Experte gibt Tipps für Lehrabgänger
So rüstest du dich für deine erste Lohnverhandlung

Die Sommerferien sind vorbei – für viele junge Menschen beginnt mit dem Abschluss von Lehre oder Studium der Ernst des Berufslebens. Wie gelingt der Einstieg? Lohnexperte David Gallusser vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund erklärt, wie man Lohnverhandlungen angeht.
Publiziert: 10:32 Uhr
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Aktualisiert: 11:07 Uhr
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David Gallusser ist Lohnexperte beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund.
Foto: Jean-Bernard Sieber

Darum gehts

  • Lohnverhandlungen für Berufseinsteiger: Experte gibt Tipps für erfolgreiche Gespräche
  • Transparenz über Löhne wichtig, Tabu schadet den Beschäftigten
  • Lohnrechner basiert auf zwei Millionen Lohnangaben der Schweizer Bevölkerung
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Nastasja HofmannRedaktorin Politik

Viele junge Menschen starten dieser Tage in ihre Lehre – und haben damit den ersten Kontakt mit der Arbeitswelt. Gleichzeitig haben in den letzten zwei Monaten unzählige Lernende ihr Diplom entgegengenommen. Sie stehen nun vor der Aufgabe, den Berufseinstieg nach der Ausbildung zu meistern.

Dieser Schritt ist ein grosser, kann aber auch einige Herausforderungen bergen. Eine davon ist die erste Lohnverhandlung, wie Lohnexperte David Gallusser (40) vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund weiss. Im Interview mit Blick gibt er Tipps. Und ermutigt dazu, selbstbewusst einzufordern, was einem zustehe.

Blick: Wann haben Sie das erste Mal einen Lohn verhandelt?
David Gallusser:
Ehrlich gesagt habe ich bei meinen ersten Stellen nicht wirklich verhandelt. Ich war froh, eine Stelle zu haben. Die Frage nach dem Lohn war also zweitrangig. Eigentlich wäre es aber wichtig gewesen, beim Lohn nachzuhaken. Da muss ich mich rückblickend an der Nase nehmen.

Darf der Lohn zweitrangig sein?
Der Lohn ist nur ein Aspekt bei einer Stelle – wenn auch ein wichtiger. Es kann einschüchternd sein, gleich nach der Lehre eine Verhandlung zu führen. Einige werden auch froh sein, einfach eine Stelle zu haben. Auf der anderen Seite sind die Ausgebildeten nach der Lehre sehr gut qualifiziert und haben mehrere Jahre Erfahrung im Gepäck. Lehrabgänger dürfen sich deshalb durchaus zutrauen, einen guten Lohn zu fordern.

Gibt es Berufsfelder, die eine besonders schwierige Grundlage für Lohnverhandlungen haben?
Grundsätzlich ist es dort am einfachsten, Löhne zu verhandeln, wo die Arbeitgeber händeringend nach Personal suchen. Berufsleute mit Lehre sind beispielsweise im Baugewerbe, in der Industrie, bei den Sanitäterinnen, Elektrikern, in Betreuungs- und Gesundheitsberufen sehr gesucht. In Branchen, in denen es weniger Stellen gibt, ist es umgekehrt schwieriger. Aber auch in diesen Branchen ist man froh um gut ausgebildete Fachkräfte. 

Der Lohnrechner des Gewerkschaftsbundes ist ein Instrument für die Lohnverhandlung. Wie funktioniert er?
Mit dem Lohnrechner kann man berechnen, was andere Arbeitnehmende mit dem gleichen Profil – also zum Beispiel mit dem gleichen Beruf, in der gleichen Branche und im gleichen Alter – üblicherweise verdienen. Der Lohnrechner basiert auf repräsentativen Zahlen des Bundesamtes für Statistik, genauer gesagt auf der Lohnstrukturerhebung, die rund zwei Millionen Löhne aus der ganzen Schweiz umfasst. Diese Daten haben wir mit einem statistischen Verfahren ausgewertet, um individuelle Lohnempfehlungen geben zu können. Darüber hinaus informieren wir im Lohnrechner über Mindestlöhne in Gesamtarbeitsverträgen. In vielen Branchen legen sie fest, was Berufseinsteiger mindestens verdienen müssen.

Welche Schwächen hat der Lohnrechner?
Der Lohnrechner informiert verlässlich über die üblichen Löhne in den meisten Berufen und Branchen. Unser Ansatz funktioniert am besten dort, wo viele Beschäftigte arbeiten und es geringe Lohnunterschiede gibt. Deshalb können wir auch gute Empfehlungen für Berufseinsteiger geben. Schwierig wird es bei seltenen Berufen mit sehr ungleichen Löhnen. Als Fussballprofi müssen Sie deshalb nicht den Lohnrechner verwenden ...

Was kann ein Arbeitnehmer machen, wenn der gezahlte Lohn im Vergleich zu niedrig ist?
Man sollte unbedingt das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen. Darauf muss man sich gut vorbereiten. Neben dem Lohnvergleich mit dem Lohnrechner sollte man sich auch bei den Kolleginnen und Kollegen im Betrieb erkundigen, was sie verdienen. Idealerweise bewirbt man sich auch auf andere Stellen. Selbst wenn man nicht wechseln möchte: Mit einem besseren Jobangebot kann man seinen Forderungen beim Chef Nachdruck verleihen.

Und weiter?
Schliesslich ist es wichtig, gute Argumente zusammenzustellen, weshalb man den geforderten Lohn verdienen sollte. Eine Garantie für Erfolg gibt es nicht. Falls der Lohn unter den Mindestlohn eines Gesamtarbeitsvertrags fällt, kann man sich an die Gewerkschaft in der Branche wenden. Sie kann helfen, durchzusetzen, was einem mindestens zusteht.

Als junger Berufseinsteiger können solche Aussichten einschüchternd sein.
Das kann ich verstehen. Das gilt auch für ältere Beschäftigte. Egal ob jung oder alt: Wichtig ist, gut informiert zu sein. Wer Bescheid weiss, hat mehr Vertrauen und wird weniger über den Tisch gezogen.

Sind die Leute denn genug informiert?
Das ist schwierig zu sagen. Die Löhne in der Schweiz sind nicht transparent. Es ist darum nicht einfach, herauszufinden, was einem zusteht. Deshalb haben wir den Lohnrechner entwickelt. Die Zugriffszahlen auf den Lohnrechner und auch alternative Angebote zeigen zumindest, dass sich die Leute rege bemühen, sich besser über Löhne zu informieren.

Müsste man die Lohnverhandlung in der Schule thematisieren?
Das wäre sicher sinnvoll – auch wenn die Berufsschulen schon heute viel leisten müssen.

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