Für KKS wurde nichts dem Zufall überlassen
FDP probte die Bundesratwahl bereits im März

Selten war eine Bundesratswahl so professionell aufgezogen wie jene von Karin Keller-Sutter. Das ist kein Zufall: Die FDP übte die Wahl bereits im März.
Publiziert: 02.01.2019 um 01:42 Uhr
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Aktualisiert: 30.04.2020 um 11:30 Uhr
Am Tag, als Bundesrat Johann Schneider-Ammann zurücktrat, konnte FDP-Chefin Petra Gössi (rechts neben Nationalrat Christian Wasserfallen) entspannt lächeln. Sie wusste: Ihr Generalsekretariat hatte die Ersatzwahlen bereits einmal durchgespielt.
Foto: THOMAS HODEL
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Sermîn FakiPolitikchefin

Dass Karin Keller-Sutter (55) Bundesrätin werden würde, war keine Frage. Alles sprach für die St. Gallerin, die am 1. Januar ihren «Dienst am Land» angetreten ist.

Nun zeigt sich: Selbst die Art, wie KKS – so wird die neue Justizministerin in Bern genannt – ins Amt kam, war im wahrsten Sinne des Wortes minutiös geplant. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Am Sonntag, den 4. März 2018 führte die FDP-Parteizentrale in Bern eine Stabsübung mit dem Tarnnamen «Gallier» durch – eine Generalprobe der Ersatzwahl für Johann Schneider-Ammann (66) – lange bevor dieser seinen Rücktritt erklärt hatte.

Alles wurde vorbereitet

Unter dem Befehl von General(-sekretär) Samuel Lanz (35) spielten neun Mitarbeiter einen Tag lang Bundesratswahlen – beginnend mit der fiktiven Rücktrittserklärung von Schneider-Ammann (66) bis hin zum Tag der Ersatzwahl.

Die Neunergruppe studierte Prozesse des Wahlkampfs ein, trainierte Abläufe und bereitete alle Dokumente vor – von der Würdigung Schneider-Ammanns durch die Partei, über die Planung der verschiedensten Sitzungen, bis hin zum Gratulations-Communiqué für die gewählte Keller-Sutter. «Bei der echten Wahl mussten wir nur noch die richtigen Daten einsetzen», räumt Lanz nicht ohne Stolz ein.

Der Hauptmann in seinem Element

Dass ausgerechnet Lanz auf die Idee kam, die Bundesratswahlen zu trainieren und das Ganze dann auch noch Stabsübung (SU) zu nennen, kommt nicht von ungefähr: Der Basler ist Hauptmann im Stab der Infanteriebrigade 5.

Sein fiktives Szenario für die Stabsübung beginnt am Abend des 10. Aprils 2018. Schneider-Ammann informiert FDP-Präsidentin Petra Gössi (42), dass er nach der Bundesratssitzung am nächsten Tag seinen Rücktritt bekannt geben werde. Knapp einen Monat nachdem Doris Leuthard (55) ihren bereits angekündigt hat. Die CVP steckt schon mitten in der Nomination, zwei Männer und eine Frau haben Interesse bekundet.

Diesen Rückstand gilt es aufzuholen – und die Ersatzwahl für beide Sitze findet schon am 6. Juni statt, dem zweiten Mittwoch der Sommersession.

Kandidaten standen schon früh fest

Wer aufs Ticket will, weiss die FDP zu diesem Zeitpunkt nicht. Doch im Drehbuch, in das BLICK Einsicht hatte, steht: «KKS wäre allenfalls interessiert». Aussortiert hat Lanz zu diesem Zeitpunkt bereits Gössi, Fraktionschef Beat Walti (50), die Ständeräte Andrea Caroni (38) und Thomas Hefti (59) sowie den Nationalrat Hugues Hiltpold (49). Für sie alle ist nämlich ein Platz in der Findungskommission reserviert.

Und in Tat und Wahrheit wusste die FDP-Spitze wirklich schon ein halbes Jahr vor Schneider-Ammanns Rücktritt, wer für seine Nachfolge in Frage kommt: Zum Zeitpunkt der Übung war Gössi bereits mit handverlesenen möglichen Kandidaten in Kontakt, wie Lanz bestätigt, «darunter auch mit jenen drei, die dann wirklich ins Rennen gingen». Neben Keller-Sutter waren das Ständerat Hans Wicki (54, NW) und Regierungsrat Christian Amsler (54, SH).

Cassis-Wahl ein «Riesen-Stress»

Und so wurden nach der Stabsübung vor allem die Anforderungsprofile an die Kandidaten geschliffen und die Dokumente zuhanden der Kantonalparteien präzisiert. Bald lagen die Lebensläufe in den Schubladen bereit – in drei Sprachversionen.

Dabei konnte das Neunerteam aus der Erfahrung lernen, die es beim Rücktritt von Didier Burkhalter (58) im Sommer 2017 gemacht hatte. «Bei Didier Burkhalter hatten wir drei Stunden Zeit – das reichte nur für einen Minimalsatz an Dokumenten», berichtet Lanz. Die kurze Zeitspanne habe zu einem «Riesen-Stress» geführt, der bei der nächsten Wahl vermieden werden sollte. Burkhalters Nachfolger wurde der Tessiner Ignazio Cassis (57).

Die Unsicherheit einer Bundesratswahl

«Es ist meine Aufgabe als Generalsekretär, schwierige Situationen vorauszusehen und so vorzubereiten, dass es etwas mehr Sicherheit für alle gibt», sagt Lanz. Vor allem in einem Kontext, der so unsicher ist wie Bundesratswahlen. Fehltritte von Kandidaten, Medien, die beginnen, nach den Leichen im Keller der Anwärter zu graben – all das kann das geplante Szenario einer Partei urplötzlich über den Haufen werfen.

Im Fall der Keller-Sutter-Wahl kam noch ein anderer Aspekt hinzu, so Lanz: «Wir wussten nicht, wann Johann Schneider-Ammann zurücktreten würde. Nur, dass wir dann wahrscheinlich schon mitten in den Vorbereitungen für den Wahlkampf 2019 stecken.» Auch darum sei die Vorbereitung so wichtig gewesen.

Selten war eine Wahl so professionell aufgegleist

Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: So professionell hat noch keine Partei eine Bundesratswahl aufgezogen. Perfekt vorbereitete Medienmappen in drei Landessprachen, schnelle Kommunikation, genau getaktete Abläufe. Besonders augenfällig machte diese Professionalität, weil bei der CVP für die Leuthard-Nachfolge vieles improvisiert wirkte.

Und nicht zuletzt die richtige Wahl: Hätte es die FDP nach 30 Jahren nicht geschafft, eine Frau in den Bundesrat zu bringen, hätte das fortschrittliche Image der Partei, trotz Chefin Petra Gössi, arg gelitten. Und das ein Jahr vor den Wahlen.

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