Es ist ein Deal, der künftig nicht mehr möglich sein soll. Im kommenden Frühling exportiert die Schweizer Rüstungsfirma Rheinmetall Air Defence zwei hochmoderne Flugabwehrkanonen nach Katar. Die katarische Armee wird sie voraussichtlich bei der Fussball-WM 2022 direkt neben den Stadien installieren. Die Kanonen sollen Spieler und Fans vor Angriffen aus der Luft schützen. Rheinmetall kassiert dafür 246 Millionen Franken.
Doch Katar ist kein Vorzeigeland. Die katarische Regierung kooperiert mit den Taliban in Afghanistan und liess letztes Jahr erstmals seit langem wieder eine Hinrichtung zu. Seit der WM-Vergabe 2010 sollen zudem über 6500 Gastarbeiter aus Indien, Pakistan oder Nepal beim Bau von Stadien und Strassen gestorben sein. Rüstungsgeschäfte mit solchen Staaten sollen künftig nicht mehr möglich sein. Das hat das Parlament am Mittwoch entschieden.
Einjähriges Trainingscamp
Ungeachtet dessen werden die Kanonen derzeit mitten in Zürich-Oerlikon gefertigt. Fabian Ochsner (64), CEO von Rheinmetall Air Defence, schwärmt: «Unser Flugabwehrsystem ist eine technologische Meisterleistung. Wir treffen einen Einfränkler auf zwei Kilometer Distanz.»
Damit die Katarer die Waffen bedienen können, werden auch einige seiner Mitarbeiter nach Katar reisen. Sie sollen die katarischen Militärs während 52 Wochen ausbilden. Das geht aus Dokumenten des Aussendepartements (EDA) hervor, die der «Beobachter» und der Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz einsehen konnten. Zwischen den vielen geschwärzten Zeilen wird zudem ersichtlich, dass zwei Mitarbeitende für die technische Assistenz «permanent vor Ort» stationiert werden sollen.
Menschenrechtsverletzungen in Katar
Das Aussendepartement von Bundesrat Ignazio Cassis (60) kam bei der Beurteilung des Export-Gesuchs des umstrittenen Millionen-Deals vor zwei Jahren zum Schluss, dass die Menschenrechte in Katar «systematisch und schwerwiegend» verletzt werden. Dennoch stimmten sowohl das EDA als auch das federführende Staatssekretariat für Wirtschaft von Bundesrat Guy Parmelin (61) dem Export der Flugabwehrsysteme zu.
Parlament verschärft Waffenregeln
Der Grund dafür, dass das Geschäft möglich war, ist eine Ausnahme, die der Bundesrat 2014 auf Druck der Rüstungslobby in die Kriegsmaterialverordnung eingebaut hat. Seither darf Kriegsmaterial in Länder mit schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen geliefert werden, sofern «ein geringes Risiko» besteht, dass es dafür eingesetzt wird.
Nach dem Ständerat hat sich auch der Nationalrat am Mittwoch für ein generelles Waffenexport-Verbot in Bürgerkriegsländer und Länder mit schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesprochen.
Konkret unterstützt eine Mehrheit der Parlamentarier den Gegenvorschlag des Bundesrats zur Korrektur-Initiative. Sie verschärft diesen überraschenderweise sogar noch. Damit hat das Parlament praktisch alle Forderungen der Initianten um die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) sowie der SP, der Grünen und der heute zur Mitte-Partei gehörenden BDP aufgenommen.
Enttäuschung bei Rheinmetall
Entsprechend gross war die Freude im linken Lager. Manche Nationalrätinnen jubelten derart laut, dass Ratspräsident Andreas Aebi (62, SVP) sie mit den Worten ermahnte: «Wir sind hier nicht im Zirkus.» Und die Urheber der Korrektur-Initiative kündigten umgehend an, ihre Initiative zurückzuziehen. Eine Volksabstimmung braucht es für sie nicht mehr.
Rheinmetall-Chef Fabian Ochsner findet den Nationalratsentscheid falsch. Schweizer Rüstungsfirmen seien damit künftig gegenüber ihren Konkurrenten im Ausland benachteiligt. Zudem fürchtet er, dass bald auch keine Munition und Ersatzteile für bestehende Waffen mehr in den Nahen Osten geliefert werden dürfen.
Seinen Riesendeal mit den katarischen Scheichs betrifft die Verschärfung aller Voraussicht nach nicht: Sollten die neuen Exportregeln dereinst greifen, dürften die beiden Flugabwehrsysteme bereits in Katar angekommen sein.