Heftige Vorwürfe an Gemeinde
Unfaire TCS-Übernahme von Camping am Neuenburgersee?

Seit Jahrzehnten empfängt der Campingplatz Le Pécos in Grandson VD viele Campingbegeisterte aus der Deutschschweiz. Nun ist zwischen den aktuellen Betreibern und der Gemeinde ein Streit entbrannt, der wohl erst vor Gericht enden wird.
Kommentieren
1/8
Der Camping-Club von Präsident Marc Waldispuehl ist unter Druck.
Foto: Philippe Rossier

Darum gehts

  • Camping-Club Region Yverdon verliert Campingplatz Le Pécos in Grandson VD an TCS
  • Grundlage für Neuausrichtung basiert auf TCS-Gutachten von vor vier Jahren
  • 3000-Seelen-Dorf Grandson will mehr Laufkundschaft für Schloss und Seeufer anlocken
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_AUTOR_817.JPG
Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Marc Waldispuehl (57) versteht die Welt nicht mehr. Seit über sechs Jahrzehnte betreibt der Camping-Club Region Yverdon den Campingplatz Le Pécos in Grandson VD. Besonders für Deutschschweizer sind die Stellplätze am Neuenburgersee äusserst beliebt. Ende nächstes Jahr soll plötzlich Schluss sein – die Gemeinde stellt den Verein vor die Tür. Der Grund: Ab 2027 will man lieber mit dem TCS zusammenarbeiten.

Die bisherigen Betreiber wollen sich aber nicht kampflos geschlagen geben, wie es Grandson gerne hätte. Die Ausschreibung sei nämlich alles andere als korrekt abgelaufen und der TCS ungerechtfertigt bevorteilt worden, wirft der Camping-Verein der Gemeinde vor. «Wir werden bis zum Schluss kämpfen», sagt Club-Präsident Waldispuehl zu Blick. Dazu kommt: Es ist nicht der erste TCS-Coup, der in der Westschweiz für Zoff sorgt.

Gemeinden wollen vom Camping-Boom profitieren

Ob in der Waadt, in Freiburg oder in Neuenburg – die Gemeinden in der Romandie wollen aus dem Camping-Boom zünftig Profit schlagen. Um Touristinnen und Touristen ein Viersterne-Erlebnis zu bieten, vergeben immer mehr Ortschaften ihre Parzellen an den TCS. Mit «Glamping», also Luxus-Camping, statt Dauerstellplätzen soll der Verkehrsclub die Leute an den Neuenburgersee locken.

Auch Grandson sieht sich als solche Goldgrube. Das 3000-Seelen-Dorf möchte für sein Schloss und sein malerisches Seeufer mit Yachtplatz endlich mehr Laufkundschaft.

Die TCS-Vergabe sei Herzstück dieser «langfristigen Vision», teilt die Gemeinde auf Blick-Anfrage mit. Die drei Campingplätze, die in Grandson angesiedelt sind, seien nämlich aktuell vorwiegend auf langfristige Stellplätze ausgerichtet.

Kommen die Dauercamper unter die Räder?

Damit Grandson mehr von zahlungsfreudigen Touri-Campern profitieren kann, muss folglich einer der drei Betreiber in den sauren Apfel beissen. Getroffen hat es ausgerechnet Waldispuehls Camping-Club. Da dessen Platz mit allen Verkehrsmitteln einfach zu erreichen sei und sehr nah am Dorfzentrum liege, habe er für den Kurzzeittourismus ein «immenses Potenzial».

Der Streit zwischen dem Camping-Club und Grandson liegt nun in der Mietschlichtung. Eine Lösung sei aktuell kaum zu erwarten, teilen beide Seiten mit. Finden sich die Parteien auch bis Ende März nicht, droht der Fall vor Gericht zu landen.

Dem Camping-Club, der neben Le Pécos auch noch zwei weitere Plätze in der Region betreibt, geht es dabei nicht nur ums Prinzip. Waldispuehl und seine Camping-Kollegen befürchten nämlich, dass mit der TCS-Übernahme sowohl die bestehenden Mitarbeiterinnen als auch die Dauergäste unter die Räder kommen werden.

Auch das Restaurant mit rund 20 Mitarbeitenden drohe durch die Übernahme seinen Pachtvertrag zu verlieren. «Der Gastronom ist seit 25 Jahren bei uns eingemietet. Uns ist es wichtig, dass er nach der Ablösung einen Vertrag mit der Gemeinde oder dem TCS erhält», so Waldispuehl.

Grundlage für die Neuausrichtung: der TCS

Als Gegenwehr prangern Waldispuehl und seine Camping-Kollegen eine heikle Konstellation an: Die Grundlage für die touristische Neuausrichtung des Campingplatzes basiert ausgerechnet auf einem Gutachten des TCS. Der Verein führte dieses bereits vor vier Jahren im Auftrag der Gemeinde durch.

Es sei ein eklatanter Interessenskonflikt, so Waldispuehl. «Wir hatten bereits damals mit unserem Anwalt davor gewarnt, dass die Gemeinde hier einen Konkurrenten hofiert.» Die Gemeinde war jedoch nicht bereit, auf eine Alternative einzulenken. Dass der TCS nun auch die Ausschreibung gewonnen hat, ist für den Camping-Club also nicht überraschend. «Das beabsichtigte die Gemeinde von Anfang an.»

Grandson wehrt sich nur halbherzig gegen den Vorwurf. Die Gemeinde bestätigt zwar, dass die TCS-Analyse als Grundlage für die neue Ausrichtung diente, stellt aber gleichzeitig klar: «Der TCS war weder direkt noch indirekt an der Vorbereitung der öffentlichen Ausschreibung beteiligt.»

Für den Camping-Club und seinen Anwalt reicht dies nicht als Rechtfertigung. «Es ist ein Formfehler in den Plänen der Gemeinde», sagt Waldispuehl. «Wir werden das vor Gericht belegen.»

Restaurant kann wohl bleiben

Ob es so weit kommt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Und wie hart der Mieterwechsel die bisherigen Dauercamper überhaupt treffen wird, ist ebenfalls noch unklar. Der TCS will zuerst die Vertragsabschlüsse und die Baubewilligung abwarten, schreibt der Verein auf Blick-Anfrage. Mit dem neuen Konzept, das «für ein breites Publikum mit verschiedenen Bedürfnissen» gelte, werde es aber deutlich weniger Plätze für Dauermieter geben wie bisher.

Auch die Gemeinde spricht von einem «vielfältigen Kundenspektrum». Bei den bestehenden Saisonstellplätzen habe sich die Gemeinde aber verpflichtet, für einen «respektvollen und fürsorglichen Übergang» zu sorgen. Was dies bedeutet, führt sie jedoch nicht aus.

Zudem: Sowohl bei den bestehenden fünf Mitarbeitenden als auch beim beliebten Restaurant sei eine Übernahme durch den TCS möglich. Unterschrieben sei aber noch gar nichts, betont auch die Gemeinde.

Was sagst du dazu?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen