-Lobbyist Victor Schmid (70) begründet den Schritt wie folgt: Der Stifterwillen sehe vor, dass «die rund 200 Bilder der Sammlung Bührle der Öffentlichkeit als Ganzes verfügbar» gemacht werden sollten. Zur «Wochenzeitung» sagte Schmid: «Die pflichtgemässe Geschäftsführung der Stiftung ist infrage gestellt, wenn die Politik verlangen kann, dass einzelne Bilder aus der Sammlung entfernt werden müssen.»
Offenbar befürchtet die Bührle-Stiftung, dass die Forschung der nächsten Jahre zu Rückgaben führen könnte – und bereitet schon jetzt eine Exit-Strategie vor. Von Erpressung oder einem «Druckmittel» will die Stiftung nichts wissen: «Mit der Änderung wollen wir uns alle Handlungsoptionen für die Zukunft der Sammlung offenhalten.» Doch damit nicht genug.
Der ehemalige Direktor der Bührle-Stiftung, Lukas Gloor (72), greift in zwei internen Papieren den jüdischen Historiker Raphael Gross (59) scharf an. Gross hatte den Auftrag erhalten, die bisherige Provenienzforschung zu überprüfen. Gross' Urteil fiel wenig schmeichelhaft aus. Er stellte erhebliche Mängel fest und zeigte anhand von fünf Werken, «dass keines historisch so erforscht wurde, dass die Ergebnisse für die Zwecke des Kunsthauses Zürich geeignet sind».
«Politisch motiviertes Statement»
Gloor schreibt, Gross argumentiere «wahrheitswidrig», verzerre «polemisch» und verwende «manipulierte Zahlen zu Bührle-Werken mit jüdischem Vorbesitz». Insgesamt sei Gross' Bericht ein «einseitiges, politisch motiviertes Statement zu NS-Raubkunst und Restitution». Gloors Fazit: «Gross macht die Sammlung Emil Bührle zum Abbild des Holocaust, weil sie (überwiegend 1951–1956) bei jüdischen Händlern in New York, London, Paris und Zürich erworben wurde.» Ob Lösungen gefunden würden, sei gleichgültig: «Als angebliches Abbild des Holocaust hat die Sammlung Emil Bührle keine Existenzberechtigung.»
Auch wirft Gloor Gross vor, dieser habe nicht offengelegt, früher in Frankfurt (D) das Jüdische Museum und das Fritz-Bauer-Institut geleitet zu haben. Dabei hatten Stadt und Kanton Zürich sowie die Zürcher Kunstgesellschaft dem jüdischen Historiker Raphael Gross das Mandat gerade wegen seiner Expertise im Bereich Raubkunst, NS-Geschichte und jüdische Geschichte erteilt. Weder Gloor noch Gross wollten sich gegenüber Blick äussern.
Herbert Winter begleitet Provenienzforschung
Wie gehts nun weiter? Das Kunsthaus Zürich betont: «Das Kunsthaus zeigt die Sammlung, sofern ihre Werke erforscht und kontextualisiert werden können. Ab dem 20. März 2026 ist eine Übergangspräsentation mit ausgewählten Werken geplant; die neue Hauptpräsentation wird Anfang 2027 eröffnet. Ein mehrjähriges Projekt zur Provenienz sämtlicher Werke ist in Vorbereitung und abhängig von der Finanzierung durch die Stadt Zürich.»
Nach Informationen von Blick will das Kunsthaus drei externe Beiräte schaffen, die den Prozess evaluieren: einen Beirat für die Ausstellung, einen für die Provenienzforschung und einen für die Grundlagenforschung. Die Provenienzforschung sollen der ehemalige Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG), Herbert Winter (79), die Zeithistorikerin Christina Späti (54) und die Provenienzforscherin Nikola Doll (55) begleiten. Doll hatte in Bern den Gurlitt-Komplex mit aufgearbeitet und war bis vor kurzem fürs Bundesamt für Kultur (BAK) tätig.
Stadt Zürich prüft rechtliche Schritte
Derweil prüft die Stadt Zürich, ob sie rechtliche Schritte gegen die plötzliche Änderung des Stiftungszwecks der Bührle-Stiftung einlegen kann. Die Gelder für die Provenienzforschung müssen vom Parlament noch genehmigt werden. Die Stadt Zürich will 3 Millionen bezahlen, das Kunsthaus spricht von insgesamt 5,2 Millionen Franken. Wie das Kunsthaus, das praktisch pleite ist, die fehlenden 2,2 Millionen berappen will, wollte es gegenüber Blick nicht verraten.