Darum gehts
- Selenski brachte ungewöhnliche Geschenke zur Ukraine-Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock
- Amherd erhielt beschädigte Fenster aus einer schwer bombardierten Stadt
- Diplomatische Geschenke sind für Ukraine Mittel, um auf Anliegen aufmerksam zu machen
Hoch über dem Vierwaldstättersee versammelte sich im Sommer 2024 die Weltpolitik. Auf dem Bürgenstock fand die Ukraine-Friedenskonferenz statt. Hochrangige Staatsgäste reisten an, die internationale Aufmerksamkeit richtete sich auf die Schweiz. Im Mittelpunkt: der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (47).
Doch was der Öffentlichkeit damals verborgen blieb: Selenski brachte nicht nur Appelle für den Frieden mit – sondern auch verstörende Geschenke. Sie sollten aufwühlen und unter die Haut gehen. Die damalige Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd (63), Gastgeberin der Konferenz, bekam ebenfalls ein solches Präsent. Der Bund bestätigt entsprechende Informationen gegenüber Blick – und gibt ein Foto des Geschenks frei.
Überreste eines russischen Angriffs
Amherd erhielt von Selenski zwei beschädigte Fenster. Sie sind Überreste eines russischen Luftangriffs auf die Stadt Borodjanka nordwestlich von Kiew. Die Fenster stammen aus einem Haus, das bei den schweren Bombardierungen beschädigt wurde.
Die Fenster wurden vom ukrainischen Künstler Yuriy Vakulenko (68) bearbeitet. Sein Werk vereint zersplittertes Glas, Brandspuren und eine in kräftigem Rot markierte Einschlagstelle zu einem stillen Mahnmal. Es erinnert an die frühen Kriegsmonate, als russische Luftangriffe grosse Teile der Kleinstadt zerstörten. Zahlreiche Zivilisten kamen dabei ums Leben.
Selenski übergab das Werk auf dem Bürgenstock hinter verschlossenen Türen – ohne offizielle Mitteilung, ohne Bilder. Man habe bewusst nicht den Eindruck einer zu starken Vereinnahmung erwecken wollen, sagen mit der Sache vertraute Personen. Die Konferenz sollte den Anstoss zu einem Friedensprozess geben – an dem irgendwann auch Russland als Angreifer beteiligt sein sollte.
Wie bewertet der Bund ein solch symbolträchtiges Geschenk? «Es ist nachvollziehbar, dass die Ukraine die Gelegenheit nutzt, um Partnerländer auf die Situation im eigenen Land aufmerksam zu machen», erklärt das Aussendepartement diplomatisch.
Ein verkohltes Buch
Welche Geschenke erhielten andere Staatschefs auf dem Bürgenstock? Klar ist einzig noch, was der tschechische Präsident Petr Pavel (63) bekam: ein verkohltes Buch. Es stammt aus der Druckerei Faktor-Druk in Charkiw, die im Mai 2024 bei einem russischen Raketenangriff zerstört wurde. Sieben Angestellte starben, rund 50’000 Bücher verbrannten. Die Attacke gilt als eine der grössten gezielten Zerstörungen kultureller Infrastruktur in der Ukraine.
Selenski liess die verkohlten Seiten in einen Rahmen montieren, dazu ein Schild mit der Aufschrift «Die Bücher, die nie gelesen werden». Selbst heute noch haftet dem Buch der Geruch verbrannten Papiers an. Pavel, so heisst es, sei davon tief berührt gewesen.
Bekannt ist dies nun, weil das Geschenk aktuell in Prag in einer Ausstellung mit diplomatischen Präsenten zu sehen ist. Solche Gaben gehören zum Protokoll. Doch die Schau zeigt: So viel traurige Symbolik wie bei Selenskis Geschenken ist selten. In der Regel sollen die Präsente Freude bereiten – nicht schockieren.
Und was wurde aus Selenskis Geschenk an Amherd? Das Werk befindet sich im Gabentempel des Bundes und ist öffentlich nicht zugänglich. Es sei in der Sammlung «Cadeaux diplomatiques» inventarisiert worden, heisst aus dem Verteidigungsdepartement, dem Amherd zur Zeit des Gipfels vorstand.