Darum gehts
- WWF und Wirtschaftsvertreter kritisieren geplante Reservekraftwerke als unnötig und teuer
- Die Kosten dürften Hunderte Millionen Franken betragen. Wirtschaft und Bevölkerung müssten sie zahlen
- Alternativen wie Notstromaggregate werden als günstiger und sicherer vorgeschlagen
Verschwendet die Schweiz eine Milliarde Franken – auf Kosten der Stromkunden? Das befürchtet der WWF, die grösste Umweltschutzorganisation der Schweiz. Und er ist nicht alleine: Auch führende Energiepolitiker sehen das so.
Der Hintergrund: Der Bundesrat plant den Bau von fünf Reservekraftwerken, um künftig auch in harten Wintern ausreichend Strom bereitzustellen. «Was man hier mit wahnsinnig viel Geld aufbaut, ist völlig unnötig», kritisiert Patrick Hofstetter (60), Klima- und Energieexperte beim WWF. Es gebe deutlich günstigere Alternativen zu neuen Gaskraftwerken.
Zur Erinnerung: Im Herbst 2022 drohte der Schweiz eine Strommangellage. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine fehlte Gas, französische AKWs produzierten weniger Strom. Bundesrätin Simonetta Sommaruga (65, SP) rief zum gemeinsamen Duschen auf. Viele kauften Holz, aus Angst vor einem Heizungsausfall. Das soll es nicht mehr geben. Deshalb will der Bundesrat die Reservekraftwerke bauen.
«Die teuerste und unnötigste Variante»
Beim WWF, aber auch bei Politikern in Bern sorgt das Vorhaben, das auf der Zielgeraden ist, für Kritik. «Selbstverständlich brauchen wir eine Stromreserve für den Winter», sagt WWF-Mann Hofstetter. «Neue Gaskraftwerke sind jedoch die teuerste und unnötigste Variante.» Der WWF fordert deshalb den Abbruch des Projekts. Das müsste rasch geschehen. Denn noch sind die Verträge nicht unterschrieben, die Aufträge nicht erteilt, wie Energieminister Albert Rösti (58, SVP) kürzlich im Parlament sagte.
Dem WWF schwebt eine günstigere und sicherere Lösung vor: das Poolen von Notstromaggregaten. Dabei werden Notstromaggregate bei Spitälern oder Rechenzentren zusammengefasst und im Notfall angeworfen, sodass diese Verbraucher nicht auch noch Strom aus dem Netz beziehen. «Die Schweiz erlebt einen enormen Zubau an Rechenzentren, welche allesamt mit Notstromaggregaten neuer Bauart ausgerüstet werden», sagt Hofstetter.
Es sei ein Rätsel, «weshalb man die bereits gepoolten und die bisher ungepoolten Notstromaggregaten nicht an die Reserven anrechnet». Mit den bestehenden Reservekraftwerken, den Aggregaten, der Wasserkraftreserve und der Industrie, die im Ernstfall die Produktion gegen ein Entgelt drosseln könnte, stünden mehr Reserven zur Verfügung, als die Elektrizitätskommission Elcom fordere.
Wirtschaft: «Wir riskieren eine Fehlinformation»
Wenig Verständnis haben auch Energiepolitiker in Bern. Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (49) spricht von einer «unnötigen Geldverschwendung». Denn der Schweiz drohe derzeit kein Mangel. Und auch SVP-Nationalrat Christian Imark (43) sieht in den Reservekraftwerken eine «Luxuslösung». Die Verhandlungen mit den künftigen Betreibern müsse man genau beobachten. Denn die Kosten würden letztlich den Stromkonsumenten verrechnet.
Nicht zufrieden ist auch Roger Ambort (43). Die Verwaltung versuche, jedes Risiko auszuschalten, sagt der Geschäftsführer der Gruppe Grosser Stromkunden in der Schweiz (GGS). «Deshalb riskieren wir eine Fehlinvestition, da eine ausgewogene Abstimmung der verschiedenen Reservearten ungenügend stattfand.» Der Werkplatz Schweiz müsse dies über hohe Abgaben bezahlen.
WWF-Experte Hofstetter rechnet mit bis zu einer Milliarde Franken, die die Reservekraftwerke kosten könnten. Um die Milliarde zu bezahlen, müsste die Kilowattstunde Strom ein Jahr lang um 2 Rappen erhöht werden. Dies sei nicht nur für die Wirtschaft happig. Gleichzeitig könnte der höhere Strompreis die Energiewende verzögern und den Klimaschutz gefährden. Dies würde Elektroautos oder Wärmepumpen für die Konsumentinnen und Konsumenten weniger attraktiv machen.
Rösti: Strommangellage wäre die teuerste Variante
Warum hält der Bundesrat trotz Widerstand so strikte an seinen Plänen fest? Im Bundeshaus betont man, dass die Versorgungssicherheit höchste Priorität habe und die Kosten einer Strommangellage um ein Vielfaches höher wären. Verteidiger der Reservekraftwerke weisen etwa auf das Blackout im letzten Jahr in Spanien hin, wo der Strom während Stunden ausfiel.
Wie sieht es diesen Winter bei den Stromreserven aus? Die Strom-Aufsichtsbehörde Elcom schätzt die Versorgungssituation grundsätzlich als «gut» ein, wie sie gegenüber Blick sagt. Im Inland seien die Speicherseen ausreichend gefüllt, in den Nachbarländern sei die Versorgungssituation stabil. Die nötigen Importe sollten gewährleistet sein. Letztlich blieben aber «weiterhin Unsicherheiten» bestehen. Gerade bei der Verfügbarkeit von Gas gebe es aufgrund der geopolitischen Entwicklungen «Unwägbarkeiten», auch wenn die Gasspeicher in Europa bis im Winter genügend gefüllt sein dürften.
Wie sieht es diesen Winter bei den Stromreserven aus? Die Strom-Aufsichtsbehörde Elcom schätzt die Versorgungssituation grundsätzlich als «gut» ein, wie sie gegenüber Blick sagt. Im Inland seien die Speicherseen ausreichend gefüllt, in den Nachbarländern sei die Versorgungssituation stabil. Die nötigen Importe sollten gewährleistet sein. Letztlich blieben aber «weiterhin Unsicherheiten» bestehen. Gerade bei der Verfügbarkeit von Gas gebe es aufgrund der geopolitischen Entwicklungen «Unwägbarkeiten», auch wenn die Gasspeicher in Europa bis im Winter genügend gefüllt sein dürften.
Auf Nachfrage von Blick hält Bundesrat Albert Rösti (58) fest: «Die Reservekraftwerke sind notwendig, um die Stromversorgung auch in ausserordentlichen Situationen sicherzustellen.» Notstromaggregate alleine seien technisch zu heterogen «und nicht verlässlich genug, um über mehr als wenige Tage hinweg eine stabile Versorgung zu gewährleisten.»
Wie teuer die Werke werden, ist nicht klar. Derzeit finden Verhandlungen über den Preis statt. Solange diese andauern, will sich das zuständige Bundesamt für Energie nicht konkret äussern.