So will die Grünen-Chefin die Wahlen gewinnen
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Chefin der Schweizer Grünen:So will die Grünen-Chefin die Wahlen gewinnen

Grünen-Chefin Rytz tankt auf dem Gurten Sonnenergie
«Das wird das Klima- und Frauen-Wahljahr»

Die Grünen surfen auf einer Erfolgswelle. Den Schwung aus den Kantonen will Präsidentin Regula Rytz in die nationalen Wahlen mitnehmen. Indem sie auf zwei Themen setzt: Klimaschutz und starke Frauen.
Publiziert: 04.01.2019 um 00:07 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2019 um 16:59 Uhr
Rytz prüft derzeit eine Volksinitiative für die Einführung einer Flugticketabgabe.
Foto: Peter Gerber
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Sermîn Faki (Interview) und Peter Gerber (Bilder)

Was machen Berner bei schönem Wetter? Sie springen in die Aare (im Sommer) und gehen auf den Gurten (zu jeder Jahreszeit). Einen Spaziergang auf dem Berner Hausberg schlägt denn auch Regula Rytz (56) für das BLICK-Interview zum Jahreswechsel vor. Dafür hat sich die Chefin der Schweizer Grünen einen Traumtag ausgesucht: bitterkalt zwar, aber dafür strahlt die Sonne vom stahlblauen Himmel.

Auf dem Güsche tankt die Grünen-Chefin nochmals auf, bevor sie Vollgas geben muss für die älteste unter den kleinen Schweizer Parteien. Wobei: So klein sind die Grünen allerdings nicht mehr. Gut möglich, dass sie in den nächsten Jahren die CVP überflügeln. Derzeit legen sie zu wie sonst niemand. «Seit den Wahlen 2015 haben wir in den Kantonen 18 Sitze dazugewonnen», sagt Rytz. «Wegen unseres Leistungsausweises, aber auch, weil sich die Einsicht durchsetzt, dass man den Umweltschutz im Parlament stärken muss.»

BLICK: Sie setzen im Wahlkampf also voll aufs Thema Umwelt und Klima?
Regula Rytz: Ja. 2019 wird eine Klimawahl. Auch eine Wahl über das soziale Klima in unserem Land.

Hoffen Sie da auf Unwetter im Frühling und einen weiteren Hitzesommer?
Der letzte Sommer hat gezeigt, was passiert, wenn wir jetzt nicht handeln. Das hat die Bevölkerung stark aufgerüttelt. Ich bin überzeugt, dass sie jetzt auf Parteien setzt, die seit Jahren kompetente Klimaschutzpolitik machen – egal, ob bei gutem oder schlechtem Wetter. Also auf die Grünen.

Viel erreichen konnten Sie aber nicht in den letzten Jahren.
Nun, immerhin konnten wir die Energiestrategie durchbringen. Aber ja, aus Umweltsicht hat die rechte Mehrheit vieles verhindert. Tiefpunkt war das CO2-Gesetz, bei dem die FDP bewiesen hat, dass sie wieder voll am Rockzipfel der SVP hängt. Wollte Ex-Präsident Philipp Müller noch explizit einen grünen Flügel in der FDP, wurde der unter Petra Gössi erfolgreich abgewürgt. Obwohl sie da auch wirtschaftspolitisch auf dem Holzweg ist.

Warum?
Klimaschutz richtig gemacht, stärkt das heimische Gewerbe und innovative Arbeitsplätze. Doch FDP und SVP setzen sich lieber für die Interessen der saudischen Ölscheichs ein als für den lokalen Gebäudetechniker.

Als ob das so einfach wäre! Autos werden weiterhin im Ausland gebaut, CO2-Gesetz hin oder her.
Umso mehr könnten wir Auflagen machen. Wie früher, als FDP-Bundesrätin Elisabeth Kopp dafür sorgte, dass die Schweiz im Alleingang den Katalysator einführte. Warum zwingen wir die Autoindustrie heute nicht, statt Acht-Liter-SUVs sparsame Vier-Liter-Autos herzustellen? Damit könnte eine Familie 800 Franken im Jahr sparen. Dass sich SVP-Präsident Albert Rösti nicht dafür einsetzt, hat damit zu tun, dass er gleichzeitig den Verband der Erdölindustrie präsidiert. Das zeigt: Die bürgerlichen Parteien werden direkt von den finanzstarken Lobbys bezahlt und machen, was die sagen.

Das CO2-Gesetz nimmt nun einen neuen Anlauf im Ständerat. Kriegt es da aus Ihrer Sicht die Kurve?
Ich hoffe es. Aber es wird Druck brauchen. Druck, wie ihn die Jugendlichen mit dem Klimastreik vor Weihnachten gemacht haben. Druck, wie ihn die Gletscher-Initiative aufbaut. Und auch wir Grünen werden den Druck verstärken.

Wie?
Wir prüfen derzeit, ob wir eine Volksinitiative für die Einführung einer Flugticketabgabe vorbereiten. Eine solche Abgabe ist in den europäischen Ländern bereits Realität. Wenn der Ständerat die Ticketabgabe nicht ins CO2-Gesetz aufnimmt, werden wir sie auf dem Verfassungsweg einführen müssen.

Warum gerade eine Ticketabgabe?
Es ist eine ganz konkrete Massnahme gegen eine der grössten Klimasünden, das Fliegen. Umfragen zeigen zudem, dass die Bevölkerung eine solche Abgabe richtig findet. Letzthin hat mir jemand erzählt, dass er mit vier anderen für insgesamt 50 Franken nach London und zurückgeflogen ist. Dass das weder ökonomisch noch ökologisch aufgehen kann, wissen die Leute.

Rytz ist erst fünfmal in ihrem Leben geflogen. Zuletzt im vergangenem Sommer nach Nepal. «Doppelt kompensiert natürlich», sagt sie. Und: «Es war wahrscheinlich der letzte Flug in meinem Leben.» Sie findet es sinnvoller, nur eine oder zwei grossen Reisen im Leben zu machen – und am Wochenende statt nach London auf den Gurten zu fahren. Zugegeben: Das Panorama mit den Berner Alpen ist schon eindrücklicher als die Skyline an der Themse.

Zurück zum Wahljahr. Was genau ist Ihr Wahlziel, Frau Rytz?
Aufgrund der Erfolge in den Kantonen und Gemeinden gehen wir davon aus, dass wir vier bis fünf Sitze zulegen können. Und wir wollen auch weiterhin im Ständerat mitreden. Unter allen grünen Kandidaturen sollen schweizweit mindestens sieben starke Frauen antreten.

Also explizit Frauen?
Ja. Wir müssen bei der Gleichstellung einen Schritt nach vorn machen. 15 Prozent Frauen im Ständerat – das ist nicht haltbar. 2019 wird nicht nur eine Klimawahl, sondern auch eine Frauenwahl. Die Grünen stellen derzeit die weiblichste und die jüngste Fraktion im Bundeshaus. Das soll auch nach den Wahlen so sein.

Rytz tritt in Bern selbst an, mit durchzogenen Aussichten. Denn der linke Sitz ist mit SP-Mann Hans Stöckli (66) besetzt. «Es hat Tradition, dass SP und Grüne mit je einer Kandidatur für den Ständerat antreten», erklärt Rytz ihre Kandidatur. Doch es ist wohl auch ein Versuch, sich im Wahlkampf von der SP abzusetzen, wo einige Männer den Frauen vor der Sonne stehen – etwa CédricWermuth, der statt Yvonne Feri den Aargauer Sitz von PascaleBruderer verteidigen will.

Um Abgrenzung zum grossen roten Bruder bemühen sich die Grünen auch inhaltlich. Etwa, indem sie das Referendum gegen den AHV-Steuerdeal unterstützen, das im Mai an die Urne kommt. Die SP steht hinter der Steuerreform, weil die klamme AHV im Gegenzug zwei Milliarden Franken erhält. «Auch wir stehen voll hinter der AHV-Stabilisierung», sagt Rytz. «Aber ich sehe nicht, welchen Zusammenhang das mit der Senkung der Gewinnsteuern für Unternehmen hat. Dadurch werden Unternehmen weniger Steuern zahlen – und der Bürger die Zeche.»

Aber die Schweiz muss die umstrittenen Steuerprivilegien abschaffen und attraktiv bleiben für die Unternehmen. Wie soll das sonst gehen?
Die Schweiz bietet sehr attraktive Rahmenbedingungen für Unternehmen. Sie zahlen heute vielerorts einen Jugendherberge-Preis für ein Luxushotel. Die Steuervorlage wird genau wie die Unternehmenssteuerreform III dazu führen, dass Kantone und Gemeinden weniger Geld haben. Das heisst: weniger Ergänzungsleistungen, weniger Bildung, weniger Spitex. Das geht nicht auf.

Ohne Reform wandern die Unternehmen ab – und damit Arbeitsplätze. Ist das besser?
Nein. Aber weitere Steuersenkungen sind nicht nötig. Zumal die Schweiz heute schon die Lokomotive des Steuersenkungswettbewerbs ist und mit der Vorlage wird es nochmals weitergehen. Diese Spirale muss gestoppt werden. Das wäre auch eine Möglichkeit, das Rahmenabkommen zu retten.

Wie das?
Wir Grünen wollen ein Rahmenabkommen. Aber nicht auf Kosten des Lohnschutzes. Das heisst, die Schweiz muss Brüssel ein neues Angebot machen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir gegenüber der EU auf unserem eigenständigen Lohnschutz beharren und dafür anbieten, den ruinösen Steuerwettbewerb zu bremsen. Etwa, indem wir uns verpflichten, bei den Gewinnsteuern schweizweit nicht unter 15 oder 16 Prozent zu gehen. Das könnte ein interessantes Gegengeschäft sein, weil die EU-Staaten dann weniger fürchten müssten, dass ihre Unternehmen ihren Hauptsitz in die Schweiz verlegen.

Damit dürften Sie bei den bürgerlichen Parteien auf Granit beissen.
Schauen Sie: Wir müssen Lösungen bringen. Und eine Lösung wäre, den Nachbarländern eine faire Steuerpolitik zuzusichern und gleichzeitig die Löhne der Handwerker und Handwerkerinnen in der Schweiz zu schützen.

Parteistrategen haben das Wort

Keine zehn Monate mehr, dann wird abgerechnet: Am 20. Oktober 2019 finden Wahlen statt, werden National- und Ständerat neu bestellt. Vor allem für die Parteispitzen sind Wahljahre intensiv. Kaum je sonst steht die Politik so sehr im Schaufenster, selten wird mit härteren Bandagen gekämpft.

Die Zeit «zwischen den Jahren» ist für die Parteichefs die letzte Atempause vor den harten Monaten. BLICK wollte wissen: Wie verbringen sie diese ruhige Zeit? Wo tanken sie auf? Sind sie fit für den Wahlkampf? Also haben wir sieben Parteipräsidenten begleitet – beim Jagen, beim Spazieren, mit dem Bike. Den Anfang machte SP-Chef Christian Levrat (48), gefolgt von CVP-Chef Gerhard Pfister (56), BDP-Präsident Martin Landolt (50) und FDP-Chefin Petra Gössi (42). Heute sind wir mit Regula Rytz (56) auf dem Gurten.

Keine zehn Monate mehr, dann wird abgerechnet: Am 20. Oktober 2019 finden Wahlen statt, werden National- und Ständerat neu bestellt. Vor allem für die Parteispitzen sind Wahljahre intensiv. Kaum je sonst steht die Politik so sehr im Schaufenster, selten wird mit härteren Bandagen gekämpft.

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